I. Das geistige Leben.
Wenn die Universität der Wissenschaft dient und wenn die Wissenschaft Sinn hat dadurch, daß sie einem umfassenden geistigen Leben angehört, so ist dieses geistige Leben die eigentliche Bewegung an der Universität.
Die Universität ist mir eine Gestalt unter anderen, die dieses geistige Leben annimmt, hier durch Institution und geordnete Zusammenarbeit der Hochschule. Um die Idee der Universität und die aus ihr erwachsende Institution zu verstehen, ist daher zunächst das sie tragende geistige Leben über-haupt und vor allem das Wesen der Wissenschaft zu erörtern.
Erstes Kapitel
Das Wesen der Wissenschaft
1. Grundcharakter der Wissenschaft.
Wissenschaft ist die methodische Erkenntnis, deren Inhalt zwingend gewiß und allgemeingültig ist.
Mit diesem Satze sind drei Grundzüge wissenschaftlichen Wissens ausgesprochen:
Erstens ist Wissenschaft nur zusammen mit einem methodischen Bewußtsein: ich weiß mit dem Wissen von dem Wege, der mich zu einem Ergebnis führt; ich weiß mit dem Wege zugleich den Standort und die Grenzen des jeweils bestimmten Sinns von Wissen. Das Gegenteil wissenschaftlichen Wissens ist das unmethodische Meinen und das fraglose Hinnehmen auf guten Glauben hin.
Ist der Inhalt dieses nur hinnehmenden Wissens etwas, das zugleich Ergebnis wissenschaftlicher Forschung ist, so ist diese Weise des Wissens dennoch nicht
wissenschaftlich, sondern wird Ausgang eines Wissenschaftsaberglaubens, weil das innerlich unkontrollierte Hinnehmen mich verfallen läßt an beliebigen Inhalt und mich schutzlos an ihn ausliefert.
Denn das Wissen, das mit dem Wissen der Methode zugleich seine Relativität behält, nämlich in bezug auf den Standpunkt und auf die Weise und den Sinn dieser Wißbarkeit, das wird als Inhalt des
Wissenschaftsaberglaubens fälschlich absolut.