Gott

 

 

 

Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat,

und wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat.

Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.

Und wenn jemand meine Worte hört und sie nicht bewahrt, dann richte nicht ich ihn.

Denn ich bin nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern die Welt zu retten.

 

Johannes 12, 44-47 (Zürcher Bibel)

 

 

Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter

den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit;

denn auch der Vater will solche Anbeter haben.

Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.

 

Johannes 4, 23-24 (Elberfelder Bibel)

 

 

Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort,

so seid ihr wahrhaftig meine Jünger

und werdet die Wahrheit erkennen,
und die Wahrheit wird euch frei machen.
Johannes 8, 32 (Lutherbibel 2017)
Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach:
Ich bin das Licht der Welt.
Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis,
sondern wird das Licht des Lebens haben.
Johannes 8, 12 (Zürcher Bibel)
Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben;
niemand kommt zum Vater denn durch mich.

 

 Johannes 14, 6 (Lutherbibel 2017)

 

Der Vater ist größer als ich.

 

Johannes 14, 28 (Lutherbibel 2017)

 


 

Die Gottesfrage

 

 

Das Wort "Gott" gehört zu den großen und bedeutungsvollen Wörtern. Dazu gehören auch Wörter wie "Freiheit", "Leben", "Würde", "Gerechtigkeit" und "Liebe". Solche großen Wörter werden nur allzu gerne immer wieder eher gedankenlos verwendet und ideologisch missbraucht. Viele Menschen führen sie nur allzu leicht auf ihren Lippen, um bei Anderen ganz bestimmte Gefühle zu wecken und um bestimmte Ziele zu erreichen.

 

Sobald Philosophen oder Theologen jedoch nachfragen, was diese Worte eigentlich bedeuten, geraten die Einen ins Stocken und werden ratlos. Denn sie wissen gar nicht, was sie meinten und was sie sagen wollten. Andere hingegen fangen an, drauflos zu reden, beginnen zu schwärmen und lassen einen Redeschwall von Wörtern los, ohne erst einmal zur Ruhe zu kommen und sich auf das zu besinnen, was sie meinen mit einem gediegenen Sachverstand behaupten und überzeugend begründen zu können.

 

Religiöse Fanatiker rufen, dass Gott groß sei, bevor sie sich und Andere erschießen oder in die Luft sprengen. Im Namen Gottes werden bekanntlich auch Anders- und Ungläubige angefeindet und ermordet. Und im Namen Gottes werden immer wieder ungerechte Kriege geführt, kaum notwendige und begründbare Gewalt angezettelt, und furchtbare Kriegsverbrechen im Nachhinein unzulänglich gerechtfertigt.

 

Aufgrund dieser gegenwärtigen Erfahrungen und geschichtlichen Erinnerungen ist das große Wort "Gott" vielen Menschen aus nur allzu verständlichen Gründen verdächtig geworden. Aus tiefer Sehnsucht nach Frieden, aus dem Wunsch nach Toleranz und in der Hoffnung auf Humanität wünschen sich viele Menschen, dass alle großen Religionen und Konfessionen im tiefsten Grunde doch eigentlich dasselbe lehren und erreichen wollen.

 

Aber dass populäre Prominente, wie z.B. der Dalai Lama, diese nur allzu schöne Behauptung mit guten Absichten verbreiten, macht sie noch lange nicht wahr. Das Wunschdenken vieler Menschen ist angesichts der Schrecken der Welt so stark, dass sie an diese schöne Illusion gerne glauben möchten. Aber schon alleine aufgrund der soliden Kenntnisse der modernen Religionswissenschaften ist dieses populäre Wunschdenken einfach nicht haltbar, nicht glaubwürdig, nicht wahr. Die Glaubensinhalte der Religionen und Konfessionen mögen sich hier und da teilweise gleichen oder identisch sein, aber sie sind großenteils sehr verschieden und nicht miteinander vereinbar.

 

Der Gott der Philosophen und der Gott der Theologen

 

Seriöse Philosophen und Theologen vermeiden daher ganz zurecht dieses populäre Wunschdenken. Sie möchten lieber begrifflich und historisch genau sein und beginnen zu differenzieren. Daher vergleichen sie nicht nur die christlichen mit den jüdischen und islamischen Theologien. Sie fragen sich vor allem auch, ob der Gott der Bibel, der biblisch begründeten christlichen Glaubensbekenntnisse und der christlichen Verkündigung und Lehre ein und derselbe Gott ist, über den christliche Philosophen schon in der griechischen Spätantike und im Mittelalter

bis hin zum Humanismus und zur Reformation nachgedacht und gelehrt haben? Einigen vorwiegend katholischen Religionsphilosophen scheint es sich um ein und denselben Gott zu handeln, andere vorwiegend protestantische Theologen bestreiten dies vehement. Aber es ist (zumindest in den USA) selbst unter einigen anglikanischen, calvinistischen und lutheranischen Theologen immer noch umstritten. Das hat mindestens die folgenden fünf Gründe:

 

Erstens ist die Bibel nicht einfach Gottes Wort. Sie beansprucht nicht selbst (wie der Koran der Muslime) offen-bartes und daher unantastbares Wort Gottes zu sein, sondern sie wurde von verschiedenen Menschen verfasst. Aber diese Menschen waren auf der Suche nach Gott, hatten über einige Jahrhunderte von Gott durch ihre Pro-pheten gehört, bis sie in Jesus Christus Gott selbst begegnet sind. Daher enthält die Bibel, was von Menschen

als das Wort und der Wille Gottes verstanden wurde. Die Bibel ist jedoch weder irrtumsfrei noch ewig gültig,

denn sie enthält viel historisch Bedingtes, persönliche Auffassungen und Einschätzungen der Apostel, Anhänger und Zeitzeugen. Im Laufe ihrer Überlieferung wurden auch einige Ungereimtheiten, Abschreibungs- und Übersetzungsfehler gefunden, von Kennern erörtert und korrigiert. Die Bibel ist zwar eine ganz besondere, höchst wertvolle und für viele Jahrhunderte kulturell und geistig prägende, aber dennoch von Menschen zu-sammen gestellte Sammlung von verschiedenen Arten von Schriften (Texte und Textsorten) aus einer langen Periode vorchristlicher Zeiten, verschiedener Autoren des Alten Israel. Zu diesen Texten und Textsorten gehören: alte überlieferte Mythen und Erzählungen bisweilen durchzogen von alten geschichtlichen Dokumenten, pro-phetische Schriften, Weisheitsbücher, die vier Evangelien in Form von Nacherzählungen und Zeugenberichten

