Integrative Medizin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johann Wolfgang Goethe, Der Farbenkreis

 

Was verstehen wir unter Integrativer Medizin?

 

Die Integrative Medizin verbindet konventionelle ärztliche Medizin und ärztliche Komplementärmedizin zu einem sinnvollen Gesamtkonzept. Ziel ist es, die individuell beste Therapie für den Patienten zu finden und Nebenwirkungen soweit wie möglich zu reduzieren.

 

Die Integrativer Medizin stellt den Patienten in den Mittelpunkt, orientiert sich an dessen individuellen Ressourcen

und aktiviert die Selbstheilungskräfte. Ihre Stärke entfaltet sie insbesondere da, wo die konventionelle Akutmedizin

an ihre Grenzen stößt: bei der Therapie chronischer Erkrankungen.

 

Die Integrative Medizin ist durch wissenschaftliche Erkenntnisse geleitet. Dabei wird das zum Teil Jahrtausende alte Erfahrungswissen komplementärmedizinischer Verfahren in qualitativ hochwertigen Studien wissenschaftlich aufgearbeitet und evaluiert und das Wissen über Möglichkeiten und Grenzen laufend weiterentwickelt.

 

Hufelandgesellschaft e.V. - Ärztlicher Dachverband für Integrative Medizin

 

https://www.hufelandgesellschaft.de/integrative-medizin

 


 

Was ist integrative Medizin?

 

Die Integrative Medizin verbindet konventionelle Medizin (Schulmedizin) und verschiedene wissenschaftlich gut unter-suchte, komplementäre Verfahren zu einem sinnvollen Gesamtkonzept. Ziel ist es, die individuell beste Therapie für Sie zu finden und Nebenwirkungen soweit wie möglich zu reduzieren.

 

Grundlage ist eine menschliche Grundhaltung, bei der der Patient nicht auf ein krankes Organ reduziert wird, sondern ganzheitlich mit seinen körperlichen, psychischen und sozialen Aspekten gesehen wird. Die Therapie liegt daher häufig nicht in der Verordnung von konventionellen Medikamenten, sondern in einer Verbesserung der Selbstregulation und Einleitung von Lebenstilveränderungen. Wo immer möglich wird die Ursache und nicht das Symptom behandelt.

 

Zum Beispiel stehen bei der Therapie von Bluthochdruck Stressbewältigungstraining, Biofeedback, Ausdauersport und Ernährungsumstellung im Fokus. Die konventionelle internistische Diagnostik und Therapie hat aber ebenso einen wichtigen Stellenwert und ist in einigen, vor allem akuten Situationen alternativlos, wie z.B. die Gabe eines Antibiotikums bei Lungenentzündung. Häufig werden konventionelle Therapien mit naturheilkundlichen Therapien kombiniert. Daraus ergeben sich synergistische Effekte, die eine Dosisreduktion der konventionellen Medikamente möglich machen, wie z.B. eine Dosisreduktion von Cortison bei Autoimmunerkrankungen durch zusätzliche Gabe von pflanzlichen Entzün-dungshemmern.

 

Wir sind Spezialisten für Integrative Medizin durch eine langjährige praktische Tätigkeit in Klinik und Praxis. Wir halten international Vorträge zu diesem Thema und haben einige Bücher und wissenschaftliche Arbeiten zur Integrativen Medizin veröffentlicht. Gerne stellen wir Ihnen unsere Kompetenz zur Verfügung.

