Parteiprogramme: CDU/CSU - SPD - FDP

 

 

Die Wahlprogramme im Schnelldurchlauf

 

Prof. Dr. Gerd Habermann, Honorarprofessor an der Uni Potsdam, Vorstandsvorsitzender der Hayek-Stiftung, Publizist

 

Wahlprogramme mögen von den Wählern wenig gelesen werden. Im Wahlkampf entscheiden eher Persönlichkeiten und dramatisierte Einzelfragen. Dennoch sind sie wertvoll als Zeugnisse dessen, wes Geistes Kind die einzelnen Parteien sind. Viele Einzelpunkte können später zu legislatorischen Initiativen führen. Schriftstellerisch zeichnen sie sich selten durch erhabenen Schwung, hinreißende Prosa, geglückte Bilder aus. Eine vergnügliche Lektüre bieten sie kaum. Phrasen, abgenutzte Formeln, furchtbare Plattheiten langweilen, noch von der Widersprüchlichkeit vieler Punkte und überspannter Detaillierung abgesehen.

 

Für einen strengen Ordnungstheoretiker sind sie ein Greuel. Und dann erst noch der Umfang. Programme von mehr als zweihundert Seiten sind keine Seltenheit mehr – sie zeigen einerseits die wachsenden Finanzmittel unserer teilweise staatsfinanzierten Parteien, andererseits den Umfang des Regulierungsanspruchs. Ein Nanny-Staat kennt eben kaum noch Grenzen seiner Interventionslust, wogegen ein klassisch-liberaler Staat sich mit wenigen Grundsätzen begnügen kann, weil alles andere sich in Markt, Zivilgesellschaft, Konventionen und Bräuchen selber reguliert.

 

So denn auch die vorliegenden Prpgramme zur Bundestagswahl. Zwar wird der Ausdruck Sozialismus und Sozialisie-rung sogar bei der LINKEN vermieden, der Sache nach aber dominiert der Gedanke zumindest in den drei „roten“ Programmen: GRÜNE, LINKE und SPD, wobei es hier noch Abstufungen des Kollektivismus gibt; am eigentums-feindlichsten bleibt die LINKE – sogar die sogenannte Klimakrise wird den „Reichen“ in Rechnung gesetzt. Die Steuer-politik ist bei allen drei Parteien das wichtigste Mittel der Eigentumssozialisierung: „The power to tax is the power to destroy.“ Hinzu kommt ein ungebrochener Glaube an die Staatswirtschaft: Privatisierung, Deregulierung waren einmal, besonders deutlich bei Verkehr (Verherrlichung der staatlichen Bahn und des ÖPNV, Polemik gegen den motorisierten Individualverkehr, noch mehr gegen den Flugverkehr, Liebeserklärung an das Fahrrad, besonders bei den GRÜNEN) auch die Verklärung des Gemeindesozialismus („kommunale Daseinsvorsorge“).

 

Deutsche Eigeninteressen stören nur

 

Von einer Notwendigkeit größerer Eigenvorsorge statt staatlicher Fremdvorsorge liest man nichts – im Gegenteil: es geht um die Verallgemeinerung der staatlichen Zwangsvorsorge („Bürgerversicherung“ im Gesundheitswesen, alle Selbstständigen in die staatliche Rentenversicherung, umfassende „Arbeitsversicherung“ (GRÜNE). Die Familien sind Gegenstand zunehmender Enteignung, als „Förderung“ getarnt – sei es durch staatliche Finanzierung, sei es durch staatliche Übernahme der Betreuungsfunktionen (Kita, Ganztagschule etc.). Noch nicht erwähnt ist die Verstaatlichung beziehungsweise Auflösung der privaten Energiewirtschaft im Zeichen einer sogenannten Klimakrise (Atomindustrie, Kohlewirtschaft, Erdöl- und Gaswirtschaft) in der utopischen Hoffung auf immerwährenden Sonnenschein und immer-wehenden Wind. Das größtmögliche Hazardspiel, denn eine zuverlässige und preiswerte Energieversorgung ist die

Basis unseres Wohlstandes.

 

Noch nicht erwähnt ist der Radikalegalitarismus im privaten Bereich (Genderideologie, diskriminierende Antidiskrimi-nierung, rassistischer Anti-Rassismus), der sozialauflösend wirkt. Alle drei Parteien sind zentralistisch – glauben an einen Superstaat EU, am besten wäre (GRÜNE) ein Weltwohlfahrtsstaat. Deutsche Eigeninteressen spielen keine Rolle, stören nur. Zum Beispiel in der Geld- und Schuldenpolitik. Eine europäische Schuldenunion wird nicht gefürchtet, sondern gewünscht. Der Wunsch auf Geldwertstabilität ist offenbar veraltet, im übrigen ist Geld scheinbar unbegrenzt verfügbar. Der Klimautopismus mit der Steuerungsillusion eines so komplexen Systems wie des Klimas auf 1,5 Grad maximal zulässige Erwärmung einer fiktiven Weltdurchschnittstemperatur zeichnet fast alle Parteien aus, besonders aber wieder die GRÜNEN.

 

Die drei „rechten“ Parteien (das Laschet-Programm liegt freilich noch nicht vor, aber das von 2017 gibt einige Auskunft über den aktuellen Geist dieser Partei) zeigen – wenigstens in Teilbereichen ihrer Programme – kein konsequentes Gegenbild, aber doch Elemente eines anderen Ordnungsdenkens, besonders in der Steuerpolitik oder in Fragen der Privatisierung von Staatswirtschaft (namentlich bei der FDP, die aber eurozentralistisch ist). Sozialpolitisch findet man bei keiner dieser Parteien ein liberales Ordnungskonzept, allenfalls eine Verteidigung des Status quo. Die AfD zeigt als einzige Partei milde patriotische Akzente, was nicht mit „rechtsextrem“ zu verwechseln ist. Sie verwirft das eurozentra-listische Modell zugunsten eines Staatenbundes – und zieht äußerstenfalls sogar einen „DEXIT“ in Betracht. Sie ist wie die FDP eigentumsfreundlich.