der ersten Anhänger des aramäisch sprechenden Juden Jesus von Nazareth, der sich selbst als der prophezeite Messias aus dem Hause Davids verstanden hatte und damit sowohl bei den Hohepriestern des Tempels von Jerusalem als auch bei den römischen Besatzern aneckte. Zu diesen Texten gehören die überlieferten Briefe

von frühen Aposteln, wie Johannes, Jakobus und Petrus sowie des erst viel später berufenen und aufgrund

einer mystischen Erfahrung konvertierten Juden Paulus, vor allem, der urchristliche Galaterbrief und der evangelische Römerbrief und schließlich die rätselhafte prophetische Offenbarung des Johannes.

 

Zweitens gibt es den einen Gott der Philosophen gar nicht, da schon Platon und Aristoteles, Plotin und Augus-tinus, und erst recht die Denker der Patristik und sogar die ganze Reihe der Philosophen und Theologen des frühen und späten Mittelalters verschiedene Gottesbilder hatten und unterschiedliche Lehren über Gott vertreten haben. Außerdem haben dann die Humanisten und Reformatoren Calvin und Luther, Melachthon und Zwingli sowie Jan Hus und Wycliff und einige Andere die römisch-katholische Verbindung von Tradition und Bibel infrage gestellt und die vier exklusiven reformatorischen Prinzipien der alleinigen Autorität von Glaube (sola fide), Gnade (sola gratia), Christus (solus Christus) und Schrift (sola scriptura) an die Stelle der katholischen Tradition gesetzt.

Die römisch-katholische Westkirche hingegen war der menschliche Versuch, aus den heterogenen Schriften der Bibel und aus den vielfältigen Lehren der Patristik und der Kirchenväter durch eine pyramidale Hierarchie, einen einheitlichen Ritus und eine internationale institutionelle Vernetzung künstlich eine einheitliche Lehre mit einem absoluten und universalen Wahrheitsanspruch zu erzeugen.

 

Drittens gibt es offensichtliche Spannungen und Unvereinbarkeiten zwischen dem Gottesbild des klassischen christ-lichen Theismus und dem Gottesbild des Alten Testamentes. Die wichtigsten Attribute Gottes sind im klassischen christlichen Theismus recht abstrakt: (1.) Aseität, d.h. aus sich selbst und für sich selbst bestehend, (2.) Einfachheit, d.h. ohne Teile, (3.) Unwandelbarkeit, (4.) Apathie, d.h. ohne störende Emotionen, (5.) Unbegreifbarkeit, (6.) Ewigkeit, (7.) Allmacht (der Liebe), (8.) Allwissenheit, (9.) Allgüte der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, etc. Jehova, der anthropo-morphe und mythische Herrgott des Alten Testamentes hingegen hatte die kosmische Ordnung der Welt aus dem Chaos geschaffen, Licht und Finsternis, Tag und Nacht, Himmel und Erde, Tiere und Menschen alleine durch seine schöpferischen Worte geschaffen. Er fand zuerst Gefallen an seiner eigenen Schöpfung, dann warnte er Adam und Eva, die mythischen Urmenschen vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, zürnte den ersten Menschen wegen ihres Ungehorsams, sandt zur Strafe eine Sintflut, kommunizierte mit den Propheten Israels, usw. 

 

Viertens haben Humanismus und Reformation die im westlichen Europa allein gültige Macht der Römisch-Katholischen Kirche gebrochen, die durch die konstantinische Schenkung aus den anti-römischen frühen Christen und nach dem ersten Schisma erstmals das schriftwidrige Paradox einer christlichen Staatskirche gemacht hatte. Trotzdem kam es dann wieder zu einer Trennung von geistlicher und weltlicher Herrschaft nach dem Vorbild der alten jüdischen Trennung von Königshaus und Tempel und nach der alten christlichen Trennung von christlicher Gemeinde und römischem Im-perium. Gleichwohl ahmte die Papstkirche mit ihrer unbiblischen Hierarchie von Priestern, Bischöfen, Kardinälen und Päpsten die ägyptische Priesterherrschaft und den römischen Kaiserkult nach und missbrauchte dazu die Autorität

des Namens Jesu Christi, um die Menschen geistlich zu lenken und um die Einheit der Christen gegenüber den welt-lichen Kaisern, Königen und Fürsten zu repräsentieren und zu vertreten.

 

Fünftens ist das, was die Gläubigen mit dem Wort "Gott" meinen, wesentlich etwas ganz Anderes als nur ein Bild oder nur eine Vorstellung von Gott. So wie ein Bild oder eine Vorstellung von einem Baum nicht der Baum selbst sind und

so wie ein Bild oder eine Vorstellung von einem Menschen nicht der Mensch selbst sind, so darf auch ein Gottesbild

oder eine bestimmte Vorstellung von Gott im menschlichen Bewusstsein und Geist nicht für Gott selbst gehalten werden. Jede Vorstellung von Gott ist ein Geschöpf der menschlichen Phantasie oder produktiven Einbildungskraft.

Das gilt auch und gerade dann, wenn eine innere psychische Vorstellung von Gott in einem äußeren physischen Bild

von Gottes ausgedrückt wird. Das Bilderverbot der Juden und Muslime, der Reformierten und Zeugen Jehovas hat den

guten Sinn, den Menschen keine unangemessenen, anthropomorphen und endlichen Vorstellungen von Gott ins Bewusstsein zu pflanzen. Denn Bilder, Symbole und Zeichen, wie Marienfiguren oder Kruzifixe können zur Idolatrie missbraucht werden.

