Klimarealismus ist nichts für Klima-Ideologen, also weder etwas für Klimawandel-Leugner noch für Klimawandel-Apokalyptiker. Denn Klimarealismus bedeutet, dass es eine empirische Frage ist, ob ein dauerhafter globaler Klima-wandel (im Gegensatz zu einer regionalen Klimaveränderung) stattfindet, seit wann und in welchem Ausmaß er vermutlich stattfindet und wie er sich voraussichtlich entwickeln wird.
Als eine empirische Frage lässt sie sich nur wissenschaftlich durch empirische Daten beantworten, die systematisch durch Beobachtungen über gewisse Zeiträume und an relevanten Orten erhoben werden. Die wissenschaftlichen Antworten sind bestenfalls hypothetisches oder prognostisches Vermutungswissen, aber sie können daher niemals apodiktisch ausfallen.
Daher können weder Klimawandel-Leugner noch Klimawandel-Apokalyptiker recht haben, denn beide verabsolutieren eine wissenschaftliche Antwort auf eine empirische Frage. Beide verfälschen die Frage nach dem mutmaßlichen Klima-wandel zu einer bivalenten Glaubensfrage, die man nur mit Ja oder Nein beantworten kann. Aber um eine solche Glaubensfrage geht es bei der wissenschaftlichen Frage nach dem Klimawandel gerade nicht.
Die Klimadebatte – eine Diskurskritik
CICERO - NILS HEISTERHAGEN am 15. Mai 2019
Auch beim Petersberger Klimadialog mit Angela Merkel wird wieder gesagt, dass in der Klimapolitik „endlich“ gehandelt werden muss. Stattdessen wird in Deutschland vor allem geredet, aber von allen Seiten auf nahezu beschämende Weise. Als rationaler Mensch kann man da verzweifeln.
Es geht schon längst nicht mehr um das „ob“ der Klimapolitik, sondern um das „wie“. Aber so läuft der Diskurs in Deutschland über Umwelt und Klima keineswegs. Er läuft vielmehr ideologisch und kategorisch.
Die „Fridays for future“-Protagonistin Luisa Neubauer etwa ist im Grunde in der Wiederholungsschleife ihrer Erweckungsansprache an die Politik: Ihr müsst, ihr müsst, ihr müsst endlich euren Hintern hochbekommen.
Dafür wird ihr vor allem aus den linksliberalen Medien sanft über den Kopf gestreichelt: Die junge Frau hat ja Recht. Eine Diskussion über das „Wie“ ensteht nicht.
So läuft die Debatte: Wir müssen, wir müssen. Aus der rechtskonservativen Ecke kommt nur die Gegenparole:
Wir müssen nicht. Eine Diskussion über das „Wie“ kommt so kaum in Gang. Entweder hält man Ökologie für das Thema aller Themen und twittert anständig, dass es 5 vor 12 sei, oder man begibt sich wie Don Alphonso, ein rechtskonservativer Blogger der Welt, in den reaktionären Backlash und ruft: Guckt euch nur die alberne Öko-Bourgeoisie an, die widersprechen sich ja nur selbst diese „#langstreckenluisas“. Luisa Neubauer hat in ihrem jungen Leben schon etliche Fern-Flugreisen unternommen, was aus Sicht von Don Alphonso nicht ökorein ist und er die junge Frau so mit Hashtags an den Pranger stellt. Rechtskonservative Identitätspolitik ist das.
Aber der linksliberale Teil der Publizistik ist nicht sehr viel besser. Dieser Teil und durchaus ebenfalls der in der Politik – vor allem bei den Grünen – scheint sich im Wesentlichen auf Stimmungspolitik verlegt zu haben. Im Sinne von: Wir verbreiten gute Laune, Optimismus, reden davon die Welt zu retten und sagen den Leuten, warum die AfD unwählbar ist. Vor allem die Grünen unter dem Ästheten Robert Habeck und der scheinbar stets gut ge-launten Annalena Baerbock sind gut in Sonntagsreden und im sich selber gut finden. Die Grünen-Chefs sind gut in PR, aber inhaltlich Gehaltsvolles haben sie bislang nicht geliefert. Vor allem widersprechen sie sich im Wochen-takt und geben dem jeweiligen Publikum das, was es verlangt. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein bisschen Lob für Ludwig Erhard und Marktoptimismus und kurze Zeit darauf sind Umwelt-Regulierungen und mehr Klimanationalismus wieder im Repertoire, selbst Enteignungen von großen Wohnungsfirmen kann man sich dann vorstellen.