 

Gesellschaftspolitisch ist die FDP eher nach links hin orientiert. Auffällig ist die Fetischisierung des Digitalen in allen Parteien – als ob es sich hier nicht um eine wundervolle Hervorbringung des Kapitalismus, also der Märkte handelt, sondern zuvörderst der Staat hier tätig werden müsste. Dabei wird außerdem ignoriert, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und eine Ablösung persönlicher Dienste durch anonyme Automatismen nicht immer ein Fortschritt ist.

 

https://www.achgut.com/artikel/Die_Wahlprogramme_im_Schnelldurchlauf

 


 

Eigentum und Freiheit: Was steht in den Parteiprogrammen?

 

Welche der großen Parteien haben eine eher freiheitliche und welche eine überwiegend kollektivistische Programmatik? Die 6-teilige Reihe nimmt sich die sperrigen Wahlprogramme vor.

 

Vorbemerkung: Wert und Wirkung von Parteiprogrammen

 

Wahlprogramme mögen von den Wählern wenig gelesen werden. Im Wahlkampf entscheiden eher Persönlichkeiten und dramatisierte Einzelfragen. Dennoch sind sie wertvoll als Zeugnisse dessen, wes Geistes Kind die einzelnen Parteien sind. Viele Einzelpunkte können später zu legislatorischen Initiativen führen. Schriftstellerisch zeichnen sie sich selten durch erhabenen Schwung, hinreißende Prosa, geglückte Bilder aus. Eine vergnügliche Lektüre bieten sie kaum. Ab-genutzte Formeln, furchtbare Plattheiten langweilen, noch von der Widersprüchlichkeit vieler Punkte und überspannter technischer Detaillierung abgesehen. Für einen liberalen Ordnungstheoretiker sind sie ein Gräuel.

 

Und dann erst noch der Umfang! Programme von mehr als zweihundert Seiten sind keine Seltenheit mehr. Sie zeigen einerseits die wachsenden Finanzmittel unserer teilweise staatsfinanzierten Parteien, andererseits den Umfang des Regulierungsanspruchs. Ein Nanny-Staat kennt eben kaum noch Grenzen seiner Interventionslust, wogegen ein klassisch-liberaler Staat sich mit wenigen Grundsätzen begnügen kann, weil alles andere sich in Markt, Zivilgesellschaft, Konventionen und Bräuchen von selbst ordnet.

 

Freiheitlich oder kollektivistisch?

 

Man kann die Parteien nach eher freiheitlicher und überwiegend kollektivistischer Programmatik unterscheiden,

wobei Überschneidungen häufig sind. Staatlicher Interventionismus spielt bei allen Parteien eine große Rolle. Die kollektivistischen Parteien legen den Hauptwert auf die absolute Gleichheit, während bei anderen Parteien die individuelle Freiheit stärker akzentuiert wird. Man könnte die Parteien auch nach dem Schema Individualismus-Kollektivismus unterscheiden. Der Ausdruck „Mitte“ ist dagegen unbestimmt, da nicht auf bestimmte feststehende Werte bezogen, sondern variabel je nach Entwicklung des Parteienspektrums, mal mehr kollektivistisch, mal mehr freiheitlich: Parteien ohne Kompass außer dem des Opportunismus.

 

Was die sog. „linken“ Parteien betrifft, fällt auf, dass der traditionelle Ausdruck „Sozialismus“ oder „demokratischer Sozialismus“ für deren egalitäre Ideale vermieden wird, sogar bei der Partei, die sich „DIE LINKE“ nennt. Der Sache

nach aber dominiert der sozialistische Gedanke zumindest in den drei „roten“ Programmen: GRÜNE, LINKE und SPD, wobei es hier zweifellos Abstufungen gibt. Am eigentumsfeindlichsten bleibt die LINKE – sogar die sog. Klimakrise wird den „Reichen“ in Rechnung gesetzt. Die Steuerpolitik ist bei allen drei „linken“ Parteien das wichtigste Mittel der Eigentumssozialisierung. In der Tat: „The power to tax is the power to destroy“. Hinzu kommt bei ihnen ein ungebrochener Glaube an die Staatswirtschaft: Liberale Steuerreformen, Privatisierung, Deregulierung kommen nicht vor.

 

Beispielsweise wird im Verkehrswesen der öffentliche Verkehr bevorzugt (staatliche Bahn und ÖPNV), während gegen den motorisierten Individualverkehr, noch mehr gegen den Flugverkehr, polemisiert und das Fahrrad verklärt wird, besonders bei den GRÜNEN. Von einer Notwendigkeit größerer Eigenvorsorge statt staatlicher Fremdvorsorge liest

man wenig – im Gegenteil: es geht um die Verallgemeinerung der staatlichen Zwangsvorsorge („Bürgerversicherung“

im Gesundheitswesen, alle Selbstständigen in die staatliche Rentenversicherung, umfassende „Arbeitsversicherung“ (GRÜNE)). Die Familien sind Gegenstand zunehmender Enteignung – als „Förderung“ getarnt – sei es durch staatliche Finanzierung, sei es durch staatliche Übernahme der Betreuungsfunktionen (Kita, Ganztagschule etc.), auch bei über-wiegend sog. „rechter“ Programmatik.