 

Aus diesen fünf Gründen scheint es geradezu unmöglich zu sein, auf den überlieferten gemeinsamen Grundlagen der verschiedenen Protestantischen Kirchen ein einheitliches Gottesbild oder eine einheitliche Lehre von Gott und seinem Verhältnis zu den Menschen und zur Welt gewinnen zu wollen. Aufgrund dieser exegetischen und theologischen Kon-sequenzen von Humanismus und Reformation haben die Reformatoren von Anfang an eine Reihe von Lehr- und Be-kenntnisschriften über die neue christliche Lehre als eine reformierte ursprüngliche christliche Lehre entwickelt und verfasst. Sie wurden mit dem Anspruch formuliert, gar nicht Anderes zu bekennen und zu lehren, als nur dasjenige,

was nachweislich und glaubwürdig bereits in der Bibel, d.h. im Alten und Neuen Testament, geschrieben steht. Martin Luther hatte gegen Ende seines Lebens Phillip Melanchthons Loci communes als reformierte Summe des christlichen Glaubens zur Lektüre empfohlen, da er seine Schriften mehr als Streitschriften im Kirchenkampf aufgefasst hatte.

 

Reformation und Philosophie

 

So ersetzten die Reformatoren die alte personale Autorität der Päpste durch die neue schriftliche Autorität der biblischen Schriften. Dadurch trat an die Stelle des sich selbst verleugnenden Gehorsams gegenüber der kirchlichen Hierarchie von Priestern, Bischöfen, Kardinälen und Päpsten der gewissenhafte ein selbstbewusster Gehorsam gegen-über der Schrift: nach bestem Wissen und Gewissen interpretiert im lebendigen Bewusstsein der unverfügbaren Gnade Gottes, der alleinigen Autorität Jesu Christi und des von allzu menschlicher Gottferne befreienden Heiligen Geistes.

 

Aus philosophischer Sicht ist festzuhalten: Es gibt kein objektiv gültiges Wissen und keine rational zwingenden Beweise dafür, dass es Gott ganz unabhängig vom menschlichen Bewusstsein und Geist wirklich gibt. Aber es gibt sehr gute Argumente, die ernst zu nehmen sind und die unter den vorzüglichsten Religionsphilosophen immer noch sorgfältig studiert werden. Atheisten und Skeptiker können jedoch nicht in einem strikten Sinne rational durch allgemeingültige und zwingende Beweise widerlegt werden. Deisten, Pantheisten und Theisten können jedoch auch nicht in einem strikten Sinne rational widerlegt werden. Der Glaube an Gott mag eine auch noch so feste persönliche oder gemein-schaftliche Überzeugung sein, aber es handelt sich um einen persönlichen Glauben oder um ein Fürwahrhalten. aber nicht um ein objektives Wissen, das aus allgemein akzeptablen Gründen rational gerechtfertigt werden kann. Es könnte daher durchaus sein, dass Gott in der Tat nur ein Geschöpf der menschlichen Einbildungskraft ist, wenn auch ein exis-tenziell und psychohygienisch besonders wichtiges.

 

Der Glaube an ein höheres Wesen und die Vorstellungen von etwas Absolutem in seinen verschiedenen Glaubens-weisen der jüdischen, christlichen und islamischen oder anderen Religionen und Konfessionen (Hindus, Parsen, Shiks, Yeziden, Bahais u.v.a.m.) gehört (nach Darwin) zur menschlichen Natur wie die komplexe Fähigkeit zur Sprache und das kognitive Abstraktionsvermögen, die objektive Erkennbarkeit von Situationen, Gegenständen, Ereignissen und Pro-zessen in der Lebenswelt, der spezifisch menschliche Sinn für das Wahre, Schöne und Gute, der Sorge für sich und Andere, und einige andere seelisch-geistigen Kräfte. Der Glaube an Gott und die Vorstellung von etwas Absolutem beruhen zwar auch auf einer psychischen und geistigen Imagination, aber sie erfüllen auf diese Art und Weise einige psycho-soziale Funktionen zur Bewältigung der Grenzsituationen von Angst und Furcht, Scham und Schuld, Daseins-bewältigung und Lebenskampf, Verletzbarkeit und Sterblichkeit, etc. 

 

Trotzdem können wir nicht ausschließen, dass dem Glauben an Gott und den Vorstellungen von etwas Absolutem auch etwas in der immanenten oder transzendenten Wirklichkeit entspricht. Da das nicht beweisbar ist, ist und wird es wohl immer umstritten bleiben müssen. Diese epistemische Offenheit ist der eigentliche und tiefste Grund für die politische Verteidigung der Glaubens- und Religionsfreiheit in der Neuzeit und Moderne und für die Ablehnung eines jeden theokratischen oder anderen religiösen Totalitarismus, ganz gleich welcher Religion und Konfession.

 

Anders als das Dasein und Wesen Gottes können wir jedoch die verschiedenen und wandelbaren persönlichen und gemeinschaftlichen Gottesbilder und Vorstellungen von Gott kennen und verstehen, reflektieren und erkennen,

die Menschen erzeugen und teilen können. Daher können auch evangelische Theologen die Ursprünge und die Geschichte der christlichen Glaubensweisen, Erlebnisse, Vorstellungen und Überzeugungen von Gott anhand der

Bibel, Glaubensbekenntnisse und überlieferten Dokumente und Schriften studieren.

 

Historisch unbestritten ist, dass der Kern des christlichen Glaubens im Alten Israel im Kontext des Judentums ent-standen ist und daher Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum damaligen Glauben der Juden sowie zum späteren Glauben der Muslime aufweist. Klar ist, dass der christliche Glaube im wesentlichen Kern das Evangelium von Jesus Christus ist und dass sich der christliche Glaube in den ost- und westkirchlichen, katholischen und reformatorischen, aufklärerischen und pietistischen Traditionen und Konfessionen um diesen einheitlichen christologischen Kern des Evangeliums herum entfaltet und entwickelt hat, der im Neuen Testament enthalten und überliefert ist. 