Die Vielspurigkeit der Grünen
Was diese Grünen wollen, weiß keiner so richtig. Trotzdem werden sie heiß und innig von Teilen der Presse geliebt, wie zuletzt ein völlig distanzloses Stück Groupie-Journalismus im Stern demonstrierte, welches voll von Liebesbrief-Prosa über das Spitzenduo der Grünen war. Die „Geschmeidigkeit der Grünen“ bleibe „im Moment komplett unter dem öffentlichen Radar“, urteilte taz-Journalist Ulrich Schulte folglich gerade. Damit hat er recht. Man darf aber auch etwas härter nicht nur von „Geschmeidigkeit“ reden, sondern schon von Vielspurigkeit, Opportunismus und Jargon des Ungefähren. Aber der grüne Sonnenscheinliberalismus überstrahlt das noch alles. Vielleicht blendet er auch. So genau kann man das nicht sagen.
Auf der Seite des CDU-Konservatismus hingegen gibt es keine gute Laune. Da gibt es vor allem eins: Müdigkeit. Die CDU ist so intellektuell ausgelaugt und verstörend behäbig, dass schon längst nicht mehr von einer Krise des Konservatismus gesprochen werden sollte, sondern nur noch von einem Zombie-Konservatismus, der durch das politische Berlin torkelt. Annegret Kramp-Karrenbauer ist dabei nur das TV-Gesicht der konservativen Sprach-losigkeit. Die konservative Publizistik ist auch eher am Rumnörgeln und Kritisieren. Sie kann eher nur sagen, was sie nicht will, anstatt was eigentlich konservative Klimapolitik ist.
Konzeptlose SPD
Und auf Seiten der politischen Linken, insbesondere der SPD? Eine Konzeptionslinke, eine Verantwortungslinke gibt es hier gerade nicht. Ich frage mich, warum von der SPD kein elaborierter „Green New Deal“ kommt. Die SPD hatte genug Zeit, mitanzusehen wie das Thema der Ökologie hochgeschrieben wurde und medial durch „Fridays for Future“ wichtiger wurde. Franz Müntefering oder Oskar Lafontaine hätten da schon vor Wochen, wenn nicht vor Monaten ein Konzept in Auftrag gegeben. Die SPD-Referenten hätten unter Schweiß und langen Abenden innerhalb kürzester Zeit liefern müssen. Es wirft ein Schlaglicht auf die SPD-Spitze der Stunde und die Arbeits-fähigkeit des Willy-Brandt-Hauses, dass die einstige progressive Partei Deutschlands ebenso müde erscheint wie die Kanzlerpartei CDU.
Die deutsche Öko-Debatte ist nahezu beschämend, und das eigentlich von fast allen Seiten. Insbesondere der eigene Bias in Lektüre und Kommentierung wird oft gar nicht mehr begriffen. Die „Vernunft“ wohnt jeweils nur auf einer Seite und niemals auf der anderen. So teilen sich SZ-Leser und Welt-Leser immer mehr in Parallelwelten. Und vor allem: Die politischen Lager reden kaum über die Sache und Konzepte, sie sind vielmehr daran interes-siert, die Deutungshoheit für eine Seite herbeizureden. Sie sind wie diese Kinder, die ihre Finger in die Ohren stecken und laut „la la la“ rufen, wenn sie nicht machen wollen, was ihre Eltern von ihnen wollen. Die „Don-Alphonsorisierung“ der medialen Debatte links, rechts und in der angeblich so „liberal-abwägenden“ Mitte ist die Schattenseite einer Überforderung mit der Komplexität. Es gibt ja so viele Studien und Meinungen. Wir müssen uns einfach für eine Seite und Haltung entscheiden.