 

Bemerkenswert ist auch die Auflösung der herkömmlichen Energiewirtschaft im Zeichen einer sog. Klimakrise (Atom-industrie, Kohlewirtschaft, Erdöl- und Gaswirtschaft) in der gewiss utopischen Hoffnung auf immerwährenden Sonnen-schein und immer wehenden Wind – das größtmögliche Hasardspiel für einen Industriestaat. Noch nicht erwähnt ist

der Radikalegalitarismus im privaten Bereich (Genderideologie, diskriminierende Antidiskriminierung, rassistischer

Anti-Rassismus), der sozialauflösend wirkt. Alle drei „linken“ Parteien sind zentralistisch – glauben an einen Superstaat EU, am besten wäre (GRÜNE/LINKE) ein Weltwohlfahrtsstaat. Deutsche Eigeninteressen spielen keine Rolle, stören nur, z.B. in der Geld- und Schuldenpolitik. Eine europäische Schuldenunion wird nicht gefürchtet, sondern gewünscht. Der Wunsch nach Geldwertstabilität ist offenbar veraltet, im Übrigen ist Geld scheinbar unbegrenzt verfügbar. Der Klima-utopismus mit der Steuerungsillusion eines so komplexen Systems wie des Klimas auf 1,5 Grad maximal zulässige Erwärmung einer fiktiven Weltdurchschnittstemperatur zeichnet fast alle Parteien aus, besonders aber wieder die GRÜNEN.

 

In den drei freiheitlichen, sog. „rechten“ Parteien (CDU, FDP und AfD) – freiheitlich wenigstens noch in Teilbereichen

ihrer Programme – zeigt sich kein konsequentes Gegenbild, aber doch Elemente eines anderen Ordnungsdenkens, besonders in der Steuerpolitik oder in Fragen der Privatisierung von Staatswirtschaft (namentlich bei der FDP, die aber eurozentralistisch ist). Sozialpolitisch findet man bei keiner dieser Parteien ein durchweg liberales Ordnungskonzept, allenfalls eine Verteidigung des Status quo. Die AfD zeigt als einzige Partei stärkere patriotische Akzente, was nicht

mit „rechtsextrem“ zu verwechseln ist. Sie verwirft das eurozentralistische Modell zugunsten eines Staatenbundes –

und zieht äußerstenfalls sogar einen „DEXIT“ in Betracht. Sie ist wie die FDP eigentumsfreundlich. Gesellschaftspolitisch ist die FDP eher links-interventionistisch hin orientiert. Auffällig ist die technokratische Verherrlichung des Digitalen in allen Parteien. Als ob es sich hier nicht um eine wundervolle Hervorbringung des Kapitalismus, der Unternehmen und Märkte handelt, sondern zuvörderst der Staat hier tätig werden müsste. Dabei wird naiv ignoriert, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und eine Ablösung persönlicher Dienste durch anonyme Automatismen oder Roboter nicht immer ein Fortschritt ist.

 

Die Gesamttendenz fast aller Parteien ist der Zug zum Wohlfahrts- und Nanny-Staat, der sich so nach und nach selbst zerstört.

 

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CDU/CSU

 

Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland. 139 Seiten.

 

Wie keine andere Partei repräsentiert die CDU/CSU die Kontinuität wohlfahrtsstaatlichen Denkens in Deutschland –

den langsamen fortgesetzten Ausbau des Modells Bismarck. Zwar fehlt in keinem Programm eine Erwähnung der „Sozialen Marktwirtschaft“, aber die Substanz des Marktwirtschaftlichen, des Eigentums, des selbstverantwortlichen Lebensunternehmertums wird dünner und dünner. Im vorliegenden Wahlprogramm soll nun alles „neu“ werden: „Neuer Wohlstand – mit nachhaltigem Wachstum zum klimaneutralen Industrieland " (die eierlegende Wollmilchsau), Weiterhin „neue Fairness“ (!), „neue Generationengerechtigkeit“, „neuer Mut“, neues Aufstiegsversprechen“, „neue Aufmerksamkeit“ und sogar „neue Weltpolitikfähigkeit“ mit einem starken Deutschland („neue außenpolitische Stärke“) in einem starken Europa „auf Augenhöhe mit China“, wobei der chronisch missbrauchte Begriff Europa nur für die Europäische Union steht.

 

Es wird ein „kraftvoller Neustart“, ein „Modernisierungsjahrzehnt“ angekündigt – als hätte diese Partei nicht eine lange Regierungszeit von 16 Jahren hinter sich. Positiv an diesem Programm ist, dass es nur mäßig von der Klimahysterie erfasst ist und auch exotische Themen wie die LGBTQI-Agenda nicht angesprochen werden. Die Migrationsproblematik wird andererseits auch nicht grundsätzlich zur Sprache gebracht, außer dass man sich gegen die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ ausspricht (aber eben dies geschieht ja täglich). Die Wirtschafts-, vor allem die Steuerpolitik ist vergleichs-weise wirtschaftsfreundlich. Die Dramatik der geld- und finanzpolitischen Situation steht freilich nur am Rande. Man belässt es bei Beschwörungen. Auch die in ihren Maßnahmen fragwürdige Coronapolitik mit ihren Folgen bleibt ohne eine kritische Kommentierung. Für die Wandlungen dieser Partei unter der Regierung Merkel empfehlen wir: Philip Plickert (Hrsg.): Merkel – Die kritische Bilanz von 16 Jahren Kanzlerschaft, FinanzBuch Verlag, München, 2021.