 

Gottes verborgenes Wesen, menschliche Gottesbilder und kultisches Bilderverbot

 

Auch schon für Jehova, den einen Gott des Alten Israel galt: Keiner hat Gott je gesehen. Gott ist unsichtbar. Wenn ein Mensch auch nur für einen Augenblick den lebendigen Gott von Angesicht zu Angesicht begegnen könnte, dann

würde er sterben, heißt es in der Bibel. Als so unfassbar groß, heilig und allmächtig gilt Gott in der Bibel. Da wir Menschen Gott den biblischen Schriften zufolge weder auf natürliche Weise mit unseren Augen sehen können noch

auf durch einen mystischen Blick nach innen schauen können, können wir in diesem irdischen Dasein nur "im Glauben" leben, aber nicht "im  Schauen" oder geistigen Erkennen.

 

Obwohl uns Gottes Wesen verborgen ist und obwohl er uns oft abwesend oder gar nicht existent zu sein scheint, machen wir Menschen uns immer wieder irgendwelche Vorstellungen von Gott (wozu auch die nur allzu verständ-lichen Zweifel der Atheisten und Agnostiker am Dasein Gottes gehören). Wir Menschen kommen im Laufe eines menschlichen Lebens nicht umhin, irgendwelche menschlichen Vorstellungen von Gott zu haben, die sich jedoch von der Kindheit an über die Jugend bis hin zum frühen, mittleren und späten Erwachsenenalter je nach einschneidenden und prägenden Lebens-erfahrungen und seelisch-geistigen Lern- und Reifeprozessen immer wieder wandeln.

 

Vorstellungen von Gott zu haben ist nicht nur menschlich, sondern geradezu unvermeidbar. Denn alle Menschen neigen dazu, irgendetwas absolut zu setzen, das ihnen heilig ist. Wenn sie das angeblich nicht tun, dann verehren sie nur irgendwelche vergänglichen Kräfte und Mächte, die alle anderen Güter wie Gesundheit und Klugheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit relativieren: nämlich sinnlichen Genuss, weltliches Ansehen, menschliche Anerkennung, Reichtum und Macht.

 

Daher neigen alle Menschen von Natur aus zum "Götzendienst", d.h. zur Verabsolutierung nichtiger Dinge, die wenig wert sind im Vergleich zu den wahren Gütern, die uns die Propheten, die Weisen und die echten Philosophen im Namen Gottes oder der menschlichen Natur an Herz gelegt haben. Aber auch philosophische oder theologische Ideen, Kon-zepte oder Ideologien können zu von der menschlichen Einbildungskraft erzeugten und dann erhobenen und verab-solutierten Idolen werden.

 

Das kultische Bilderverbot des Tanach und die prophetische Warnung vor dem Tanz ums Goldene Kalb als Götzenbild der Israeliten, die das Andenken an den einen, lebendigen, wahren, aber unsichtbaren Gott vergessen oder verworfen haben, kann, aber muss nicht nur auf sichtbare, von Menschen gemachte Götzenbilder auf Altären oder Sockeln, in Tempeln oder Synagogen, in Kirchen oder Moscheen (wie die Kaaba in Mekka) bezogen werden. Auch destruktive seelische Abhängigkeiten, wie sie in der Besessenheit, in den verschiedenen Formen von Sucht und anderen Lastern und Leidenschaften zum Vorschein kommen, können unsichtbare Formen von Götzendienst sein, die dann oft erst in psychosomatischen Erkrankungen und anderen Leiden ans Licht kommen.

 

Kontinuität des Gottesbildes im AT und NT

 

Wer die christliche Bibel auch nur oberflächlich kennt, der wird vermutlich rasch bemerken, dass es zwischen dem Alten Testament, also dem hebräisch verfassten Thanach der Juden, und dem Neuen Testament, also den vier griechisch verfassten Evangelien, den apostolischen Sendschreiben und der Offenbarung des Johannes sowohl Kontinuitäten als auch Differenzen gibt. Die offenkundigste Kontinuität ist die gemeinsame historische und geographische Herkunft aus einem Gebiet im Nahen Osten zwischen Mesopotamien und Ägypten mit einem Schwerpunkt im Alten Israel und einem Brennpunkt im damaligen Jerusalem.

 

Jerusalem gilt bei den Anhängern aller drei abrahamitischen Religionen, also bei Juden, Christen und Muslimen seither über die Jahrhunderte hinweg und auch in unserer Gegenwart immer noch als eine "Heilige Stadt". Dass dies natürlich auch mit verschiedenen religiösen, ökonomischen und politischen Spannungen und Konflikten verbunden ist, schmälert zumindest nach jüdischem und islamischen Verständnis nicht die Heiligkeit dieser Stadt, sondern bestätigt sie geradezu. Ob man dies auch aus christlicher Sicht sagen kann, ist zumindest umstritten.

 

Eben dies hat mit einer wesentlichen Differenz zwischen Jesus von Nazareth bzw. Jesus Christus als der Hauptfigur im Drama des NeuenTestamentes und den Propheten des Alten Israel, angefangen bei Abraham, Mose und Isaak bis hin

zu Jesaja, Eliah und Jonas als den irdischen Hauptfiguren in den Dramen des Alten Testamentes zu tun. Während es für die Propheten des Alten Israel kein Problem gewesen ist, auch im Namen Gottes zu den Waffen zu rufen, hat dies Jesus zumindest auf seinem Weg nach Golgatha abgelehnt. Daher ist er als der "Friedefürst" in die Geschichte des christ-lichen Glaubens und Denkens eingegangen.

 

Christen waren zwar faktisch sicher nicht immer friedfertig, vor allem nicht mehr, seit das antike Christentum nach

der konstantinischen Wende zur Staatsreligion geworden war. Aber ihre Kriege im Namen Gottes standen immer

dem Glauben und Denken, dem Verhalten und Handeln Jesu Christi entgegen und sie konnten unter Berufung auf

die Evangelien infrage gestellt und verworfen werden. Das Gleiche kann man weder vom Glauben der Juden noch

vom Glauben der Muslime sagen. Juden konnten sich dazu immer auf einige ihrer Propheten berufen und Muslime

auf ihren Propheten Mohammed und den Koran. Denn sowohl einige Propheten des Alten Israel als auch Mohammed haben nachweislich auch Kriege im Namen Gottes geführt und Mohammed sogar mit dem missionarischen Zweck

der Ausbreitung des islamischen Glaubens. 