 

Praxiszentrum für Integrative Medizin Düsseldorf

 

https://www.naturheilkunde-am-schloss.de/kopie-von-check-up

 


 

Präventive Ordnungsmedizin: Änderung der Lebensweise bzw. des Lebensstils

 

  • Tägliche Bewegung im Freien und passende Leibesübungen (abgestimmt auf die chronischen Beschwerden)
  • Entspannungsübungen (z.B. durch Meditation oder progressive Muskelrelaxation nach Jakobson)
  • Atemübungen: Bewusstes, tiefes und gleichmäßiges Atmen
  • Ernährung auf Vollwertkost ohne industriell verarbeitete Lebensmittel und ohne ungesunde Fette umstellen
  • Selbstachtung üben (z.B. durch bewussten und klugen Umgang mit Stress in der Arbeit und in Beziehungen)

 


 

KEM | Evang. Kliniken Essen-Mitte
Evang. Krankenhaus Essen-Steele
Klinik für Naturheilkunde & Integrative Medizin
Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Duisburg-Essen
Am Deimelsberg 34a
45276 Essen

 

https://kem-med.com/kompetenz-in-kliniken/fachkliniken/klinik-fuer-naturheilkunde-integrative-medizin/

 



 

Michael Frass & Lothar Krenner, Integrative Medizin – die Wiederentdeckung der Ganzheit

Evidenzbasierte komplementärmedizinische Methoden, Berlin/Heidelberg: Springer 2019

 

Es ist keine Frage, dass die wichtige Rolle der naturwissenschaftlich orientierten konventionellen Schulmedizin in einem modernen Gesundheitssystem vorhanden ist und vorhanden bleibt. Zusätzlich ist jedoch eine Verbreiterung der dia-gnostischen und therapeutischen Palette aus dem Bereich der ärztlichen Komplementärmedizin erforderlich. Im Sinne einer effizienten und sparsamen Medizin ist es erforderlich, das Know-how aus allen unterschiedlichen Medizinsystemen zu einer ganzheitlichen Medizin zusammenzuführen. Die Aufgabe eines modernen Gesundheitssystems muss es daher sein, die dafür notwendigen Bewusstseinsentwicklungsprozesse für den einzelnen Menschen und für die Gesellschaft als Ganzes zu initiieren und durchzuführen. Nur dadurch kann die Medizin ihrer primären Aufgabe gerecht werden,

die Gesundheit der Menschen zu erhalten und der Entstehung von Krankheiten vorzubeugen.

 


 

 

Ärzte geben Medikamente, von denen sie wenig wissen,

wegen Krankheiten, über die sie noch weniger wissen,

an Patienten, über die sie gar nichts wissen.

 

Voltaire

 

Heilpraktiker behandeln mit Methoden, die sie kaum kennen,

Krankheiten, deren Ursachen sie noch weniger kennen,

von Patienten, die sie nur allzu gut kennen,

um sie geschickt täuschen zu können.

 

UWD

 

 

Dr. Gustav Dobosch, Arzt und Leiter einer Klinik für Integrative Medizin zitiert in einem Vortrag über Integrative Medizin in Stuttgart im Jahr 2016 einen polemischen Spruch des oft sehr sarkastischen Aufklärers und philosophischen Schrift-stellers Voltaire aus dem 18. Jahrhundert. "Ärzte geben Medikamente, von denen sie wenig wissen, wegen Krankheiten, über die sie noch weniger wissen, an Patienten, über die sie gar nichts wissen." Damit stellt er seine eigene Zunft in Frage und

lobt sich indirekt selbst, indem er suggeriert, dass er anders ist und es besser weiß, als die meisten seiner Kollegen.

Ein solches Verhalten gilt in der Regel und zurecht als unkollegial.

 

Außerdem verbündet er sich dadurch mit Heilpraktikern bzw. mit sog. Erfahrungsmedizinern, die "alternative" und "ganzheitliche" Methoden anwenden. Diese vorwissenschaftlichen Methoden stammen vorwiegend, aber nicht nur aus außereuropäischen, meist indischen und chinesischen Traditionen der Heilkunde. Jetzt könnte man jedoch Voltaires polemischen Spruch in leicht abgewandelter Form auch auf Heilpraktiker ummünzen: "Heilpraktiker behandeln mit Methoden, die sie kaum kennen, Krankheiten, deren Ursachen sie noch weniger kennen, von Patienten, die sie nur allzu gut kennen, um sie geschickt täuschen zu können."