 

Europäische Union gleich „Europa“

 

Die CDU bleibt bei ihrem Kurs, die Zentralisierung der EU zu beschleunigen. So soll es in Zukunft Mehrheitsentschei-dungen in allen wichtigen Fragen geben. Nicht nur eine „Bankenunion“ ist wünschenswert, auch eine „Gesundheits-union“, eine „Digitalunion“, eine „Sicherheitsunion“ und selbst eine „europäische Industriepolitik“. Gleichzeitig spricht man von Subsidiarität. Dennoch ist erstaunlicherweise vom ganz offenbaren Ziel eines Bundesstaates EU – im Unter-schied zur FDP – nicht ausdrücklich die Rede. Zur Geld- und sogar Finanzpolitik der EZB, die vertragswidrig aus dem Ruder gelaufen ist, kein kritisches Wort, nur eine vergebliche Beschwörung von Stabilitätspolitik: „Geld- und Finanz-politik müssen getrennt bleiben“ – gewiss, aber wenn nicht? Der absolute Systembruch mit dem 750 Mrd. Euro-Hilfs-programm auf europäischer Ebene soll „einmalig“ bleiben – wie ja die früheren vertragswidrigen Unterstützungs-programme (ESM usw.) auch. Faktisch haben wir bereits eine „Schuldenunion“. Die CDU ist für eine doch offenbar utopische europäische Asylpolitik mit Verteilung der Migranten über die Mitgliedstaaten.

 

Wirtschaft und Finanzen. Im Großen „Weiter so!“

 

Es ist erfreulich, wenn auch bei der sonstigen Programmatik kaum sachlich zu begründen, dass Steuerhöhungen ausgeschlossen werden, an Substanzbesteuerung nicht gedacht wird´. Die erfreuliche Formel: „Leistung muss sich wieder lohnen“, während sie sich doch immer weniger lohnt, finden wir auch hier wieder. Es soll ein „umfangreiches Entfesselungspaket“ auf den Weg gebracht werden. „Entlasten statt belasten“. So – nach 30 Jahren! – endlich weg mit dem Solidaritätszuschlag für alle, aber doch nur „schrittweise“. Steuerlast für thesaurierte Gewinne „perspektivisch“ auf 25%. Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter. Einmal mehr: die Abschaffung der kalten Progression. „Entfesselung“ sieht anders aus. Immerhin: keine Einführung neuer Substanzsteuern wie der Vermögenssteuer und keine Erhöhung der Erbschaftssteuer. Nur beiläufig erwähnt, aber – ernstgenommen – von großer Tragweite: die Abschaffung der „Mischfinanzierung“ (Bund/Länder/Kommunen). Auch hier wieder der Dauerbrenner: „Überflüssige Bürokratie abbauen“. Diese Partei stellt sich gegen internationalen Steuerwettbewerb, ist offenbar für ein weltweites Steuerkartell.

 

Zur Landwirtschaft: „Marktpreise müssen fair sein und den Erzeugern ein auskömmliches Einkommen ermöglichen“ – man denke sich diesen Standpunkt verallgemeinert und es ist vorbei mit der Marktwirtschaft in Deutschland. Die Schifffahrt soll „zukunftsfest gemacht“ werden. Ist das wirklich eine Staatsaufgabe?

 

Man bekennt sich zum „European Green Deal“. Möchte zur Zielerreichung den Emissionshandel einsetzen – immerhin ein marktwirtschaftliches Instrument. Es soll ein „CO2-Grenzausgleich“ stattfinden – wohl sehr schwierig und jedenfalls enorm bürokratisch. Immerhin keine Festlegung auf ausschließlichen Elektroantrieb bei Automobilen und gegen Diesel-fahrverbote, insoweit autofreundlich. Aber auch an einen „nationalen Fahrradverkehrsplan“ ist gedacht. Es soll einen „Sonnenpakt“ geben (Ausbau der Solarenergie).

 

Der übliche Kult der Digitaltechnik – eine kaum ausdrücklich anerkannte Errungenschaft der Märkte, nicht des Staates – findet sich auch bei der CDU wieder. „Digitale Bildung“ wird gelobt. Es soll eine „nationale Bildungsplattform“ aufgebaut werden und Deutschland auch eine „Hochburg für Künstliche Intelligenz und Blockchain“ sein. Es soll eine Mission „Quantencomputer Made in Germany“ geben und „ehrenamtliche Digitalbotschafter und Digitalbotschafterinnen“

sollen in der Tiefe der Gesellschaft die frohe Digitalbotschaft verbreiten. Kein kritisches Wort zu den Grenzen der Digitalisierung, etwa im Wünschenswerten persönlich erbrachter Dienstleistungen – und vor allem zur Eigenkraft der marktwirtschaftlichen Entwicklung.

 

Sozial- und Gesellschaftspolitik, wenig freiheitlich

 

Der Rentenversicherungszwang soll nun auch die bisher noch freien Selbstständigen einschließen – der letzte Schritt

zur Volks- oder Bürgerversicherung. Ein mildes Auge auf private Vorsorge fehlt nicht. Bei der Gesetzlichen Kranken-versicherung wird an dem dualen System festgehalten. Auch am Ehegattensplitting hält die CDU fest. Angesichts der demographischen Probleme soll es in Zukunft eine „Generationenrente“ geben. Eine „neue Generationengerechtigkeit bei Finanzen und Steuern muss her“ – wie soll die aussehen? Während die staatliche Zwangsvorsorge kaum mehr Grenzen kennt, soll doch auch die „Vermögensbildung für jeden“ gefördert werden. Es soll eine „Souveränitätsoffensive“ bei der Medikamentenproduktion geben – also nationale Autarkiepolitik insoweit. In der Familienpolitik die bekannte Subventionsvielfalt nach dem Gießkannenprinzip. Auch „Alleinerziehende“ sollen stärker gefördert werden – bis hin zur Realisierung „ihres Eigenheimtraums“. Zum Arbeitsmarkt: keine strategische Vision, etwa eine Liberalisierung des Arbeitsrechts, im Wesentlichen strukturkonservative Positionen und Betonen der „Sozialpartnerschaft“, also des großen Sozialkartells von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.