Die Vordenker des grünen „Klimarealismus“
Wissen Sie was: Das ist Unsinn. Wer die Komplexität nicht meistern will, der hat es weder verdient, als Politiker ein Ministerium zu leiten noch als Journalist einen Journalistenpreis zu bekommen. Die Wirklichkeit ist nicht dehnbar. Meist sind die besten Lösungen auch nicht die Naheliegendesten. Die Klimadebatte braucht eine realistische Diskussion über die richtigen Instrumente. Und nicht diesen Popanz des „Wir müssen“ und „Wir müssen nicht“.
Klimarealismus also. Was ist darunter aber zu verstehen? Der Politik-Chef der Wochenzeitung Die Zeit, Bernd Ulrich, veröffentlichte im vergangenen Jahr ein Monstrum von einem Essay, in dem er im global-galaktischen Überflug nahezu den Status Quo komplett beschreiben und für Journalismus und Politik den – progressiven – Ausweg liefern wollte. „Wie radikal ist realistisch?“ hieß das Stück. Wer Bernd Ulrich kennt und regelmäßig von ihm liest, weiß, dass er es schafft, in beinahe jeden dritten Text das Thema „Ökologie“ hineinzubekommen. So
war auch in diesem Text Ökologie wieder ein dominierendes Thema. Die „Schere zwischen ökologisch Gebotenem und ökologischem Tun“ ging, so Ulrich, in den vergangenen Jahrzehnten „immer weiter auseinander“, sodass es nun endlich an der Zeit sei das „sehende Verdrängen“ zu beenden und die „existenziellen Oberthemen Ökologie, Ernährung, Natur, Landwirtschaft“ mal härter anzugehen.
Es ist etwa genau dieser Klimarealismus, den auch die Grünen-Chefs denken. Wahrscheinlich ist Ulrich mittler-weile auch nicht weniger als der Spiritus Rector der neuen Realo-Grünen. Man könnte bissig sogar behaupten, dass Baerbock und Habeck Bernd Ulrich nur nacherzählen. „Radikal ist das neue realistisch“ heißt es nämlich seit jüngstem bei den Grünen. Was „radikal“ und „realistisch“ ist, bleibt zwar im Dunkeln. Aber es ist schon eine neue Agenda – das kann man schon sagen. Ulrich ist dabei ein Vordenker dieses neuen Klimarealismus.
Bernd Ulrich hat diese heideggerische Schwere und auch jene Missionarswut, die in der DNA der Grünen liegt. Das macht ihn zu einem Versteher der grünen Seele. Die Grünen kann man im Grunde nur verstehen, wenn man den deutschen Philosophen Martin Heidegger versteht. Beide eint dieses irrationale Sorgenmachen mit Blick auf einen Verlust der Heimlichkeit und einer geborgenen Behausung in der Welt. Die Sorge wird dabei zugleich als optimistisches Entwerfen umgedeutet. So kommt es auch, dass die Grünen zwar viel von „Mut“ und „Optimi-smus“ reden, aber im Grunde eine sehr ängstliche Partei sind. Der Mut dient ihnen, um sich ihre Angst auszu-reden. Er ist also ihre Therapie, aber nicht ihr Charakter. Die Ökologie ist für die Grünen der Weg zur „Eigent-lichkeit“. Darunter geht es bei den Grünen nicht.
Spalt zwischen ernsthaftem Wollen und Therapiesitzung
Die Grünen gerieten in ihrer Rhetorik und ihrem Utopieüberschuss aber bislang eigentlich immer in jenen Spalt zwischen ernsthaftem Wollen und Therapiesitzung. Mit dem „Klimarealismus“ haben sie nun aber zum ersten Mal in ihrer Parteigeschichte einen Begriff gefunden, der verdeckt, dass ihr Wirken auch immer Therapiesitzung ist, und der im Gegensatz ihnen nun vielmehr die Freiheit gibt, ihren Ökologismus als rational begreifen zu können und nicht heimlich als irrational begreifen zu müssen. Die erstmals reine „Realo“-Führung unter Baerbock und Habeck ist da nur das letzte Zeichen dieser Wendung und folglich auch Zeichen ihrer eigenen Befreiung.
Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock schrieb im vergangenen Jahr jedenfalls konsequenterweise in der Frank-furter Rundschau ein Plädoyer für einen „Klimarealismus“. Klimarealismus heißt für Baerbock eher, dass man genau hinsehen müsse, weil es eben 5 vor 12 sei und daher nun sehr viel mehr Klimapolitik nötig sei. Ihr Klima-realismus verbleibt so auch nur weitgehend auf der Ebene des „Wir müssen“ – und zwar jetzt: „Um dieser Krise zu begegnen, brauchen wir einen neuen Klimarealismus. Das heißt: Wir müssen den Klimaschutz jetzt konkret umsetzen und nicht mehr nur behaupten – wir müssen die Klimaanpassung verstärken.“
Unter „Klimarealismus“ stelle ich mir, ehrlich gesagt, aber etwas Anderes vor, als nur ein neues Wort für die eigenen Erweckungsreden und Muss-Sätze zu haben. In Baerbocks Sinne meint der Begriff nur, dass wir unsere Anstrengungen verstärken müssen. Über das „Wie“ ist da allerdings noch nicht umfassend gesprochen. Vor allem eine Deutung des „Klimarealismus“ würde ihr aber wohl nicht in den Sinn kommen: Nämlich in einem Hype nicht den Verstand zu verlieren. Realismus heißt auch nüchtern zu bleiben – so selbst im größten Hype „down-to-earth“ zu sein. Politik ist nicht nur Definition von Zielen und Zwecken, sondern auch Diskussion und Erfindung von Mitteln und Wegen. Wer das nicht versteht, soll keine Politik betreiben.
Warum ist Rationalität so schwer?
In der Klimadebatte ist jetzt über Mittel und Wege zu reden. Instrumente gilt es zu diskutieren. Und den unsäg-lichen Kulturkampf in der Klimadebatte endlich zu beenden.
Man wünscht sich in diesen Tagen Leute wie Hermann Scheer zurück. Klimarealisten halt. Vielleicht finden sich da demnächst ein paar mehr. Vor allem in der Sozialdemokratie sollten sich welche finden. Denn wenn eine Partei die Widersprüche dieser Zeit – auch in der Klimadebatte – zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen könnte, dann diese SPD. Dafür braucht es aber eine neue SPD. Diese aktuelle SPD schafft es jedenfalls nicht. Diese Grünen aber auch nicht. Man wünscht sich neue Leute. Klimarealisten, die auch welche sind und sich nicht nur so nennen.
Vor allem wünscht man sich wirtschaftspolitisch fundierte Personen, die den Diskurs der Klimapolitik weglenken können von Moral zu politischer Ökonomie. Klimaökonomen und grüne Industriepolitiker sind gesucht. Klima-moralisten braucht es hingegen nicht.
Als rationaler Mensch verzweifelt man dieser Tage an der deutschen Politik. Man kann sich nur wünschen, dass sich das ändert und Debatten über das „Wie“ zurück ins Zentrum jeder Debatte kommen. Deutschland ist das Land der Denker. Warum ist Rationalität eigentlich gerade in diesem Land so schwer?
von buendnis-c | 19. Jan 2023 | Aktuelles
Das Dorf Lützerath ist geräumt und die Besetzungen gehen weiter. Wenn ideologisch hehre Ziele Straftaten rechtferti-gen, wird aus dem Rechtsstaat Anarchie und die Staatsgewalt ist bankrott. Bündnis C fordert insbesondere die grüne Partei auf, die Geister in die Schranken zu weisen, die sie gerufen hat, und deren Terror das Land nun nicht mehr los wird.
