Welches dritte Geschlecht?
Uwe Steinhoff - 27. September 2021 – Frankfurter Erklärung - Erklärung zur Gleichstellungspolitik
Wenn man, was nicht mehr überflüssig ist, in Deutschland auf den seit Jahrtausenden bekannten Sachverhalt hinweist, daß es nur zwei Geschlechter gibt und die Geschlechtszugehörigkeit von objektiven biologischen Fakten, nicht vom subjektiven Empfinden abhängig ist, wird einem von gewissen Kreisen unter anderem gern das Urteil des Bundes-verfassungsgerichts (BVerfG) zum sogenannten dritten Geschlecht vorgehalten. [1] Dieses Urteil zeigt jedoch lediglich, daß das BVerfG sich hat schlecht beraten lassen und daß der kulturelle Einfluß unwissenschaftlicher Ideologien auch institutionell mächtiger ist, als liberalen Demokraten lieb sein kann. Das Urteil ist nämlich nicht so sehr „progressiv“ denn, wie im folgenden gezeigt wird, begrifflich unklar, empirisch haltlos und logisch unschlüssig.
Im übrigen hat das BVerfG zwar einige Interessengruppen um Rat gefragt – aber keine, die gezielt die Interessen von Frauen vertreten würde. Die im Urteil ausgedrückte offizielle Sorge um Gleichberechtigung wird daher von dem ange-wandten Verfahren konterkariert. Auch inhaltlich werden Frauen von dem Urteil in besonders negativer Weise betroffen, da es, wie schon die Transsexuellenurteile zuvor, abermals die ominöse „Geschlechtsidentität“ über die biologische Realität stellt und es somit Männern erleichtert, in geschützte Bereiche vorzudringen, die aus guten Gründen Frauen vorbehalten werden sollten. Mehr noch, der berechtigte Versuch, solche Eindringlinge abzuwehren und beim Namen („Mann“) zu nennen, wird durch die Geschlechtsidentitätspolitik und der ihr folgenden Rechtsprechung in Diskrimi-nierung umgedeutet. Der Angriff auf Frauenrechte im besonderen und Redefreiheit im allgemeinen erfolgt somit zu allem Überfluß auch noch im Namen der Gerechtigkeit. Engländer nennen dies adding insult to injury. Da sich Grüne und FDP diese Ideologie auf die Fahnen schreiben, könnte sie weiter an gesetzlicher und institutioneller Macht gewinnen.
Der Biologie zufolge gibt es genau zwei Geschlechter
Es ist daher eine wichtige Gegenmaßnahme klarzustellen, daß der Ideologievorwurf durch das Urteil des BVerfG
keineswegs widerlegt, sondern durch dessen Analyse nur bestätigt wird. Indem das BVerfG einen dritten „positiven Geschlechtseintrag“ fordert und sich dabei auf die Medizin beruft, impliziert es schließlich, daß es de facto, nicht nur als juristische Fiktion, ein drittes Geschlecht gibt. Dafür sollte es dann eine sehr gute Begründung haben. Es hat jedoch überhaupt keine. Dies erkennt man, wenn man sich klarmacht, wie eine Begründung für die Existenz einer bestimmten Anzahl von Geschlechtern aussehen müßte. Als erste Prämisse benötigte man eine Definition dessen, was ein Ge-schlecht überhaupt ist. Eine Definition ist nicht einfach nur eine vage Eigenschaftszuschreibung, sondern gibt die notwendigen und hinreichenden Bedingungen dafür an, daß etwas unter einen Begriff fällt. Als zweite Prämisse
(sofern die Definition nicht bereits voraussetzt, was zu beweisen wäre) benötigt man eine für diese Definition relevante empirische These; um sodann drittens aus den beiden Prämissen die Existenz einer ganz bestimmten Anzahl von Geschlechtern logisch abzuleiten. Dies läßt sich am Beispiel des sich wenig überraschend an der sexuellen Fortpflan-zung orientierenden Arguments für die Existenz von genau zwei Geschlechtern veranschaulichen. Definition: Das Geschlecht ist die Entwicklungsrichtung eines Organismus hin auf die Produktion einer bestimmten Art von aniso-gametischen Keimzellen. Weist der Organismus Entwicklungsschritte hin auf die Produktion der einen Art von anisogametischen Keimzellen auf, gehört er dem einen Geschlecht an; weist er Entwicklungsschritte hin auf die Produktion einer anderen Art von anisogametischen Keimzellen auf, gehört er einem anderen Geschlecht an. Empirische Prämisse: Es gibt nur zwei Arten von anisogametischen Keimzellen: große (Eizellen) und kleine (Sperma). Schlußfolgerung: Es gibt genau zwei Geschlechter (weiblich und männlich). Diese Auffassung von Geschlecht und die Affirmation der damit verbunden Zweigeschlechtlichkeit, die mit dem Phänomen der Intersexualität logisch völlig vereinbar ist, findet man in einschlägigen Lehrbüchern und Fachaufsätzen zur Genetik und Entwicklungsbiologie. [2]