 

Daher ist die dringliche Frage berechtigt, ob es sich bei dem Gott des jüdischen Glaubens JHWH und bei dem Gott des islamischen Glaubens ALLAH wirklich um ein und denselben Gott handelt, den Jesus Christus ABBA nannte und mit dem er nach seinem eigenen Selbstverständnis in einer so intimen und unauflöslichen Beziehung stand, dass er ihn "seinen Vater" nannte und sich als seinen Sohn, also "Gottes Sohn" verstanden hatte. De dicto, also den Namen nach handelt es sich nicht um dieselben Vorstellungen von Gott, aber de re, also dem Bezeichneten und Gemeinten nach könnte es sich eventuell doch um ein und denselben Gott handeln. Das in den Evangelien überlieferte Selbstverständnis Jesu Christi als eine seelisch-geistige Willens-Einheit und innigste Beziehung zwischen Vater und Sohn können Juden und Muslime bis heute nicht akzeptieren, sondern bestenfalls tolerieren. Denn sie wissen nur allzu genau, dass sie sich sonst zumindest dem christlichen Glauben annähern würden. Und das wird innerhalb ihren Religionen und Glaubensgemeinschaften abgelehnt, sozial geächtet und manchmal hart (mit dem Tode) bestraft.

 

Aus diesem Grund gibt es zwar eine Kontinuität zwischen AT und NT, denn Jesus von Nazareth war von Hause aus ein aramäisch sprechender Jude aus dem Alten Israel, aber auch eine Diskontinuität, denn Jesus Christus hat sich als der im AT vielfach prophezeite Messias aus dem Hause Davids verstanden. Jesus von Nazareth vereint Juden, Christen und Muslime, da sie ihn alle drei als einen jüdischen Propheten verstehen. Jesus Christus trennt jedoch zugleich Christen

von Juden und Muslimen, da Juden und Muslime es strikt und radikal ablehnen, in Jesus von Nazareth den gesalbten Messias und den Sohn Gottes anzuerkennen.

 

Innovation des NT: Primat des Vaters (ABBA) und seine Widersacher

 

Die Selbstaussagen Jesu Christi über seine einmalige Identität und Beziehung zu Gott waren von Anfang an für die

Juden und Römer sowie später für die Griechen und Perser, für die Gnostiker und Manichäer, für die Parsen und Muslime und noch später für die Germanen, Franken und für alle anderen Heiden eine unerhörte Provokation und

ein bleibender Skandal, da sie diesen damit verbundenen exklusiven Wahrheitsanspruch nicht akzeptieren konnten

und oft sogar nicht einmal tolerieren wollten.

 

Aus diesem einen Grunde sind alle echten Christen, die wirklich in Wort und Tat glauben, dass einzig und allein Jesus Christus "der Weg, die Wahrheit und das Leben" ist, bis heute die am meisten gefährdete und verfolgte Glaubens-gemeinschaft auf der ganzen Welt. Aus einer nur allzu verständlichen Furcht vor gnadenloser Intoleranz, unbequemen Folgen und grausamer Verfolgung scheuen sich viele und vielleicht sogar die meisten nominellen Christen immer noch davor, sich offen und unverblümt zu diesem exklusiven Wahrheitsanspruch und Selbstverständnis Christi zu bekennen.

 

Zwar mag es nur einen Gott als schöpferischen Ursprung des Universums, des Lebens und des Menschen geben, so-dass Allah, Jehova und Abba nur verschiedene Namen für den einen, ewigen, namenlosen, unsichtbaren und doch omnipräsenten Gott sind, aber vollständig offenbar und einigermaßen verstehbar wird er dennoch nur durch Jesus Christus, der "der Sohn Gottes" genannt wurde, weil er in einen einzigartigen Verhältnis zu Gott und  in einer beson-deren Art von Willenseinheit mit seinem Vater stand. 

 

AT als Vorgeschichte des NT: Erfüllung der Messiaserwartung

 

Das alte bzw. hebräische Testament, der Tanach, wird von den Juden als ihre eine Heilige Schrift und als vollständiges Dokument ihres streng monotheistischen Glaubensbekenntnisses verstanden. Daher können und dürfen sie das neue bzw. griechische Testament der Christen nicht als eine Heilige Schrift oder als Bestandteil, Ergänzung, Erweiterung oder gar als Erfüllung ihrer Heiligen Schrift lesen, interpretieren und anerkennen. Wenn es Juden dennoch tun, wie die mes-sianischen Juden, laufen sie Gefahr, ihre Zugehörigkeit zum Judentum aufs Spiel zu setzen.

 

Für die Christen ist das alte bzw. hebräische Testament, nicht die ganze Heilige Schrift und daher auch kein vollständi-ges Dokument ihres zwar auch monotheistischen, aber zugleich trinitarischen Glaubensbekenntnisses. Daher lesen

und verstehen sie das alte bzw. hebräische Testament zwar als historisch bedingten Vorläufer und als monotheistische  Grundlage ihres Glaubens an Gott. Aber sie lesen es auch als eine Sammlung von jüdischen Schriften, die aufgrund der prophetischen Messiaserwartung auf das Erscheinen des Messias Yeschuah, also Jesu Christi hinweisen.

 

Das neue oder griechische Testament ist daher für die Christen zugleich die Erfüllung und die Vollendung des alten bzw. hebräischen Testamentes. Da erst das Neue Testament von der Geburt und vom Erscheinen, vom Leben und Wirken, vom Tod und von der Auferstehung Jesu Christi erzählt und berichtet, ist das Neue Testament derjenige Teil

der Bibel, der das alte bzw. hebräische Testament zum Alten Testament und zum unvollständigen Teil der Bibel werden lässt. Das Neue Testament trennt den Glauben der Juden und Muslime vom Glauben der Christen.