Alle etablierten Parteien wollen das Klima retten und Deutschland soll Vorreiter sein. Mit dem Narrativ des durch CO2 verursachten Klimawandels und dem Imperativ, den Wandel stoppen zu müssen, hat die deutsche Politik Untergangs-szenarien, Existenzängste und ultimativen Handlungsdruck provoziert. Eine wissenschaftlich seriöse Debatte wird nicht nur unterbunden, sondern im Bildungssystem von plumpen Vereinfachungen und diskussionsfreien Handlungsgeboten ersetzt. Die Medien befeuern apokalyptische Visionen, schwingen die Moralkeule gegen vermeintliche Klimasünder und machen die Industrie, Energieerzeuger, Bauern und Verkehrsträger zu Zielscheiben von Stigmatisierung und Gewaltattacken.
Wen wundert es, dass Kinder, Jugendliche und mäßig gebildete Menschen meinen, die Welt vor dem Untergang und zuerst vor blinden und trägen Zeitgenossen und deren politischen Versäumnissen retten zu müssen? Dass die ihnen eingebläuten Ablaufdaten für die Rettung des Planeten keinen Aufschub und erst recht keine Achtung von Eigentum, Gesetzen oder gar deren Vollstreckern dulden? Bereits 2020 forderten Greta Thunberg und Luisa Neubauer in einem offenen Brief an die Regierenden der EU die Abkehr von demokratisch verfasster Marktwirtschaft in Europa. Die jetzigen Besetzer fordern die Enteignung von RWE und leben offensichtlich wieder in den Vorstellungen eines – diesmal öko-logischen – Sozialismus, der eben auch mit Gewalt durchgesetzt werden muss, wie es sozialistischen Revolutionen
eigen war und ist.
Es ist nicht zu erkennen, dass eine der etablierten Parteien gewillt ist, das Klima-Narrativ auch nur ansatzweise zu relati-vieren und in einer ganzheitlich nachhaltigen Gesellschaftsvision einzuordnen. Im Gegenteil gibt es aus den Reihen aller Verständnis für die widerrechtlichen Aktionen der Aktivisten und jedenfalls keine Entschlossenheit, die ideologisch fest-gezurrten Bandagen zu lösen und Vernunft in die Debatten zu bringen:
Deutschland wird nicht das Weltklima retten und kann auch den Rest der Welt nicht dazu verpflichten. Wenn die jetzigen Klimaextremisten an der Macht sind und Deutschland zur CO2-freien Diktatur gemacht haben, wird es dem Tod näher sein als dem Leben, wie es die Diktaturen dieser Welt immer waren und sind. Wir fordern besonders die Grünen auf, ihrer Regierungsverantwortung gerecht zu werden und dem zum „Unwort des Jahres 2022“ entschuldeten Klima-terrorismus den ideologischen Boden geschürter Endzeitangst und menschlicher Hybris zu nehmen, damit ihre Zauberlehrlinge nicht weiter das Land verwüsten.
Und wir erinnern an den einzigen Meister, der diesen verirrten Seelen und unserer Welt Wiederherstellung, Zukunft und Frieden geben kann: den Schöpfergott der Bibel, dem auch die außer Rand und Band geratenden Geister Untertan sind. Siehe Goethe.
Die „Letzte Generation“ ist eine Abrissbirne für den Klimaschutz
In den vergangenen Monaten hat die „Letzte Generation“ mit ihren Straßenblockaden für mächtig Furore gesorgt. Doch mit ihrem selbstanmaßenden Protest erweisen sie dem Klimaschutz einen Bärendienst. Denn
die Aktivisten treten nach unten, anstatt sich mit den Mächtigen anzulegen.
EIN GASTBEITRAG VON MALTE HEIDORN UND JAN MAROSE am 16. Dezember 2022 in CICERO ONLINE
Friedrich Merz fordert Vereinsverbote im Umfeld der selbsternannten „Letzten Generation“. Christian Lindner nennt
die Aktionen „brandgefährlich“. Beide zielen am Kern der notwendigen Kritik vorbei. Denn tatsächlich sind die Selbstanmaßung der Aktivisten und die Verachtung des Lebens stinknormaler Bürger die zentralen Probleme von Gruppierung und Protestform. Die „Letzte Generation“ tritt nach unten, anstatt sich mit den Mächtigen anzulegen.