 

Ein Nanny-Staat ohne Grenzen

 

Man traut seinen Augen nicht: Diese Partei will eine „Strategie gegen Einsamkeit“ entwickeln. Dazu auch „aufsuchende Nachbarschaftshilfe und Sozialarbeit“, die verschämte Armut und Vereinsamung aufspüren soll. Die CDU will „für das Landleben begeistern“. Dörfer und Städte sollen „vitalisiert“ werden! Ein „Zukunftspakt für Innenstädte“ ist im Gespräch. Ja, sie will flächendeckend „Heimatagenturen“ fördern. Sie will ferner eine Strategie gegen Lebensmittelverschwendung erfinden. Sie will „öffentliche Zuschüsse zu Mehrgefahrenversicherungen“.

 

Die Tierfreundlichkeit zeigt sich in einem Plädoyer für einen Ausstieg aus dem Töten männlicher Küken und für ein „Tierwohlstall- Förderungsgesetz“. „Alle gesellschaftlichen Bereiche müssen einen Beitrag zum Insektenschutz“ leisten. Die Prostitution von schwangeren Frauen muss verboten werden. Zur Religion: „Religion als wertvollen Teil unserer Gesellschaft begreifen“ – sehr verbunden! Für eine schulische „Wertekunde“ – wertneutral? Der Staat soll sogar „Hilfen bei der Unternehmensübergabe“ bieten. Und bei allem: ein unkritisches Bekenntnis zu einem „starken, unabhängigen, öffentlichen Rundfunk“.

 

Das eilig zusammengeschusterte Programm schließt schwunglos mit einem Bekenntnis zu „engagierter Sportförderung“ ab.

 

Ein besonderes Wahlprogramm der CSU: Gut für Bayern. Gut für Deutschland. 16 Seiten.

 

Das Unzureichende des gemeinsamen CDU/CSU-Wahlprogramms wurde wohl in Bayern bemerkt, und so hat die CSU Ende Juli ein Sonderprogramm aufgelegt. Es ist von wohltuender Kürze und vergleichsweise größerer Präzision und frischem Schwung. Man sagt dem Schulden- und Steuerstaat ab und will stattdessen „neues Wachstum“. Unter Wett-bewerbsdruck mit den Grünen wird das bayerische Klimaschutzprogramm etwas detailliert, bleibt aber utopisch. Man möchte Bayern als erstes Bundesland „klimaneutral“ haben (bis 2040), aber diese „Dekarbonisierung“ dürfe nicht zur Deindustrialisierung führen. Die höheren betrieblichen und privaten Klimaschutzaufwendungen sollen durch Subventio-nen ausgeglichen werden („Klimabonus“, Klimaabschreibungen). Es soll eine „Holzbauoffensive“ und eine „Waldprämie“ geben, auch einen „Pakt“ zur Plastikvermeidung. Auch soll der öffentliche Verkehr ausgeweitet werden.

 

In der Familienpolitik more of the same: mehr Subventionen (Ausweitung Elterngeld; forcierter KITA-Ausbau, Mütter-rente für alle Mütter). Allerlei Bonbons für die Wirtschaft, namentlich Handwerk und Gastronomie, fehlen nicht. Auch

ein ausgeweiterter steuerlicher Verlustrücktrag gehört dazu. Der Staat soll für jedes Kind bis zum 18. Lebensjahr einen von ihm finanzierten Pensionsfonds mit „Renditeorientierung“ aufbauen. Und sonst? „Hate-Speech-Staatsanwälte für ganz Deutschland“, höhere Strafen für Enkeltrickbetrüger, Kampf gegen den Antisemitismus als Staatsziel in das Grund-gesetz (und in die Bayerische Verfassung), eine „Brauchtumsgarantie“ und Kampf gegen die Kriminalisierung der Schützen durch „linke Parteien“. Besonders liberal klingt das alles nicht. Bayern hat aber den imponierenden Ehrgeiz, eine selbstgemachte Rakete in den Weltraum zu schießen.

 

Prof. Dr. Gerd Habermann ist Wirtschaftsphilosoph, Hochschullehrer und freier Publizist. Er ist seit 2003 Honorar-professor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam und geschäftsführender Vorstand der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.

 


Eigentum und Freiheit: Was steht in den Parteiprogrammen?

 

Welche der großen Parteien haben eine eher freiheitliche und welche eine überwiegend kollektivistische Programmatik? Die 6-teilige Reihe nimmt sich die sperrigen Wahlprogramme vor.

 

SPD

 

Das Zukunftspogramm. Wofür wir stehen. Was uns antreibt. Wonach wir streben. 85 Seiten.

 

Die SPD unterscheidet sich graduell und durch geringere Konsequenz in einzelnen Punkten von den GRÜNEN und der LINKEN. Auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen Staat und Privat fast vollständig. Wo der Staat im Interesse von strikter Gleichstellung und Solidarität („gleiche Teilhabe und mehr Zusammenhalt“) nicht direkt tätig wird, tut er es in-direkt durch paternalistische Förderung und Subventionen. Eine private Tugend wird hier zum Staatsziel: der Respekt vor anderen Menschen soll „erneuert“ werden. Der Staat wird zum großen Erzieher und Tugendwächter im Interesse der genannten Gleichheitsziele.