 

Differenz zum jüdischen Gottesbild: geschichtlicher Monotheismus und völkische Bundestheologie

 

Das Gottesbild des Tanach bzw. des Alten Testamentes ist das Bild von Jehova, einem anthropomorphen, aber unsichtbaren Gott, der mit seinem Volk Israel einen einzigartigen Bund eingegangen ist und sich gottesfürchtigen Frommen und Propheten offenbart. Dieser Gott ist der Schöpfer, Ordner und Erhalter der Welt. Er bereute jedoch, die Menschen geschaffen zu haben, weil sie ihm nicht gehorchten, sondern ihm untreu und dadurch böse geworden sind. Bosheit ist demzufolge keine Eigenschaft der Menschen, sondern Untreue gegen Gott. Daher schickt Gott eine Sintflut und bestraft sie auch immer wieder, um sie zum Gehorsam zu bringen.

 

Die Menschen im Alten Israel verstehen ihr ganzes Leben im Hinblick auf den Willen Gottes, der ihre Geschicke lenkt

und der sie entweder belohnt oder bestraft. Die Menschen im Alten Israel leben in einer patrilinearen und patriarcha-lischen Gesellschaft, in der Frauen und Kinder zum Besitzstand und Haushalt eines Mannes gehören. Manche Männer nahmen sich nicht nur eine, sondern auch zwei oder mehrere Frauen. Für die Männer kam es vor allem darauf an, möglichst viele gesunde und starke Söhne zu zeugen. Daher ist der Tanach bzw. das Alte Testament voll von Aufzäh-lungen davon, wer wann welche Kinder gezeugt hat und wer von wem abstammt. 

 

Jesus Christus bricht mit diesen alten patriarchalischen Herrschaftsverhältnissen. Unter seinen Anhängern befinden sich Männer und Frauen sowie auch seine Mutter Maria. Auch wenn er damals nur Männer zu Aposteln gemacht hat,

weil Frauen damals von Außenstehenden nicht anerkannt worden wären, schützt er immer wieder Frauen vor den damals üblichen Vorurteilen und zornigen Verurteilungen durch die damals herrschenden Männer. Er selbst ist die vollkommene Verkörperung der als "männlich" geltenden Tatkraft und der als "weiblich" geltenden Fähigkeiten wie Geduld und Barmherzigkeit. Jesus Christus hat eine Transformation der sittlichen Werte und Beziehungen initiiert,

die die Welt der Antike von Israel aus über Griechenland und Kleinasien, Italien und Nordafrika, Europa und die

ganze Welt bis heute verwandelt haben.

 

Patriarchalische Herrschaftsverhältnisse dominierten jedoch nicht nur die alten Israeliten, sondern auch die alten Griechen und Römer, Franken und Germanen und praktisch alle Völker über viele Jahrhunderte hinweg. Auch Sokrates, Platon und Aristoteles haben das noch nicht infrage gestellt oder angefochten. Erst in den modernen Gesellschaften,

die durch Demokratien, Rechtsstaaten und soziale Marktwirtschaften geprägt sind, lässt sich die von Jesus Christus initiierte Transformation der Werte und Beziehungen nicht nur in den christlichen Gemeinden, sondern auch gesell-schaftlich realisieren und konsolidieren. Aber es gibt auch immer noch viele grobe Missverständnisse und heftige Widerstände. Die römisch-katholische Kirche, die orthodoxen Kirchen, das strenge und orthodoxe Judentum und der strenge und konservative Islam zementieren bis in unsere Gegenwart hinein, patriarchalische Herrschaftsverhältnisse unter ihren Repräsentanten und in die Gesellschaft hinein.

 

Das Patriarchat ist eine zwar alte und lange überlieferte, aber auch leidvolle, ungerechte und unglückliche Ordnung des Zusammenlebens von Männern und Frauen, obwohl es für lange Zeit als natürliche Geschlechterordnung und

sogar als die von Gott gewollte "Schöpfungsordnung" gegolten hat. Das vom manchen Formen des Feminismus propagierte Matriarchat ist jedoch oft auch nur eine lieblose, aus Ressentiment geborene Reaktion und  Rebellion

und daher auch nur ein weiteres Missverständnis. Meistens bleibt es nämlich nur bei einer stupiden Umkehr der Machtverhältnisse und beim ebenfalls lieblosen Versuch, eine Herrschaft der Frauen über die Männer zu etablieren anstelle einer zumindest von gegenseitiger Anerkennung und von wechselseitigen Respekt getragenen Beziehung, wenn nicht gar von freundschaftlicher Liebe.

 

Beide Machtverhältnisse, das Patriarchat und das Matriarchat sind gegen die freundschaftliche Liebe zwischen einem Mann und einer Frau gerichtet, die eine harmonische Einheit und dynamische Beziehung komplementärer Gegensätze, der verschiedenen Geschlechter und gleichberechtigter Menschen ist, der höchsten Form der Liebe unter Menschen. Freundschaftliche Liebe ist ein Kind der Freiheit und der Wahrheit und das Gegenteil der Macht des Einen über den Anderen. Die freundschaftliche Liebe alleine ermöglicht das Wohlergehen und die Zufriedenheit beider. Liebe ist das Gegenteil des Willens zur Macht über Andere, denn sie will die Freiheit und das Wohlergehen des Anderen.

 

Differenz zum islamischen Gottesbild: ungeschichtlicher Monotheismus und Talionsrecht des Koran

 

Das Gottesbild des Koran ist das Bild von Allah, einem anthropomorphen, aber unsichtbaren Gott, der nach dem Koran seinen Willen direkt seinem auserwählten Propheten Mohammed durch den Erzengel Gabriel offenbart hat. Er offen-barte dem Koran zufolge seinen unbedingten Willen für die ganze Menschheit, die langfristig freiwillig zum Islam kon-vertieren bzw. zwangsweise zum Islam konvertiert werden soll. Da Mohammed dem islamischen Glaubensbekenntnis zufolge der abschließende, entscheidende und letztgültige Prophet Gottes ist, akzeptiert der Islam zwar die früheren Propheten des Alten Israel von Abraham über Mose bis hin zu Jesus (nur als einen Propheten), aber keinen einzigen späteren Propheten nach Mohammed wie zum Beispiel Bab und Baha Ullah, die Propheten der Bahais.

