Christliches Menschenbild

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johann Wolfgang von Goethe, Faust 2

 

 

Modernes christliches Menschenbild - Why not?

 

Es gehört zum christlichen (und im Übrigen auch zum jüdischen und islamischen) Menschenbild, dass der Mensch ein natürliches Geschöpf Gottes ist und sich nicht selbst geschaffen hat oder selbst neu erschaffen kann. Die Schöpfung

der Welt, der Pflanzen, Tiere und Menschen hat jedoch nicht in sechs Tagen stattgefunden, wie es der biblische Schöpfungsmythos erzählt, um die kalendarische Woche von sieben Tagen zu begründen, sondern wie man etwa

seit Charles Darwin Theorie der naturgeschichtlichen Evolution der Arten vermutet, in vielen Millionen Jahren.

 

Da moderne Astrophysiker und wissenschaftliche Kosmologen etwa seit der Mitte des 20. Jahrhunderts aufgrund empirischer Beobachtungen und mathematischer Berechnungen vermuten, dass das Universum einen zeitlichen Anfang hat und nicht etwa schon immer existierte, wie Naturforscher und Philosophen seit Aristoteles angenommen hatten und wie auch noch Albert Einstein und Bertrand Russell im 20. Jahrhundert vermuteten, muss das Universum auch eine Ursache gehabt haben.

 

Juden, Christen und Muslime glauben, dass die Ursache für den zeitlichen Anfang des Universums in einem einmaligen Schöpfungsakt Gottes besteht, wobei man sich weder Gott selbst noch seinen Schöpfungsakt allzu anthropomorph vorstellen sollte. Die ursprüngliche Entstehung unseres Sonnensystems und der Erde, des organischen Lebens auf der Erde und der Evolution der Arten von Pflanzen und Tieren bis hin zum Homo sapiens sind indirekte langfristige Folgen der ursprünglichen Schöpfung des Universums und daher auch Bestandteile der Schöpfung.

 

Die Theorie der Theistic Evolution nimmt an, dass Evolutionstheorie und Schöpfungstheologie völlig vereinbar sind und sich nicht gegenseitig ausschließen. Die christliche Vorstellung von einem andauernden Schöpfungsprozess ("Creatio continua") ist jedoch viel älter als Darwins Evolutionstheorie. Obwohl Darwins Evolutionslehre in ihrer damaligen Form veraltet ist, ist es für aufgeklärte Christen kein Problem, die Evolutionstheorie und ihre modernen Weiterentwicklung in der Synthetischen Biologie als einer neuen komplizierten Verbindung von Evolutionstheorie mit moderner Genetik und ökologischer Populations-forschung zu akzeptieren.

 

Freilich gibt es seit dem 19. und 20. Jahrhundert moderne Bibelfundamentalisten oder sog. Literalisten, die fälschlich meinen, dass die Bibel immer und unbedingt wörtlich zu nehmen sei und dass die biblische Schöpfungsgeschichte als Ganze eine quasi-wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie sei. Klassische Theologen von Augustinus bis zu Luther und Melanchthon, Calvin und Zwingli und von den Reformatoren bis zu Karl Barth und Emil Brunner haben das jedoch nie geglaubt. Sie wussten, dass die Bibel eine heterogene Sammlung von verschiedenen Arten von Schriften ist, die auch auf ganz verschiedene Art und Weise auszulegen sind, manchmal wörtlich, machmal allegorisch, manchmal moralisch, manchmal symbolisch. 

 

Es ist erstaunlich, dass der ursprünglich mündlich überlieferte biblische Schöpfungsmythos schon die intuitive Einsicht enthalten hat, dass Menschen sich in bestimmten Hinsichten wesentlich von Tieren und Pflanzen unterscheiden und von daher besondere Geschöpfe sind, die die christliche Theologie als Ebenbildlichkeit bezeichnet hat, weil Menschen über Fähigkeiten verfügen, die in dieser Form in der irdischen Natur nicht vorkommen. Anders als gewisse Ideologen meinen, die aus der wissenschaftlichen Evolutionstheorie eine naturalistische Weltanschauung stricken, hatte Charles Darwin selbst von bestimmten geistigen Kräften ("mental powers") gesprochen, die als konstante und universale Merk-male die Menschen von Primaten unterscheiden.