Die Blockade von Kreuzungen oder Autobahnen, das Festkleben auf Landebahnen. Als Nichtbetroffener mögen diese fast täglich stattfindenden Aktionen legitime Bagatellen sein: dann kommt der Vertriebsmitarbeiter eben nicht zum Termin, die Altenpflegerin nicht zum nächsten Patienten oder der Pensionär nicht Richtung Sonne und Strand. Die Betroffenen mögen zwar schäumen vor Wut, aber was richtet dieses Gefühl schon aus gegen das moralisch ver-meintlich erhabene Handeln gut betuchter Klimaaktivisten, die den ganzen Planeten am Kipppunkt der Unbewohn-
barkeit wähnen. Da ist doch zurückstecken angesagt, oder etwa nicht?
Aktionen sind purer Klassismus
Die Aktivisten mögen die Flugreise meiden, ihre Aktionsformen aber sind abgehoben wie ein Urlaubsflieger. Sie wirken in der Berichterstattung auf die Menschen im Land vielfach als das, was sie sind: als ein ausgestreckter Mittelfinger der Verachtung für das Leben von Normalbürgern. Dreht man es politisch, kann festgehalten werden: Diese Proteste mögen legitime Anliegen verfolgen, aber die Art und Weise haben mit „progressiv“ oder „links“ nichts zu tun. Im Gegenteil: Die Aktionen sind Klassismus. Sie sind Ausdruck von Hass auf die kleinen Leute.
In turbulenten Zeiten entsteht zuweilen Neues. Als Reaktion auf die Merkel-Jahre und der gesellschaftlichen Über-forderung die AfD. Es mag wie ein Treppenwitz der Geschichte klingen, aber ausgerechnet im ersten Regierungsjahr eines grünen Wirtschafts- und Klimaschutzministers und einer grünen Umweltministerin ist die „Letzte Generation“
ins Rollen beziehungsweise Sitzen gekommen.
Tatsächlich gibt es dafür Gründe: Gutbürgerliche und gebildete junge Leute kämpfen in diesen Krisentagen nicht zu-vorderst mit explodierenden Lebenshaltungskosten, nicht mit der Sorge, wie an Weihnachten vielleicht ein kleines Geschenk für die Familie möglich werden kann, trotz Rekordinflation. Hier geht es um etwas Größeres: die Bewohnbar-keit der Erde, wenn wir nicht sofort handeln und faktisch aus Auto, Flieger, Industrieproduktion und fossiler Energie aussteigen.
Wer mag dem widersprechen und die Klimaapokalypse weiter anheizen? Die Wahrheit ist, es ist ausgerechnet die
Politik der Ampel-Regierung und zuvorderst von Robert Habeck, der zwar verbal an der Seite der Aktivisten steht,
mit seiner Politik aber das Gegenteil verantwortet. Die deutschen Kohlekraftwerke laufen auf Hochtouren. An nicht wenigen Tagen stammt fast die Hälfte des produzierten Stroms aus den Klimadreckschleudern der Kohlekraftwerke. Statt Gas über Pipelines landen gigantische LNG-Tanker mit klimaschädlichem Flüssiggas aus aller Herren Länder an.
Und die Erneuerbaren? Sie taugen nicht ansatzweise, um den existierenden und stetig steigenden Energiebedarf zu decken. Bei Dunkelflaute stammt nicht selten weniger als zehn Prozent des Stroms aus Sonne und Wind. Der Ausbau der Windenergie ist seit Jahren rückläufig – auch im ersten Habeck- und Lemke-Jahr. Und der Netzausbau stockt, auch dank anderer Aktivisten, die vielfach ebenfalls dem grünen Milieu entspringen.
