Schwule und lesbische Christen

 

 

Besinnung auf das Wesentliche!

 

Der Stellenwert der Auseinandersetzungen und Diskussionen über Homosexualität und andere sexuelle Präferenzen in den christlichen Gemeinden und Kirchen ist seit einigen Jahren und Jahrzehnten vollkommen aus dem Ruder gelaufen und die Bedeutung der Sexualität für die eigene Identität und Persönlichkeit wird seither infolge der fragwürdigen freudianischen Reduktion der Libido (Lebensenergie, Vitalkraft) auf die Sexualität weitgehend überschätzt.

 

Seit die westlichen Gesellschaften nach der sog. sexuellen Emanzipation im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts in der Öffentlichkeit der Medien und Werbung erotisch überfrachtet werden, vergessen die Menschen den Stellenwert von anderen seelischen Grundbedürfnissen und die mindestens ebenso große Bedeutung der persönlichen und spirituellen Entwicklung für die seelische und geistige Gesundheit (C. G. Jung, K. Jaspers, E. Fromm, V. Frankl, u.v.a.m.).

 

Außerdem ist die sog. sexuelle Befreiung längst in eine sexuelle Manie und in eine Besessenheit vom Erotischen um-

gekippt, die zu neuen Abhängigkeiten und Zwängen, aber nicht zu persönlicher Freiheit geführt hat. Auch wenn es am Anfang einmal um eine lebenswichtige Befreiuung von Heuchelei, von sozialer Unterdrückung, von gesellschaftlichen Vorurteilen und institutionellen Zwängen ging, geht es mittlerweile doch eher um eine Befreiung von sexuellen Süchten, von schädlicher Promiskuität und von manischen Obsessionen in Bezug auf das Erotische und Sexuelle (Sexsucht, Pornokonsum im Internet, Kinderpornografie, sexueller Missbrauch, Zwangsprostitution, etc.) .

 

Den Kirchen der Reformation ist daher zu raten, sich lieber wieder auf die wesentlichen Probleme und Themen des Glaubens zu konzentrieren, die an den vier höchsten christlichen Feiertagen Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten eine zentrale Rolle spielen. Dabei geht es um die einmalige Identität, sittliche Vorbildfunktion und göttliche Autorität Jesu Christi, wie sie durch wundersame Geburt, Tod und Auferstehung, Himmelfahrt und Ausgießung des Heiligen Geistes zum Ausruck gekommen sind.

 

Diese geistlichen Geheimnisse tiefer zu verstehen und überhaupt noch zu verstehen, was das Evangelium lehrt, wieso

es die beste Nachricht für uns fehlbare und sterbliche Menschen ist, was es heißt "aus Wasser und Geist wiedergeboren" zu werden, den Heiligen Geist zu empfangen und ein neues Leben in Christus leben zu dürfen ist für alle Menschen -- welchen Geschlechtes und welcher sexueller Präferenzen auch immer -- bei weitem existenziell wichtiger als die Frage, ob sich jemand erotisch zu Männern oder zu Frauen hingezogen fühlt.

 

Wir müssen endlich wieder zum Wesentlichen des christlichen Glaubens zurückfinden, um die anthropologischen

Proportionen der existenziellen Relevanz wieder richtig einschätzen zu lernen. Dann werden die meisten Schwulen und lesbischen Christen erkennen, dass ihre persönlichen Anliegen und Betroffenheiten zwar für sie selbst wichtig sind,  dass sie jedoch von einer ganz und gar untergeordneten Relevanz für eine fruchtbare Rennaissance des christlichen Glaubens und für eine gedeihliche Entwicklung der christlichen Gemeinden und Kirchen sind.

 

Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass sich nicht alle und wahrscheinlich sogar nur wenige lesbische und schwule Christen mit der rücksichtslosen und schamlosen narzisstischen Selbstdarstellung obsessiver Erotik, pathologischer Sexualität und sado-masochistischer Perversionen identifizieren können, die seit einigen Jahren den schrillen Karneval der Eitelkeiten am Christopher Street Day prägen. Nicht wenige von ihnen möchten mit solchen peinlichen Auswüchsen und krassen Zerrbildern ihrer persönlichen Liebesbeziehungen und Partnerschaften lieber gar nichts zu tun haben.

 

UWD

 


 

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 7. Februar 2015 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

 

Mit Verve widmet sich Siegfried Zimmer dem Thema, das in der Christenheit in den letzten Jahren wahrscheinlich so intensiv und kontrovers diskutiert wurde und immer noch wird, wie kaum ein anderes. Und das Thema hat es ja auch in sich! Ein Blick in den Rückspiegel der Geschichte zeigt deutlich, dass Schwule und Lesben in christlich geprägten Gesellschaften genauso extremer Ausgrenzung und Verfolgung ausgesetzt waren wie in fast allen Gesellschaften auch – nach dem Prinzip: Sozial geächtet, religiös verdammt.

 

Dieser Blick ist aber auch ein trauriges Lehrstück für einen im großen Stil betriebenen manipulativen, voreingenommen Umgang mit biblischen Texten. Siegfried Zimmer zeigt dies eindrücklich an der Geschichte von Sodom und Gomorra. Sie musste in der christlichen Welt jahrhundertelang herhalten, um eine homophobe Sicht zu untermauern, während ihr eigentlicher Inhalt komplett ausgeblendet wurde. Aber Siegfried Zimmer geht noch weiter: Alle – es sind überraschend wenige! – Bibelstellen, die sich mit gleichgeschlechtlicher Liebe befassen könnten, werden von ihm in ihrem Textumfeld und vor dem gesellschaftlichen Kontext ihrer Entstehung beleuchtet.