Da das BVerfG drei Geschlechter zählt, ohne je zu klären, was ein Geschlecht überhaupt ist, weiß es buchstäblich nicht, wovon es redet (Hervorhebung GB) Das BVerfG will es besser
wissen als diese biologischen Fachtexte. Wie aber könnte es, und zwar logisch und aufgrund empirischer Fakten, zu seiner abweichenden Auffassung kommen? Zum einen könnte es, nobelpreisverdächtig,
einen dritten anisogametischen Keimzellentyp entdeckt haben. Das hat nie-mand. Oder es könnte eine andere Definition von Geschlecht verwenden und sich auf etwas anders als Keimzellen-typen
stützen. Tatsächlich aber findet sich in der Urteilsbegründung überhaupt keine Definition von Geschlecht, wie auch keine Angabe, welches die relevanten empirischen Prämissen sind und
warum sie relevant sind, und mithin erfolgt auch keine logische Ableitung. Kurz, das BVerfG bleibt nicht nur ein logisch schlüssiges Argument für seine These vom dritten Geschlecht schuldig,
sondern erklärt nicht einmal, was es mit „Geschlecht“ über-haupt meint. Es weiß offenbar buchstäblich nicht, wovon es redet. (Hervorhebung GB)
Auch die Bundesärztekammer weiß es nicht
Dies kann nicht weiter überraschen, wenn man berücksichtigt, wo das BVerfG sich Rat holt (Biologen zu fragen, kam
ihm nicht in den Sinn). So beruft es sich für die Feststellung, daß aus „medizinischer Sicht … an einer allein binären Ge-schlechtskonzeption nicht festgehalten werde“ auf eine Stellungnahme der Bundesärztekammer und zitiert diese mit der Erklärung, daß das Geschlecht einer Person mit „Varianten der Geschlechtsentwicklung … nicht mehr eindeutig den biologischen Kategorien ‚männlich’ oder ‚weiblich’ entspreche.“ Die Bundesärztekammer führt hierzu aus, daß unter „Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung … angeborene Variationen der genetischen, hormonalen, gonadalen und genitalen Anlagen eines Menschen mit der Folge verstanden [werden], daß das Geschlecht einer Person nicht mehr eindeutig den biologischen Kategorien ‚männlich’ oder ‚weiblich’ entspricht.“ [3] Da die Bundesärztekammer jedoch auf eine Definition der Begriffe „Geschlecht“, „männlich“ oder „weiblich“ verzichtet, ist die zuerst gemachte Aussage eine bloße Behauptung. Im Lichte der oben angeführten biologischen Definitionen ist diese Behaup-tung zudem falsch. (Hervorhebung GB)
Verschiedene genetische und hormonale Einflüsse sind lediglich ein Mechanismus, welcher in Organismen die Ent-wicklung in Richtung der Produktion von kleinen oder großen Keimzellen verursacht,
aber es ist diese gerichtete Ent-wicklung selbst, welche das biologische Geschlecht definiert, nicht der sie verursachende Mechanismus (der zwischen verschiedene Arten erheblich differieren kann
und innerartlich nicht in jedem individuellen Fall denselben Effekt zeitigt). [4] Dies bedeutet auch, daß Individuen mit biologischen Störungen der sexuellen Entwicklung mitnichten die
Binarität des Geschlechts in Frage stellen. Sie lassen sich meist eindeutig dem einen oder dem anderen Ge-schlecht oder vielleicht sogar beiden zuordnen, aber immer eindeutig keinem dritten, da
es keinen dritten Keimzellentyp gibt. (Hervorhebung GB)
Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie weiß es auch nicht
Des weiteren zitiert das BVerfG die Deutsche Gesellschaft für Psychologie mit der Erklärung, das Geschlecht sei „ein mehrdimensionales Konstrukt, dessen Entwicklung durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener körperlicher, psychosozialer und psychosexueller Einflussfaktoren bedingt” sei (eine ähnliche, etwas kürzere Formulierung findet sich auch bei der Bundesärztekammer). Auch dies ist jedoch keine Definition, sondern klingt wie eine Entschuldigung für die eigene Unfähigkeit, eine zu geben: Es ist halt so kompliziert. Daß dies in der Tat keine Definition von Geschlecht ist, sieht man unter anderem daran, daß auch ein Swingerclub ein mehrdimensionales Konstrukt ist, dessen Entwicklung durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener körperlicher, psychosozialer und psychosexueller Einflußfaktoren bedingt ist. Aber ein Swingerclub ist kein Geschlecht. Jedoch ist er in der Tat ein Konstrukt, sogar ein soziales, etwas von Men-schen Geschaffenes. Vom Geschlecht kann man das nicht sagen. Das existierte schon bei Algen lange vor der Menschheit.