 

Damit würde nicht nur eine Patt-Situation zwischen den beiden konträren Lagern der sog. Schulmedizin und der sog. Naturheilkunde oder Erfahrungsmedizin hergestellt, sondern es würde auch gezeigt, wie leicht es ist, sich gegenseitig nur noch mit mit Vorurteilen zu versehen und gegenseitig zu polemisieren. Die Integrative Medizin ist gewissermaßen ein Versuch, diese Gräben des gegenseitigen Mißtrauens zu überwinden und eine Medizin zu praktizieren, die beide Ansätze zum Wohle der Patienten verbindet und miteinander versöhnt. Wie aber soll das gehen und arbeiten Ärzte in der Integrativen Medizin?

 

Integrative Medizin basiert auf evidenzbasierter Schulmedizin, die zusätzlich oder auch ersatzweise in die ärztlichen Diagnosen, Prognosen und Therapien naturheilkundliche und erfahrungsmedizinische Konzepte und "Heilverfahren" mit einbezieht. Diese können aus alten europäischen heilkundlichen Traditionen stammen, wie die Anwendung von Blutegeln, das Schröpfen oder das Kneippen oder aber aus fremden, meist fernöstlichen Heilpraktiken wie die chinesi-sche Akupunktur, das indische Ayurveda oder die sog. Traditionelle chinesische Medizin (TCM), die für den Export in

den Westen erfunden und entwickelt wurde. Viele Patienten und auffällig mehr Frauen als Männer, fragen nach solchen "alternativen" Methoden und sie sind seit einigen Jahren und Jahrzehnten geradezu in Mode, da die Zweifel an der sog. "westlichen Schulmedizin" trotz vieler Fortschritte gewachsen sind.

 

Die sog. "westliche Schulmedizin" mit ihrer methodischen Skepsis, mit ihrer wissenschaftlichen Evidenzbasierung und

mit ihren rationalen Abwägungen in der Praxis gilt (vor allem bei Frauen) als emotional "kalt", als "verkopft" und als von den individuellen Patienten als "ganzen Menschen" distanziert, während diese alternativen, "ganzheitlichen" und teil-weise fremdartigen Methoden trotz oder gerade wegen ihrer rationalen Unverständlichkeit gerade als emotional "zu-gewandt", als sensibel und als geheimnisvoll gelten. So oder so ähnlich jedenfalls lauten die üblichen Klischee-vorstellungen, die die Anhänger und Kritiker der "alternativen Medizin" oft in zwei unversöhnliche Lager spalten.

 

Das Phänomen der massenhaften Kulturflucht von Amerikanern und Europäern in die exotischen Gefilde des Fernen Ostens ist nicht gerade neu, denn das gab es bereits in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, also nach dem demoralisierenden ersten Weltkrieg, als die esoterische Theosophie in Europa aufblühte, als die Vivekananda-Mission

in Europa und Amerika missionierte, als deutsche Dichter wie Hermann Hesse und englische Schriftsteller wie Aldous Huxley in Mode waren, weil sie sich intensiv mit Buddhismus und anderen indischen Religionen beschäftigten. Aus der Sicht der jüdischen, christlichen und islamischen Glaubensweisen ist das eine Hinwendung zum Pantheismus oder

gar zu einer neuheidnischen Naturreligion mit einer gewissen Ähnlichkeit zum chinesischen Daoismus und zum neo-stoischen Spinozismus. Es war nicht zuletzt auch die Zeit zuerst des Jugendstils, der Wandervögelbewegung und der Treffen einger bekannter Religionswisseschaftler und Religionspsychologen auf dem Monte Verita über Ascona im Tessin.