 

Dabei stellt er schließlich die berechtigte Frage, ob es ein Ausdruck von Gottes Liebe für seine Geschöpfe ist, wenn »seine Kinder« in den letzten 1.800 Jahren schweigend und tatenlos bei der Hinrichtung und Ächtung von Lesben und Schwulen zugesehen haben? Und ob es nicht an der Zeit ist, sich dafür zu schämen, dass Christen die Kernbotschaft des christlichen Glaubens, die Botschaft des liebenden Gottes, zugunsten von einem eigenen Unwohlsein gegenüber Menschen, die ihnen fremd sind, geopfert haben?

 

Die Basketball-Legende Charles Barkley brachte es in einer Debatte über Homophobie im April 2015 so auf den Punkt: »Die Konservativen verstecken sich hinter der Bibel. Sie mögen einfach keine Schwulen. Sie sollten das einfach zugeben.« Wenn man den Ausführungen von Siegfried Zimmer folgt, fällt es schwer Charles Barkley nicht zuzustimmen. Denn nüchtern betrachtet ist die Ablehnung von schwulen oder lesbischen Partnerschaften aus biblischer Perspektive nicht haltbar. Oder zugespitzt gesagt: Menschen aufgrund eines Persönlichkeitsmerkmals im Namen der Bibel und des Mannes aus Nazareth zu diskriminieren ist nicht nur unredlich, sondern auch ein schwerer Missbrauch.

 


 

Theologische Tage: „Die Bibel enthält Widersprüche“

 

Martin Schlorke - Christliches Medienmagazin PRO - 16.01.2020

 

Bei den Theologischen Tagen der Martin-Luther Universität Halle/Wittenberg wurde über Homosexualität im biblischen Kontext diskutiert. Die Suche nach theologischen Sichtweisen führte zu dem Ergebnis: Die Bibel kann keine eindeutige Antwort geben.

 

Biblisch gesehen sei es nicht möglich, eine klare Wertung über Homosexualität abzugeben. Zu diesem Ergebnis kom-men der Alttestamentler Stefan Schorch (Halle) und der Neutestamentler Eckart Reinmuth (Rostock). Im Rahmen der Theologischen Tage an der Martin-Luther Universität Halle/Wittenberg widmeten sich beide dem Thema Sexual-ethik aus bibelwissenschaftlicher Sicht.

 

Der Grund für diese Annahme liege in erster Linie an der Uneindeutigkeit der Bibel, erklärte Reinmuth. Es sei „Blödsinn“ zu behaupten: „Die Bibel sagt das und das zu einem Thema.“ Vielmehr spiegele sich in den Texten eine Vielfalt an Perspektiven im Bezug zur Sexualität wider. Deshalb müsse man als Leserschaft gemeinsam einen Dialog aufnehmen. Dieser müsse „reflektiert, verständlich und informiert“ geführt werden. So könne man den Widersprüchen innerhalb der Bibel begegnen – beispielsweise bei der biblischen Bewertung der Homosexualität.

 

Bibelwissenschaft als Schlüssel

 

Eindeutige Antworten werde man innerhalb dieser Debatte jedoch nicht finden, so der Alttestamentler Schorch. Dabei stehe nicht die Heilige Schrift selbst in Frage – diese sei unstrittig. Vielmehr gebe es stattdessen große Unterschiede in der Auslegung der Bibel. Ursache dafür sei, dass kaum ein Bewusstsein für die „Vielfalt und Tiefe der Texte“ existiere.

Auf viele Fragen könne die Bibel keine eindeutigen Antworten geben, sagt Stefan Schorch.

 

Die Betrachtung des historischen Kontextes damals und des kulturellen heute würde nicht in eine Bewertung des Textes einfließen. Das Problem in aktuellen Diskussionen liege darin, dass immer gewisse Schwerpunkte gesetzt und Gewichtungen biblischer Texte vorgenommen würden – sowohl in Freikirchen als auch in Landeskirchen. Eine Rolle bei der Bewertung der Bibeltetxte spiele beispielsweise der unterschiedliche Stellenwert von Alten und Neuem Testament. Dabei existiere keine Grenze zwischen den beiden Teilen der Bibel. Kirchliche Herausforderungen benötigten immer eine theologische Betrachtung. Die Bibelwissenschaften würden diese gewährleisten und die Brücke zwischen den Testamenten schlagen.

 

„Lesen Bibel harmonistisch“

 

Reinmuth schlägt daher vor, die Bibel „ganz wörtlich“ zu nehmen. Das bedeute nicht, sie salopp zu lesen, so der Neutestamentler. Vielmehr fordere er ein genaues Lesen, ohne Auslassen und unter Berücksichtigung der verschiedenen Kontexte. Christen heute hätten sich „eine harmonistische Leseart angewöhnt“. Das heiße, dass Gläubige Widersprüchen in der Bibel aus dem Weg gingen. Dies sei schädlich für das Schriftverständnis. Daher plädiere er, wieder mehr über Widersprüche der Bibel zu sprechen. Das sei keine Beeinträchtigung, sondern vielmehr eine Bereicherung.

 

Die Theologischen Tage 2020 werden vom Institut der Bibelwissenschaften organisiert. Sie finden jedes Jahr im Januar statt.

 

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