Klimapolitik ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Niemand sollte in Abrede stellen, dass auch der einzelne Bürger mit seinem Handeln einen Unterschied machen kann. Eine klare Reihenfolge der Verantwortung gibt es dennoch. Die Energieversorgung des Landes liegt in Verantwortung der Politik. Es ist die Politik, die Klimaschutzabkommen und die Pariser Klimaziele unterschrieben hat. Es ist die Politik der Bundesregierung, die mit ihren Entscheidungen dafür gesorgt hat, dass die Emissionen anwachsen und nicht gemindert werden.
Isolierter Klassenkampf von oben
Was daraus folgen sollte, ist klar: Die „Letzte Generation“ muss ihre Protestform grundlegend verändern, wenn sie dem Klimaschutz nicht weiter einen Bärendienst erweisen und die Mehrheit des Landes verprellen will. Denn niemand sollte sich wundern, wenn der ausgestreckte Mittelfinger erwidert wird und sich dann generell gegen den Klimaschutz richtet. Das ist kein Plädoyer, Proteste einzustellen. Es ist ein Plädoyer für gesellschaftliche Legitimität und Rückendeckung. Die Klimakinder sollten sich an die Parteizentrale der Grünen, an das Habeck-Ministerium und das Kanzleramt kleben. Wut auf die Ampel teilen schließlich auch diejenigen, die Klima-Aktivismus ablehnen.
Für die Parteien in der Opposition sollte gelten: Die, die Klimaschutz in den letzten 40 Jahren blockiert haben, sollten schweigen und nicht kriminalisieren. Und eine Linke, die die kleinen Leute vertritt, sollte die Protestform scharf kritisieren und fordern, dass sich die Aktionen künftig gegen die politisch und wirtschaftlich Mächtigen und nicht
gegen die normale Bevölkerung richtet. Zu sympathisieren, sich zu solidarisieren, wäre ein schwerer strategischer Fehler. In der Linken halten einige das Konzept der verbindenden Klassenpolitik hoch. Die „Letzte Generation“ ist isolierter Klassenkampf von oben und eine Abrissbirne für den Klimaschutz.
AUTORENINFO
Malte Heidorn und Jan Marose sind Mitglieder der Partei Die Linke.
Philip Kitcher, Truth and Science, Marsilus Kolleg der Universität Heidelberg, 2. Oktober 2018
The erosion of trust in the sciences raises three important questions:
1. Does scientific inquiry deserve the status it once enjoyed in democratic societies as a privileged source of truth?
2. What has happened to undermine its status in some areas of science and among some people?
3. If the turn against scientific authority is a mistake, what can be done to remedy it?
Philip Kitcher will use the case of climate change (and climate inaction) to illustrate answers to the first two questions, and conclude with some brief reflections on the third.
Während sich die ideologischen Deutschen in linke Klimagläubige und rechte Klimaleugner spalten und sich immer noch darüber streiten, ob man durch eine CO2- Steuer die vom Menschen induzierte Erderwärmung im Alleingang aufhalten kann, haben die pragmatischeren Niederländer längst damit angefangen, ihre öffentlichen Gelder in den praktischen Umgang mit den zu erwartenden Folgen der Erderwärmung zu stecken.
Aber auch privatwirtschaftliche Unternehmen überlassen die Lösung der Probleme nicht dem Staat, sondern steigen mit neuen Erfindungen in das zukunftsweisende Geschäft ein. Dabei geht es um neue und höhere Deiche, um einen flächendeckenden Schutz der Gebiete unter dem Meeresspiegel, um schwimmende Häuser und um den Schutz von Städten, die nahe am Meer und an Flussmündungen liegen, die von der Erhöhung des Meeresspiegels betroffen sein werden.
Es ist klar, dass das Verhalten der Niederländer nicht nur realistischer und pragmatischer ist, sondern eben auch ökonomisch und ökologisch vernünftiger.
Die Verweigerung der meisten Deutschen gegenüber einem solchen Realismus und Pragmatismus wird noch schlimme Folgen für Land und Leute, Ökonomie und Ökologie haben!
Data Science vs Fake: Der Mensch könnte ohne Bienen nicht überleben
https://www.arte.tv/de/videos/089156-009-A/data-science-vs-fake/