 

Das Gottesbild des Koran ist das Bild von Allah, dem allmächtigen und ewigen, gerechten und barmherzigen Schöpfer und Erhalter der Welt, dem langfristig alle Menschen zu dienen und zu gehorchen haben. Da der Islam von Hause aus  keine Trennung von säkularem Rechtsstaat und religiöser Institution des Islam und der Umma (weltweiter Gemeinschaft der Muslime) kennt, ist er zumindest bei einer strengen Auslegung auch nicht mit modernen, freiheitlich-demokrati-schen Gesellschaften vereinbar, die durch Demokratien, Rechtsstaaten und soziale Marktwirtschaften geprägt sind.

 

Muslime verhalten sich zu Gott primär als einem strengen, aber auch barmherzigen Schöpfer und Erhalter der Welt,

der als allwissender Gesetzgeber dem Mohammed seinem abschließenden Propheten, die besten Regeln, Richtlinien

und Weisungen für die menschliche Lebensführung im Gehorsam vor Gott offenbart hat. Muslime, glauben von Gott belohnt zu werden, wenn sie sich an diese Vorgaben halten und bestraft zu werden, falls sie sich nicht daran halten.

Der Islam ist daher eine universale Religion des Gehorsams und nicht der Befreiung zur Liebe und Selbstbestimmung.

 

Die familiäre Ordnung ist im Islam traditionell patriarchalisch: Der Mann unterwirft sich Allah, seine Frau und Kinder unterwerfen sich dem Mann. Der Islam ist eine die ganze Menschheit beanspruchende Gesetzesreligion, der sich lang-fristig alle Menschen anzuvertrauen und zu unterwerfen haben, um Frieden und Gerechtigkeit im Diesseits zu bewahren sowie um Frieden und ewiges Glück bei Gott im Jenseits zu erhalten. 'Islam' bedeutet nicht 'Frieden', wie immer wieder fälschlich behauptet wird, sondern 'Hingabe an Gott' oder 'Unterwerfung' unter den Willen Gottes, wie er ihren Glauben zufolge im Koran offenbart wurde. Dabei wird die Unterwerfung unter den Willen Gottes weitgehend mit dem Schicksal (kismet), das einem widerfährt, und mit dem Weltgeschehen gleichgesetzt. Das gilt für Christen nicht, da sie nicht davon ausgehen, dass alles faktisch nach dem Willen Gottes geschieht, sondern nur hoffen und beten, das der Wille Gottes geschehen möge, damit das ersehnte, aber auch schon angebrochene Reich Gottes kommen möge

 

Muslime sollen zwar dem Koran zufolge Männer und Frauen als gleichwertige Geschöpfe Gottes achten, aber faktisch dominiert in fast allen islamischen Ländern weltweit das Patriarchat als die alte und überlieferte, aber leidvolle und daher ungerechte Geschlechterordnung und sie gilt trotz des Koran meistens als die angeblich von Gott gewollte "Schöpfungsordnung". Damit entspricht der weltweit gelebte Islam einer universalisierten Form der patrilinearen und patriarchalen Geschlechterordnung des Alten Israel und der gesamten Antike. Die von Jesus Christus initiierte seelisch-geistige Transformation der neuen Werte und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Männern und Frauen wird anders als bei liberalen Juden und Muslimen außer Acht gelassen. Denn Jesus ist dem Koran zufolge kein Befreier und Erneuerer, sondern nur ein weiterer Prophet in der Reihe der großen Propheten des Alten Israel.

 

Das Johannesevangelium vom Geist Gottes

 

Gott ist Geist und wer Gott liebt, muss ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Juden, Christen und Muslime haben

für viele Jahrhunderte lang sich Gott anthropomorph als einen personalen Schöpfergott, Erhalter der Welt, ethisch-moralischen Gesetzgeber und Weltenrichter vorgestellt. Dieses anthropomorphe Gottesbild war und ist ein Geschöpf einer archaischen religiösen Imagination und Projektion. Jesus neuer Glaube an ABBA, seinen Vater (wörtlich: Daddy) war eine seelisch-geistige Revolution. Jesus hat selbst zu seinem Vater gebetet und auch seine Anhänger gelehrt, zu seinem Vater zu beten. Aber schon Jesus hat einer Samariterin am Brunnen prophezeit, dass eine Zeit kommen würde

und schon mit ihm angebrochen sei, da die Menschen Gott nicht nur im Tempel von Jerusalem oder nur an besonderen Orten, wie einer Synagoge, Kirche oder Moschee anbeten (werden). Sie könnten nämlich überall zu ihm beten oder mit ihm sprechen. Außerdem sei er nicht gekommen, um die Menschen zu richten, sondern um sie zu orientieren, zu be-freien und zu retten.

 

Freilich führt seine Mission nicht vom klassischen Theismus zum modernen Atheismus, der das Dasein Gottes leugnet oder gar zum neuzeitlichen Deismus, der nur die Präsenz Gottes und seine Interaktion mit der Welt leugnet, sondern zu dem aufgeklärten religiösen Bewusstsein, dass Gott weder ein unabhängig von ihnen (notwendig) existierendes dingliches Wesen unter allen anderen Wesen in der Welt ist (Immanenz) noch ein unabhängig von ihnen existierendes dingliches Wesen unter allen anderen Wesen außerhalb der Welt ist (Transzendenz). Gott ist vielmehr ein unsichtbarer Geist und als Geist überhaupt kein dingliches Wesen innerhalb oder außerhalb von Raum und Zeit. Gott ist zumindest intentionaler Gehalt der höchsten intelligiblen Idee des menschlichen Geistes vom Absoluten als dem Ideal aller Ideale oder als der Verwirklichung aller denkbaren positiven Eigenschaften oder Vollkommenheiten.