 

„Inklusive Gesellschaft“, das heißt „niemand soll zurückgelassen“, alle sollen sozial gleich geschätzt werden, Wertunter-schiede soll es nicht geben. Dass im Übrigen gelegentlich von „offener Gesellschaft“ und Förderung von Selbständigkeit (durch mehr soziale Absicherung!) und innovativem Unternehmertum gesprochen wird, hat nicht viel zu bedeuten. Auch hier sind die „Klimagerechtigkeit“, Klimaneutralität, Klimasteuerung von Deutschland aus zentrale Punkte. Ein zentralis-tisches, „souveränes“ Europa mit Mehrheitsentscheidung bei Steuern und in der Außenpolitik, auch mit „Gesundheits-union“, versteht sich. Gesundheit soll ein „globales öffentliches Gut“ sein. Die EU als „modernste Demokratie der Welt“. Immerhin: „Wir sehen viel Gutes. Wir sehen auch Vieles, was man besser machen kann“.

 

Wirtschaft und Soziales: Die Radikalisierung des Wohlfahrtsstaates

 

Der öffentliche Verkehr (Bahn, Bus) mit „ticketfreiem“ Nahverkehr und individuell vor allem das Fahrrad werden prä-feriert. Reine Planwirtschaft: 15 Mio. Elektroautos bis 2030. „zukunftsfähige Wirtschaft“ heißt für die SPD: umfangreiche Investitionen der öffentlichen Hand, allgemeine Tarifbindung (alles andere „unanständig“), „Geschlechtergerechtigkeit“ und „Klimafreundlichkeit“ sowie die Förderung gemeinwohlorientierter Unternehmen. Die Partei spricht sich gegen die „Privatisierung von Währungen“ aus – immerhin ist die Idee des Währungswettbewerbs inzwischen selbst bei dieser Partei angekommen. Die modische Fetischisierung des Digitalen: Man strebt eine „Gigabit-Gesellschaft“ an. Im Hand-werk soll die Ausbildung zum Meister gebührenfrei sein. Mehr Mitbestimmung in den Betrieben, Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten und Recht auf Nichterreichbarkeitszeiten. Forcierung des öffentlichen Wohnungsbaus und Mieten-regulierung („bezahlbar wohnen“).

 

Ein Hauptpunkt liegt bei der Durchsetzung eines radikalisierten Wohlfahrtsstaates mit sozialer Zwangseinheits-versicherung, also weiterer Verstaatlichung der Risikovorsorge, Reste an sozialer Selbständigkeit werden mit dieser „Bürgerversicherung“ beseitigt. Gesundheit soll keine Ware sein, staatliche „bedarfsgerechte“ Grundfinanzierung der Kliniken und Ausbau der integrierten Versorgungszentren. Eine „Grundsicherung“ für Kinder: ein Eingriff in die Familien-autonomie. Es soll eine „geschlechtergerechte Haushaltsbesteuerung“ und mit dem Konstrukt einer „Verantwortungs-gemeinschaft“ die Subventionierung aller Formen eines familienähnlichen Zusammenlebens geben.

 

Finanzen: gegen das Privateigentum

 

Gegen Sparsamkeitspolitik nach der Corona-Epidemie. Es geht um auch schuldenfinanzierte öffentliche Zukunfts-investitionen. Gerechte Besteuerung heißt für die SPD: Entlastung der mittleren und kleinen Einkommen, immerhin, aber dafür schärfere Progression um 3 Punkte bei Einkommen über 500.000 bei Ehepaaren und 250.000 Euro bei Ledigen. Begrenzung der steuerlicher Absetzbarkeit von Managergehältern (auf das Fünfzehnfache des Durchschnitts-einkommens in dem Betrieb). Die Vermögenssteuer ist zu reaktivieren, die Erbschaftssteuer soll durch eine Mindest-besteuerung – gegen die „Überprivilegierung großer Betriebsvermögen“ – reformiert werden. Finanztransaktions-steuern und Bekämpfung des internationalen Steuerwettbewerbs durch eine „effektive Mindestbesteuerung“ passen

in dieses Programm.

 

Verschiedenes, zum Teil Kurioses

 

Es soll eine geschlechtergerechte Repräsentanz in Bund, Ländern und Kommunen geben („Paritätsgesetze“ – also eine neue Ständeordnung nach sexuellen Merkmalen – dies könnte man sich auch für andere Gruppen mit spezifischen Merkmalen wie Migranten, nach dem LGBTQI-Schlüssel, nach Berufen, Religion, nach Gesundheit, Herkunft usw.) denken. Die steuerliche Gemeinnützigkeit soll nun auch – wie bei den Grünen – politische Zwecke mit einschließen,

etwa den Kampf gegen Rechtsextremismus, also etwa die „Antifa“ in Zukunft als gemeinnützig. Computerspiele sollen gefördert werden – ja, warum eigentlich nicht? Es soll einen „Sonderfonds für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ geben, was bei dem geschilderten ideologischen Hintergrund nichts Gutes verspricht.

 

Prof. Dr. Gerd Habermann ist Wirtschaftsphilosoph, Hochschullehrer und freier Publizist. Er ist seit 2003 Honorar-professor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam und geschäftsführender Vorstand der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.

 

https://www.achgut.com/artikel/eigentum_und_freiheit_was_steht_in_den_parteiprogrammen_5

 


Eigentum und Freiheit: Was steht in den Parteiprogrammen?

 

Welche der großen Parteien haben eine eher freiheitliche und welche eine überwiegend kollektivistische Programmatik? Die 6-teilige Reihe nimmt sich die sperrigen Wahlprogramme vor.