 

Nur wenige Generationen später gab es eine zweite und dritte Welle dieser Kulturflucht in den exotischen Osten,

als sich die Hippies und angelsächsischen Popstars wie allen voran die Beatles in den 70er Jahren zum narzisstischen und erotischen Selbstgenuss für die höchst lukrative Transzendentale Meditation interessierten oder aber wie George Harrison zum Drogenentzug die asketische Hare-Krishna-Bewegung bevorzugten. Danach kamen einige noch viel raffiniertere Gurus aus Indien mit ihren selbstgestrickten Psycho-Sekten wie Bhagwan Sri Rajneesh oder wie der kali-

fornische Psychoguru Werner Erhard, der zuvor Gebrauchtwagenhändler gewesen ist, bevor er nach einem spirituellen Erweckungserlebnis eine zen-artige Instant-Erweckungsbewegung erfand und äußerst geschickt vermarktete.

 

Zeitgleich rauchten in den 70er Jahren so ziemlich alle Film- und Popstars nicht nur in Kalifornien zur Entspannung Haschisch und Marihuana oder experimentierten zuerst mit LSD und dann mit anderen halluzinogenen Drogen.

Nicht wenige von ihnen verfielen dem schmerzstillenden Opium oder landeten gleich bei ganz harten Drogen wie Heroin, was meistens ohne einen ebenso harten Entzug  zur destruktiven psychosomatischen Abhängigkeit und zum frühen Tod führte. Diejenigen Popstars, die schon mit 27 Jahren an ihren Drogenexzessen jämmerlich krepierten, wurden dann von ihren kopflosen Fans als junge Genies verklärt, die eben schon viel zu früh an der "bösen Welt" scheitern mussten und daher von den Göttern zu sich geholt wurden.

 

Wenn heute aus einer seelischen Unzufriedenheit oder aus einem anti-westlichen Ressentiment alternative oder komplementäre Medizin nachgefragt wird, ist das oft nur eine ins Gesundheitliche und in die Selbstoptimierung ge-wendete Fortsetzung dieser ersten, zweiten und dritten Welle der westlichen Nirvanasehnsucht metaphysisch unbe-hauster und leiblich-seelisch entwurzelter Amerikaner und Europäer, die sich nur anders als ihre autodestruktiven Woodstock-Vorgänger an den spirituellen Moden des digitalisierten Silicon Valley sowie an den Traumfabriken von Hollywood und Bollywood orientieren.

 

Im Zeitalter des neoliberalen Spätkapitalismus dienen östliche Meditationsformen und ähnliche Praktiken jedoch eher nur noch der Steigerung der beruflichen und privaten Leistungsfähigkeit zwecks Erhaltung der eigenen Gesund-heit in einer Wirtschaft, die durch einen gnadenlosen Wettbewerb und durch eine technische Beschleunigung der digitalisierten Abläufe ind der Arbeitswelt gekennzeichnet ist. Die Flucht in den östlichen Mystizismus der narzisstischen Selbstverwirklichung und Divinisierung des eigenen Selbst anstelle eines politisch wehrhaften Engagements bei seinem Betriebsrat, einer Gewerkschaft oder einer sozial engagierten Partei führt jedoch nicht selten zur Überforderung seiner selbst und damit langfristig zum häufiger gewordenen Ausgebranntsein (Burnout).

 