 

Darwin nannte zu Beginn seines Hauptwerkes über die Entstehung der Arten als konstante und universale Merkmale der Menschen neben einigen physischen Merkmalen des Fehlens von Reißzähnen und einer Ganzkörperbehaarung sowie der auffälligen Besonderheit des aufrechten Ganges, einige spezifisch menschliche geistige Fähigkeiten wie die kulturell variierenden menschlichen Formen von Geselligkeit, die Fähigkeit zur begrifflichen Abstraktion, die Fähigkeit zu sprach-lichem Denken, den ästhetischen Sinn für Schönes und den moralischen Sinn für Gutes.

 

Darwins Evolutionstheorie liefert daher eigentlich keinen vernünftigen Grund, die Differenz zwischen Menschen und Primaten und die Sonderstellung des Menschen in der irdischen Natur zu leugnen. Auch wenn wir in der Neuzeit durch wissenschaftliche Forschungen ständig Neues über die Entstehung des Lebens auf der Erde, über die naturgeschicht-liche Evolution der Arten und über die Entwicklung der Frühmenschen bis zum geschichtlichen Kulturmenschen hinzu lernen, gibt es einige schon von Darwin hervorgehobene wesentliche Merkmale, die transkulturelle Konstanten der menschlichen Natur sind.

 

Zu Ergänzen wäre die bipolare biologische Komplementarität von Frauen und Männern, die unabhängig von sozialen und kulturellen Geschlechterrollen über viele Millionen von Jahren eine notwendige Voraussetzung für die menschliche Fortpflanzung, Erhaltung und Entwicklung der menschlichen Gattung gewesen ist. Die moderne sozialpsychiatrische Forschung bestätigt, dass diese uralten biologischen Voraussetzungen der menschlichen Fortpflanzung, Erhaltung und Entwicklung nicht nur soziale oder kulturelle Konstrukte sind, die man beliebig, aufgrund einer Mode des Zeitgeistes oder gar aufgrund von ideologischen Zwängen verändern kann, sondern notwendige Bedingungen für eine gesunde seelische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

 


 

MAKA - Vernunft & Glaube

 

Die MAKA hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bedeutung des christlichen Menschenbildes für sozial relevante Fragestellungen zu beleuchten. Schwerpunkt des MAKA-YouTube-Kanals sind Impulse von führenden Wissenschaftlern und Fachexperten zu kritischen Fragen der Philosophie, Psychologie, Bioethik, Religion, Sozialpolitik, Kirche, Ehe und Familie. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen die Erkenntnis- und Wahrheitsfähigkeit des Menschen, die Erkundungs-freude seiner Vernunft und sein Selbstverständnis als freie Person.

 

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Dr. med. Christian Spaemann, M. A. absolvierte die Matura im Jahre 1976. In den folgenden zehn Jahren studierte er Medizin, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Innsbruck und Wien. Im Februar 1986 promovierte er an der Universität Wien. 1986/1987 diente er als Medizinalassistent an der Universitätsklinik Tübingen. In den Jahren 1987 bis 1990 absolvierte er das Magisterstudium der Philosophie und im September erwarb er den Magister Artium an der Universität Tübingen.

 

Von 1990 - 1995 war er Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik, dem Klinikum rechts der Isar (TU München). In den Jahren 1995 - 1996 diente er als Assistenzarzt an der Neurologischen Klinik, dem Klinikum rechts der Isar (TU München). 1996 - 1997 versah er den Liaisondienst an der Toxikologischen Abteilung II. Medizinischen Klinik am Klinikum rechts der Isar.

 

1997 ist er Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie. In den Jahren 1997 - 1998 ist er Facharzt an der Psychosomatischen Klinik Windach am Ammersee. Von 1998 - 1999 leitet er als Oberarzt die Psychosomatische Fachklinik Bad Dürkheim in der Pfalz. 1999 - 2003 ist er Bereichsleiter der Allgemeinpsychiatrie im Bezirkskrankenhaus Kaufleuten in Bayern. Er war von 2003 bis 2011 Leiter der Klinik für Psychische Gesundheit am Krankenhaus St. Josef in Braunau am Inn (Fachabteilung für Psychiatrie und Psychotherapie) und ist jetzt selbstständig.

 

Seit Mai 2011 ist er selbstständig (freie Praxis) in Schalchen bei Mattighofen. Er ist Mitglied in der Ärztekammer für Oberösterreich und der Bayerischen Landesärztekammer.

 

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