 

FDP

 

Nie gab es mehr zu tun. Wahlprogramm der Freien Demokraten. 90 Seiten.

 

Im Wahlprogramm der FDP finden sich im Kontrast zu den drei „linken“ Programmen etliche liberale Elemente. Man möchte keinen „Systemwechsel“ wie andere Parteien, sondern nur einen „Neustart“ der Marktwirtschaft und eine „Energiewende“. Das Programm ist eigentumsfreundlich, bietet aber doch keinen Gegenwurf zum Kollektivismus im sozial- und gesellschaftspolitischen Teil, sondern allenfalls – und inkonsequent – eine Verteidigung des Status Quo, Strukturkonservatismus insoweit. Sie ist überdies auch eine Partei des europäischen Zentralismus, eines europäischen Bundestaates und steht in Sachen Gesellschaftspolitik eher links, wenn auch das „Gendern“ sich in Grenzen hält. Aber der seltsamen LGBTQI-Propaganda schließt sie sich an. Die Position der „Mitte“, die sie für sich in Anspruch nimmt („durch die Mitte nach vorn“), ist nichtssagend, denn der Begriff „Mitte“ ist, wie gesagt, ohne konkreten Wertbezug inhaltlich beliebig wandelbar und damit substanzlos. In der Gesellschaftspolitik ist sie häufig links-interventionistisch. Kaum glaublich für eine liberale Partei: „Kultur als Staatsziel“ – was immer das bedeuten mag. Sie dämonisiert aber

nicht die Klimafrage und hat umweltpolitisch maßvolle Positionen, ein Pluspunkt.

 

Marktwirtschaft, Eigentum, Unternehmertum

 

Die FDP fordert – wie die CDU – einen „Entfesselungspakt“ für die deutsche Wirtschaft. Das ist vielversprechend. So soll die Unternehmenssteuerlast auf 25% (OECD-Durchschnitt) gesenkt werden. Die steuerliche Stellung der Kommunen

soll u.a. durch ein eigenes Hebesatzrecht auf die Körperschafts- und Einkommenssteuer gestärkt werden. Das liest ein Liberaler gern. Auch den Abschnitt über verbesserte Abschreibungsbedingungen. In der Einkommensteuer Spitzen-besteuerung nur für Spitzenverdiener (aber auch schon ab 90.000 Euro Jahreseinkommen). Seit langem kämpft die FDP für die Abschaffung des sog. Mittelstandsbauches in der Steuerkurve und eine Verhinderung automatischer Steuer-erhöhungen über Inflation. Bisher folgenlos gefordert wird eine Vereinfachung der Steuererklärung und eine Ab-schaffung von Bagatell- und Lenkungssteuern. Sie wendet sich gegen immer neue Nothilfen und Rettungsschirme. Auch sie fordert mehr überwiegend private Zukunftsinvestitionen (25% vom BIP).

 

Die Sozialausgaben sollen auf immer noch beträchtliche 50% des Bundeshaushalts begrenzt werden. Sogar eine Schuldenbremse für die Sozialversicherung bringt sie ins Gespräch. Aber auch öffentliche Gründungszuschüsse in

allen Lebenslagen! Erfreulicherweise findet auch der Gedanke der Privatisierung Platz in diesem Programm: So sollen die Staatsbeteiligungen an Post und Telecom und auch an den Banken verkauft, der Bahnverkehr privatisiert werden.

 

Andererseits fordert sie im Interesse des Wettbewerbs Regulierungen für die großen internationalen Digitalunter-nehmen. Sie tritt für internationalen Freihandel (Reform der WTO) und einen großen transatlantischen Wirtschaftsraum ein. Leider gibt es Vorbehalte gegen eine freien internationalen Steuerwettbewerb („unlauteres Steuerdumping ").

Auch ist sie Anhängerin eines europäischen Bundesstaates mit einer echten Verfassung, einem echten Parlament, einer Europäischen Armee und einer teilweise harmonisierten Steuerverfassung. Sie ist auch für eine Bankenunion mit einem europäischen Einlagensicherungsfonds (allerdings erst nach Abbau von Bilanzrisiken). An der Stelle des ESM soll es einen Europäischen Währungsfonds (EWF) geben, während sie gleichzeitig gegen eine Schuldenunion ist. Sie wirbt

auch für eine Energiepolitik mit marktwirtschaftlichen Elementen, auch für eine „Europäische Wasserstoffunion“ und

auf dem Wohnungsmarkt hält sie die marktwirtschaftliche Linie (gegen Mietendeckelung). Die FDP verteidigt das Bargeld und ist alternativen Kryptowährungen nicht abgeneigt.

 

Bildungswesen: überwiegend etatistisch

 

Die FDP plädiert für eine Abschwächung des Bildungsföderalismus (bundesweite Abschlussprüfungen für Mittlere Reife und Abitur). Andererseits plädiert sie für mehr Schulautonomie (Budget, Personalentscheidungen). Von Privatisierung und Entstaatlichung in diesem Bereich ist weniger die Rede. Die Idee der Bildungsgutscheine könnte mehr Wettbewerb bringen, ist aber sozialpolitisch blind. Auch soll es (staatliche) „Talentschulen“ geben. Im Übrigen hat sie ein eher techni-sches Bildungsverständnis. In diesem Abschnitt besonders spricht sie eine bombastische Sprache („weltbeste Schulen“ mit „weltbesten Lehrkräften“ – geht es nicht auch etwas bescheidener?) Es kommen hier und anderen Stellen unnötige Anglizismen vor („Spacemaker“, „Learning Analytics“,“ „Midlife-Bafög“, „Quick freeze Legal Tech“). Schließlich die Idee der Schaffung eines „zweiten Bildungssystems für das ganze Leben“, mit einem „Midlife-Bafög von 1000 Euro“ – was jeden-falls wenig mit Privatinitiative und viel mit einem weiteren Sektor von Bildungsstaatswirtschaft zu tun hat. Auch sonst viel Bildungssozialpolitik: Persönliche Auslandserfahrung auch für Azubis, dafür einen (staatlichen) Austauschdienst nach Vorbild des DAAD, „Azubi-Botschafter“ an Gymnasien, flächendeckende „Jugendberufsagenture ". Das Stipendien-wesen des Bafög nun auch elternunabhängig, womit der ursprünglich sozialpolitische Charakter vollends verlorengeht. Ein leerer Begriff ist die „Modernisierung“, wo man sich gut über dessen Inhalt streiten kann, auch eine Neigung zum rein Technokratischen fällt auf.