Die in Verruf geratene sog. "Apparatemedizin", mit deren Hilfe in Notfällen, in der Chirurgie und in der internistischen Medizin unzählige Leben gerettet werden können oder zumindest die angeschlagene Gesundheit wiederhergestellt werden kann, wird dann trotzdem von allen ihtren unerbittlichen Kritikern genutzt. Verstänflich bleibt, dass sie trotzdem nicht die unbefriedigten Bedürfnisse nach leiblicher und seelischer Zuwendung zu befriedigen scheint, die Anthropo-sophische Ärzte, manche Heilpraktiker und Naturheilkundige zumindest zu befriedigen versprechen, sich dann aber auch von Selbstzahlern oder aber gleich von privat Versicherten gut bezahlen lassen. Die Hände auflegen, mit Klang-schalen die Behandlung geheimnisvoll ritualisieren, die Patienten über den nicht steuerbaren Geruchssinn mit Duftölen, Duftkerzen oder Räucherstäbchen einlullen dient nicht nur dazu vermeintliche Selbstheilungskräfte zu aktivieren, son-dern kann auch dazu benutzt werden, den kritischen Verstand auszuschalten, um besser die Emotionen der Gläubigen direkt beeinflussen zu können und um dadurch kritische und unbequeme Nachfragen nach den Methoden, nach den Ursachen und Wirkungen, nach der Effektivität und Zuverlässigkeit sowie nach den ziemlich hohen Preisen zu verhin-dern.

 

Überhaupt ist das "Andere der Vernunft", nämlich das Leibliche und Unbewusste, dasjenige, was die exotischen und rational nicht nachvollziehbaren Verfahren gerade anziehend wirken lässt. Das gilt nicht nur fürs Fernöstliche, sondern auch für europäische heilkundliche Verfahren wie die Bachblütentherapie, die Homöopathie oder wie die Vitamin-bomben des allzu geschäftstüchtigen Dr. Rath. Wenn man schon nicht mehr an den christlichen Gott des Neuen Testamentes oder an das Evangelium von Jesus Christus glauben kann, dann muss man sich eben um so heftiger einreden, von solchen nicht nachvollziehbaren und wissenschaftlich fragwürdigen "Heilverfahren" zu profitieren.

 

Während sich die Aufklärer im 18. Jahrhundert auf den empirischen Verstand und die apriorische Vernunft beriefen,

um den Hokus-Pokus mancher dubiosen Kirchen und Sekten zu kritisieren, verlassen sich die vom jüdischen und vom christlichen Glauben entfremdeten Menschen mit ihren leiblichen, seelischen und geistigen Nöten heutzutage noch weniger auf ihren Verstand und ihre Vernunft als die entmythologisierenden Theologen an den Akademien und Uni-versitäten, die jetzt lieber zu säkularen Psychotherapeuten oder Psychiater gehen, als zu erfahrenen Seelsorgern mit mehr Lebenserfahrung, Menschenkenntnis und geistlichem Unterscheidungsvermögen.

 

Der schlimmste Hokus-Pokus findet heute extra muros (außerhalb der Kirchenmauern) statt, nämlich in den diversen Praxen esoterisch angehauchter Heilpraktiker und Naturheilkundler. Denn zumindest in den protestantischen Amts-kirchen wird nur noch für die gerade angesagte Politik gebetet und die gnadenlose "Arbeit an sich selbst" gepredigt.

Bei jeglichem geistlichem Widerspruch oder persönlichem Widerstand folgt zumindest das politisch korrekte Mobbing oder gleich zivilrechtliche Klagen wegen Homophobie oder gar Volksverhetzung. Dass Martin Luther selbst einmal mit dem Evangelium und dem Römerbrief in der Hand gegen die Angstmacher und gegen die von oben verordnete Werk-gerechtigkeit der katholischen Kirche und gegen fruchtlose Selbsterlösungsbemühungen gewettert hat, das spielt kaum noch eine maßgebliche Rolle.

 

Ob es praktisch jedoch effektiv sein kann und medizinethisch zulässig ist, auf vorwissenschaftliche Konzepte aus dem Ayurveda oder der TCM zurückzugreifen, für die es auch nach Dr. Dobos keine physiologische, keine (hirn)organische, keine funktionale oder psychosomatische Grundlage gibt, ist eine ernst zu nehmende Frage der Medizinethik. Des-gleichen ist es ein medizinrechtliches und medizinökonomisches Problem, ob es nicht nur zweckmäßig, sondern auch verantwortbar ist, solche vorwissenschaftlichen Methoden in einem öffentlichen Gesundheitswesen nach dem Solidar-prinzip durch die gesetzlichen Krankenkassen mitzufinanzieren.