Der Ethikrat weiß nicht einmal zwischen Worten und Dingen zu unterscheiden
Auch der deutsche Ethikrat, eine andere Institution, auf die das BVerfG sich beruft, weiß anscheinend nicht zwischen biologischen Phänomen und sozialen Konstrukten zu unterscheiden – ein typischer Fehler jener, die der (unter Gender-ideologien akzeptierten) Philosophie des sozialen Konstruktivismus folgen. So erklärt der Ethikrat in seiner ausführlichen Stellungnahme zur Intersexualität, es handele sich beim Geschlecht „um eine komplexe Kennzeichnung, die sich aus der Kombination mehrerer, ganz unterschiedlicher Eigenschaften ergibt. Diese treten auf der genetischen, hormonellen und anatomischen Ebene in Erscheinung. Hinzu kommt die Selbstwahrnehmung der betreffenden Menschen, die sich einem Geschlecht, beiden Geschlechtern oder keinem Geschlecht als zugehörig empfinden, sowie ihre soziale Zuordnung zu einem Geschlecht, das heißt die Einordnung durch andere.“ [5]
Das Geschlecht als „Kennzeichnung“ zu bezeichnen ist ein Kategorienfehler. Man muß zwischen erstens Be-griffen/Klassifikationen, zweitens Worten/Kennzeichnungen, und drittens den von diesen Begriffen klassi-fizierten oder diesen Worten gekennzeichneten Dingen unterscheiden. (Hervorhebung GB)
Spanier und Deutsche etwa klassifizieren bestimmte Dinge in derselben Weise, zum Beispiel Wespen. Sie begreifen sie als derselben Klasse zugehörig; sie haben somit einen Begriff von Wespen.
Diesen Begriff drücken sie jedoch mit zwei unterschiedlichen Worten aus, nämlich „avispa“ und „Wespe“. Offenbar sind aber Begriffe sowie Worte wie „avispa“ und „Wespe“ selbst keine Wespen, was
man daran erkennt, daß Wespen manchmal fliegen und stechen, Worte und Begriffe hingegen nicht. Und Wespen sind für ihre Existenz nicht von der Existenz menschlicher Worte und Begriffe abhängig.
Menschliche Worte und Begriffe schon. Klassifizierungen und Worte sind also sozial konstruiert, das gilt auch für das Wort „Geschlecht“. Wespen sind es nicht. Das Geschlecht auch nicht.
Es ist, was es ist. (Hervorhebung GB)
Die vom Ethikrat definitionsfrei betriebene Inflation der „Geschlechter“ ist konzeptuell verworren
Also was ist es? Darauf gibt der Ethikrat keine Antwort. Er unterscheidet zwar, wie wir gerade sahen, zwischen biolo-gischem, psychischem und sozialem Geschlecht. Er liefert aber für keins dieser sogenannten Geschlechter eine Defini-tion, das heißt, die Angabe notwendiger und hinreichender Bedingungen dafür, eins dieser Geschlechter zu sein. Zwar finden sich im Glossar des Textes Angaben, die offenbar als Begriffsklärungen dieser drei vermeintlichen Geschlechts-begriffe gemeint sind. Sie klären aber tatsächlich nichts und sind keine Definitionen. So steht im Glossar unter „Ge-schlecht, biologisch“: „Körperliches Geschlecht (auch als sex bezeichnet), das das chromosomale, gonadale und hormo-nale Geschlecht umfasst.“ Daß dies nichts klärt, sieht man, wenn man das Wort „Geschlecht“ mit dem Wort „Bruzni“ ersetzt: „Bruzni, biologisch: Körperliches Bruzni (auch als schnarz bezeichnet), das das chromosomale, gonadale und hormonale Bruzni umfasst.“ Wissen Sie jetzt, was ein biologisches Bruzni ist? Offenbar nicht. Dafür müßte man Ihnen zunächst erklären, was ein Bruzni (oder schnarz) ist. Ebenso müßte der Ethikrat zunächst erklären, was ein Geschlecht (oder sex) ist. Zu diesem Begriff findet sich im Glossar jedoch bemerkenswerterweise kein Eintrag.