 

Das Bewusstsein von Gott als dem höchsten und vollkommensten Wesen, das sie nicht durch eine endliche Erfahrung von Etwas in der raumzeitlichen Welt gewonnen haben können, ermöglicht, dass Menschen sich selbst transzendieren und daher realisieren können, dass sie  nicht nur irgendwelche konkreten Dinge unter anderen Dingen in der Welt sind, dass sie nicht nur kleinste Teilchen im raumzeitlichen Universums sind, indem sie aufgehen, wie ein Tropfen im Meer oder dass sie nur höhere Tiere bzw. intelligente Lebewesen unter anderen intelligenten Lebewesen in der irdischen Natur sind. Im menschlichen Geist befindet sich vielmehr eine Idee vom Absoluten, die als Idee Physisches und Psychisches überschreitet, da diese Idee weder tote Materie ist und zum sterblichen Körper gehört, noch etwas Organisches ist und zu den vitalen Funktionen des lebendigen Leibes gehört noch nur etwas Psychisches ist und

zu den psychischen Fähigkeiten und Phänomenen des Menschen gehört.

 

Weder das Judentum noch der Islam kennen und akzeptieren gewöhnlich diese johanneische Überzeugung Jesu,

dass Gott Geist sei und daher primär "im Geist und in der Wahrheit" angebetet werden muss, sei es einsam in der Stille oder gemeinsam in einer christlichen Gemeinde. Für die Juden und Muslime ist der Mensch gewöhnlich ganz und gar "Fleisch", d.h. sterblicher Leib und die menschliche Psyche ist ganz und gar nur eine lebenserhaltende Funktion des menschlichen Leibes.

 

Einen Geist Gottes im Menschen wie er durch Jesus Christus in die Welt und zumindest in die erweckten und wieder-geborenen Christenmenschen gekommen ist, kennen und akzeptieren sie nicht. Sie können daher weder verstehen, was es heißt, in Christus zu sein und daher "geistlich" und nicht nur "fleischlich" gesinnt zu sein (Römer 8) noch können sie verstehen, warum manche Juden und manche Muslime nach einer spirituellen Begegnung mit Jesus Christus (wie Saulus bzw. Paulus) Christen werden wollen und zum christlichen Glauben konvertieren.

 

Das johanneische Geheimnis der Einheit von Vater und Sohn

 

Der Geist Gottes ist und konnte nur dadurch in die Welt und zu den Menschen kommen, weil Jesus Christus, der Vermittler nicht nur ein gewöhnlicher Mensch und ein weiterer großer jüdischer Prophet gewesen ist, wie Juden und Muslime, Atheisten und Skeptiker, Deisten und Pantheisten glauben, sondern weil er ganz zurecht der "Sohn Gottes" genannt wurde, weil er in einer kaum rational erklärbaren und verständlichen Willenseinheit mit dem mutmaßlichen Willen Gottes für die Menschen lebte.

 

Selbstverständlich kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass es sich auch bei dieser urchristlichen Transformation der sittlichen Werte und Beziehungen nicht um die eine wahre göttliche Offenbarung, sondern "nur" um eine neue religiöse Imagination gehandelt hat. Denn es lässt sich zumindest im nachhinein und von außen nicht objektiv fest-stellen, ob und wie sich eine neue göttliche Offenbarung wirklich von einer religiösen Imagination unterscheiden lässt. Aber auch dann hätte Jesus Christus zumindest eine seelisch-geistige Transformation initiiert und ein völlig neues Bewusstsein geschaffen, das sich bis heute ausbreitet und auswirkt.

 

Freilich denken auch Juden und Muslime, dass ihnen der mutmaßliche Willen Gottes im Tanach oder Koran offenbart wurde. Wer von ihnen die volle und ganze Wahrheit über den Willen Gottes kennt, das könnte jedoch letztlich nur Gott selbst (und sein Sohn) wissen. Für uns Mensch bleibt es vorläufig ein Geheimnis und daher können Juden, Christen und Muslime sich nur gegenseitig anerkennen und respektieren und friedlich miteinander wettteifern, wer am Ende der lezten Tage der Menschheit und der irdischen Weltgeschichte die ganze und volle Wahrheit gekannt gehabt haben wird. (Gleichnis von den drei Ringen in Bocaccios Decamerone  und in Lessings Nathan, der Weise). Aber Christen glauben fest daran, dass Gott, der Vater Jesu Christi nicht will, dass Anders- oder Ungläubige in seinem Namen getötet werden dürfen. Das Tötungsgebot des Koran, im Namen Allahs "die Ungläubigen" (Nicht-Muslime) umzubringen, betrachten

sie daher als verwerflich.

 

Die von Christen geglaubte Einheit zwischen Vater und Sohn ist der dynamische Ursprung für das Wirken des Heiligen Geistes zumindest in denjenigen Christenmenschen, die durch göttliche Gnade vom Geist Gottes geistlich berührt wur-den, ganz gleich. ob das unwillkürlich geschah oder ob sie sich selbst dafür willentlich öffneten. Aus diesem Grunde ist der christliche Glaube ein Glaube an die unverfügbare Gnade Gottes und nicht nur an die Barmherzigkeit Gottes. Die Gnade Gottes ist ein unverfügbares Geschenk, das nicht in die von Menschen gemachte Form eines wiederholbaren Rituales gegossen werden kann, wie die beiden einzigen biblisch fundierten Sakramente der von Jesus Christus selbst angewiesenen Rituale der Taufe und des Abendmahles.

 

Juden und Muslime kennen zwar die Barmherzigkeit Gottes als einen großmütigen Verzicht Gottes auf eine verdiente Strafe und Wiederherstellung von Gerechtigkeit, aber sie kennen nicht eine durch Jesus Christus selbst vermittelte Gnade als geistlich wirksame Aufhebung der Sünde und als Wiederherstellung der Gotteskindschaft, die durch den Empfang des Heiligen Geistes vermittelt wurde und die durch die Sünde verloren gegangen ist. Daher bleiben Juden und Muslime immer und ewig in der Schuld des allmächtigen Gottes und kennen weder eine befreiende Versöhnung mit Gott noch eine endgültige Erlösung von ihrer Schuld durch Jesus Christus. Sie leben von daher immer noch unter dem potenziellen Zorn Gottes und unter der Androhung seines Strafgerichtes. Der christliche Glaube ist daher vor allem ein Glaube an Jesus Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes, an das Geschenk der unverfügbaren Gnade und an die befreiende Versöhnung mit Gott. So lehrt es das Evangelium von Jesus Christus.