 

Wenn es Chakren, Meridiane oder die Persönlichkeitstypen des Ayurveda, der chinesischen Elementenlehren oder der antiken europäischen Temperamentenlehren gar nicht wirklich gibt, dann handelt es sich (nur) um fiktionale Konzepte der menschlichen Einbildungskraft, die noch nicht einmal "naturheilkundlich" genannt werden dürfen, weil

es gar keine realen Korrelate in der menschlichen Natur gibt. Die ganze Rede von Chakren basiert dann nur auf der bloßen Erfindung von fiktiven psychosomatischen Zentren im jeweiligen Leibempfinden, die leibliche Selbstgefühle überhaupt erst suggerieren, um sie dadurch erlebbar zu machen und um sie sich dann auch einbilden zu können. Die Rede von Meridianen ist dann wie auf den bekannten Modellen oder Schaupuppen der TCM bestenfalls eine Kartierung des menschlichen Körpers bzw. Leibes, die als eine Handlungsorientierung für Akupunkteure fungiert, obwohl es sie anders als den menschlichen Knochenbau, die Muskeln, Sehnen und Faszien, den Blutkreislauf, das Lymphsysten und das Nervensystem, das das Gehirn mit dem ganzen Organismus verbindet, gar nicht wirklich gibt. Dann aber werden nicht nur die Patienten getäuscht, sondern die Behandler täuschen sich auch noch selbst. Es ist jedoch sehr fraglich, ob das moralisch zulässig ist und ob der angestrebte gute Zweck der "Heilung" das Mittel  "heiligt" bzw. diese (Selbst-) Täuschung rechtfertigt.

 

Auf diesem kulturellen Hintergrund und angesichts dieser kulturellen Defizite erscheint die sog. Integrative Medizin

vielleicht nur ein marktkonformes Angebot zu sein, das auf eine starke Nachfrage reagiert, und damit Gefahr läuft,

eine neue Form der alten Gefälligkeitsmedizin zu werden. Die Beliebtheit beim großen Publikum und die Medien-präsenz im Fernsehen oder im Internet ist jedenfalls an und für sich kein Merkmal ihrer Qualität und Seriosität. Also

gilt es erst einmal skeptisch zu bleiben und pragmatisch an die Kliniken und Ärzte heranzutreten, die sich diesem me-thodischen Potpourri a la mode verschrieben haben. Denn es könnte auch nur eine neue Mode und ein gutes Geschäft sein. Dafür war das, was kranken Menschen helfen soll, immer schon anfällig. In Notlagen klammern sich Menschen eben auch an Strohhalme, wenn keine tragfähigen Äste von gut verwurzelten starken Bäume in der Nähe sind.

 

Vertrauenswürdige und zuverlässige Ärzte erkennt man jedenfalls immer noch am besten an ihrer Bescheidenheit

und an ihrem persönlichen Wissen, dass sie oft auch nur raten können und gemeinsam mit ihren Patienten abwägen müssen, was in ihrem speziellen Fall zu empfehlen ist. Vertrauenswürdige und zuverlässige Ärzte wissen nur zu gut,

wie Paracelsus, dass es immer nur die Natur ist, die jemanden heilt, dass es dabei auf die persönliche Einstellung, die wiederholte Eigeninitiative und Übung sowie die konstante Mitarbeit ihrer Patienten ankommt und dass sie bestenfalls ihre Patienten nach bestem Wissen und Gewissen beraten, begleiten und kurieren, aber nicht "heilen" können. Dann aber könnte es sein, dass schon mit den sprachlichen Ausdrücken "Heilpraktiker" und "Naturheilkunde" selbst ein falsches Versprechen gemacht wird.

 

UWD - November 2020