Zudem redet der Ethikrat vom männlichen oder weiblichen Geschlecht. Es ist aber offensichtlich, daß das Wort „Ge-schlecht“ in „männliches Geschlecht“ nicht dasselbe meinen kann wie das Wort „Geschlecht“ in „psychisches Ge-schlecht.“ Dies erkennt man am verunglückten folgenden Dialog: „War der Verdächtige männlichen Geschlechts?“ „Nein, Herr Kommissar, psychischen Geschlechts.“ Und natürlich verweigert der Ethikrat dem Leser wiederum jedwede Definition, was er mit Geschlecht im ersten und was mit Geschlecht im zweiten Sinne meint. Klar aber ist, daß der Ethik-rat offenbar glaubt, das Geschlecht im ersten Sinne sei irgendwie durch die „Kombination“ der drei anderen (biologi-schen, psychischen und sozialen) sogenannten Geschlechter konstituiert. Wie genau? Auch dies erklärt der Ethikrat nicht. Voraussehbar also führt der inflationäre Gebrauch des Wortes „Geschlecht“ nicht zu analytischer Klarheit, sondern zu konzeptueller Konfusion.
„Geschlechtsidentität“: Die eingebildete Fähigkeit der Mitglieder des Ethikrates, sich mit etwas zu identifizieren, von dem sie nicht wissen, was es ist
Das Ausmaß der Konfusion zeigt sich auch darin, daß der Ethikrat die „Geschlechtsidentität“, also das „psychische Ge-schlecht“, mal als „Sammelbezeichnung“ und mal als „inneres Gefühl“ bezeichnet. [6] Mindestens eins von beiden ist falsch, denn Bezeichnungen sind keine Gefühle. Bleiben wir bei der weniger unplausiblen zweiten Version. Der Ethikrat meint: „Unter Geschlechtsidentität ist dabei das innere Gefühl eines Menschen zu verstehen, sich einem Geschlecht zugehörig zu fühlen, wobei sich dies darauf beziehen kann, weiblich, männlich oder auch anders zu sein.“ [7] Nun hat der Ethikrat aber nicht definiert, was ein Geschlecht ist, auch nicht, was ein weibliches, männliches oder anderes Ge-schlecht ist. Wie, fragt man sich, bringen Mitglieder des Ethikrates ein Zugehörigkeitsgefühl zu etwas auf, von dem sie nicht wissen, was es ist? (Hervorhebung GB) Wie kann man sich als Bruzni fühlen, wenn man nicht weiß, was ein Bruzni ist? Genderkritische Feministinnen scheinen einen Punkt zu haben, wenn sie „Geschlechtsidentität“ für einen sinnlosen Begriff halten.
Irrtümer darüber, welchem von zwei Geschlechtern man angehört, schaffen kein drittes
Der Ethikrat erklärt zudem die „sexuelle Identität“ (gemeint ist die Geschlechtsidentität) müsse „dem Körpergeschlecht nicht entsprechen und kann in einem Spannungsverhältnis dazu stehen.“ [8] Da der Ethikrat weder das eine noch das andere definiert, gibt es tatsächlich keine Grundlage für die Unterstellung, das „Körpergeschlecht“ sei etwas anderes als die „Geschlechtsidentität.“ Aber nehmen wir an, es ist etwas anderes. Woher kommt dann das „Spannungsverhältnis“? Wenn eine „weibliche Geschlechtsidentität“ meint, sagen wir stereotyp, daß man rosa Kleidung mag und gern Liebes-filme schaut und sich in diesem Sinne eher „feminin“ fühlt, dann gibt es ein „Spannungsverhältnis“ zum männlichen Körpergeschlecht allenfalls in den Köpfen von Menschen mit einem starren Verständnis von Geschlechterrollen. Def-iniert man hingegen das „Körpergeschlecht“ als Entwicklungsrichtung hin auf die Produktion einer der beiden anisoga-metischen Keimzellen und die „Geschlechtsidentität“ als das „Gefühl“, körperlich einem bestimmten dieser beiden bio-logischen Geschlechter anzugehören, dann kann es sehr wohl ein Spannungsverhältnis geben – jedoch nur in Form eines Irrtums. Irrtümer darüber aber, welchem von zwei Geschlechtern man angehört, schaffen kein drittes.