 

Energiewirtschaft und Digitalisierung

 

„Technologieoffenheit im Fahrzeugbau“ ist gewiss erfreulich, andererseits wieder der übliche Fördersozialismus, sogar für Dinge und Innovationen, denen angeblich die Zukunft gehört (was eine „Anmaßung von Wissen“ darstellt). Auch an lächerlichen Kleinstforderungen fehlt es in dem Programm nicht, z.B. die Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit von Kleinkrafträdern (von 45 auf 55 Km). Wie kommt so etwas in ein Wahlprogramm?

 

Der technokratische Zug des Programms zeigt sich auch in der Beschwörung der Digitalisierung. Dies ist eine Errungen-schaft der Märkte – nun soll es ein „Ministerium für Digitale Transformation“ geben, also mehr Bürokratie. Auch Gigabit-Gutscheine für kleine und mittlere Unternehmen. Im Einzelnen technologische Feinheiten wie „Vorgabe von security-by-design“, „KI-Road-Map“ und „regulatory sandboxes“ – ein Jargon, der nicht zu einem Wahlprogramm passt.

 

Schwach ist die Position der FDP zum überständigen öffentlichen Rundfunkwesen: Sie fordert ohne weitere Präzisierung eine Auftrags- und Strukturreform. Positiv: die Forderung nach einer Veräußerung der staatlichen Bankenbeteiligung. Sie verteidigt auch das Bargeld und wendet sich gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz.

 

Weiteres zur Gesellschaftspolitik: ambivalent

 

Flexible Arbeitszeiten – gewiss, aber warum überhaupt diese weitgespannten Regulierungen einer Arbeitszeitordnung? „Rechtsanspruch auf Erörterung bei unternehmerischen Entscheidungen“ – also schon wieder mehr Staat im Betrieb. Mehr Frauen in Führungspositionen, aber glücklicherweise ohne starre Quoten. Der „Pay Gap“ sei zu problematisieren (aber gibt es ihn überhaupt?), „Diversity Management in der Arbeitswelt“ eine Anbiederung an die grünrote Linke. Behinderte auf den ersten Arbeitsmarkt („Inklusion“)! Und sogar: Altersvorsorgezwang auch für Selbständige (wie bei der KV) – allerdings noch mit Alternativen im WIE. Eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters wird jeder begrüßen, fragwürdig dagegen ist die Forderung nach einer Basisrente, die höher als die Grundsicherung ist. Im Gesundheits-wesen wird löblicherweise die Therapiefreiheit und (relative) Freiheit der ärztlichen Freiberufler verteidigt. Sehr positiv

ist die Forderung nach mehr Möglichkeiten des Wechsels zwischen GKV und PKV. Recht utopisch und jedenfalls mit sehr viel Kosten verbunden mag das egalitäre Programm für „vollständige und umfassende Barrierefreiheit im öffentlichen Raum“ sein.

 

Auch bei dieser Partei gibt es einen entleerten Familienbegrifff (überall, wo „dauerhaft Verantwortung füreinander übernommen wird“). Familienpolitik jetzt mit „Kinderchancengeld“ und „Elterngeldplus“. Erstaunlicherweise hält diese Partei aber am Splitting-Verfahren fest. Sie will die Anerkennung von Mehrelternschaften (bis vier) und ein Adoptions-recht „für alle“. Eine liberale Familienpolitik sieht anders aus, z.B. mehr Netto für echte Familien.

 

Die FDP schließt sich der LGBTQI-Propaganda an, übernimmt den entleerten Rassismusbegriff, ja tritt auch für einen nationalen Aktionsplan gegen „LGBTQI -Feindlichkeiten“ ein. Den Extremismus sieht sie nur rechts, nicht links.

 

Verschiedenes

 

In Migrationsfragen ist sie für das kanadische Modell – löblich; sie hält Deutschland für ein „klassisches Einwanderungs-land“, was stark übertrieben ist, es ist eher ein klassisches Auswanderungsland. Gesteuerte Einwanderung sei auch notwendig, um das Rentensystem „enkelfit“ zu machen. Sie ist für eine europaweite Verteilung von Flüchtlingen, was bekanntlich bei anderen europäischen Nationen nicht durchsetzbar ist. Verfassungspolitisch ist sie für eine Begrenzung der Amtszeit des Bundeskanzlers auf 10 Jahre, die Herabsetzung des Wahlrechts auf 16 Jahre. Gut ist die Betonung des Konnexitätsprinzips in der Finanzverfassung: Wer bestellt, bezahlt, etwa im Verhältnis vom Bundesstaat zu den Ländern oder den Ländern zu den Kommunen.

 

Prof. Dr. Gerd Habermann ist Wirtschaftsphilosoph, Hochschullehrer und freier Publizist. Er ist seit 2003 Honorar-professor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam und geschäftsführender Vorstand der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.