Das BVerfG irrt über die Biologie so sehr wie über Diskriminierung
Somit fehlen dem BVerfG sowohl die analytischen als auch die empirischen Grundlagen für sein Urteil. Es ist schlicht unmöglich, ein nicht-existentes drittes Geschlecht dadurch zu diskriminieren, daß man Paßkenn-zeichnungen nur für die beiden existierenden Geschlechter zuläßt. (Hervorhebung GB)
Die Beschwerdeführende selbst etwa weist nach Aussagen des BVerfG einen atypischen Chromosomensatz auf, der als Turner-Syndrom bezeichnet wird. Es gibt verschiedene Ausprägungen des
Turner-Syndroms, aber in diesem Falle wies die Beschwerdeführende die sogenannte klassische Variante auf (Fehlen eines X-Chromosoms), nicht eine mosaische Variante, bei denen Körperzellen auch
ein Y-Chromosom enthalten können. Das BVerfG erklärt, die Einordnung dieser Person als Frau sei „fehlerhaft“. Tatsächlich aber sind Menschen mit klassischem Turner-Syndrom im Sinne der
oben angegebenen biologischen Definition – und nochmals: eine alternative Definition hat das BVerfG nicht zu bieten – immer weiblich, [9] und die Ärzte hatten das weibliche Geschlecht bei der
Geburt auch ganz richtig festgestellt. Dem Duden zufolge wiederum sind erwachsene Personen weiblichen Geschlechts Frauen. Also handelt es sich bei der beschwerdeführenden Person um eine
Frau. (Hervorhebung GB)
Das BVerfG meint aber zudem, ein solcher Eintrag entspreche nicht ihrer „Geschlechtsidentität“ und erklärt: „Verlangt das Personenstandsrecht einen Geschlechtseintrag, verwehrt es einer Person
aber zugleich die personenstandsrecht-liche Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität, ist die selbstbestimmte Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit dieser Person spezifisch gefährdet.”
Erstens gibt es keine validen empirischen Studien dazu, wie sich Einträge des Geschlechts im Personenstandsregister auf die Persönlichkeit von Personen auswirken. Zweitens müßte man nach
derselben Logik dann auch Reichsbürgern ihren Eintrag als solche bewilligen, sofern die simple Notierung „deutsch“ ihrer „nationalen Identität“ widerspricht und somit die Wahrung ihrer
Persönlichkeit „spezifisch gefährdet“. Drittens notiert der Paß das Geschlecht, nicht die „Geschlechtsidentität“, so wie er ja auch tatsächliche Nationalität, Größe und Augenfarbe notiert, nicht
„Augenfarbenidentität“. Viertens gäbe es eine tatsachenkonforme Lösung des vermeintlichen Anerkennungsproblems: Man trägt sowohl das Geschlecht als auch die „Geschlechtsidentität“ ein, etwa
„männlich“, „betrachtet sich als weiblich.“ Natürlich wird das Frauen, die sich einem „dritten Geschlecht“ zugehörig fühlen und Männer, die sich für Frauen halten, nicht in jedem Fall
zufriedenstellen, denn zwar längst nicht alle, aber doch viele solcher Personen wollen nicht nur „anerkannt“ sehen, daß sie entsprechende Gefühle haben, sondern vor allem, daß diese der Realität
entsprechen. Jedoch ist es nicht Aufgabe des Staates, die Gefühlsregungen oder Selbsteinschätzungen seiner Bürger in deren Pässe einzutragen und als realistisch „anzuerkennen.“ Wenn er dies bei
niemandem tut, ob sie sich nun mit ihrem Geschlecht oder ihrer Größe „identifizieren“ oder nicht, behandelt er alle gleich. Von Diskriminie-rung kann daher von vornherein keine Rede sein.
Umgekehrt ist es aber sehr wohl Pflicht des Staates, seine Bürger nicht dazu zu zwingen, Personen wider besseren Wissens und Gewissens als etwas „anzuerkennen“, was sie nicht sind. Solcher Zwang
widerspräche dem Persönlichkeitsrecht sowie der Gewissens- und Meinungs-freiheit. (Hervorhebung GB)
Das angebliche Diskriminierungsproblem wird durch Einführung des „dritten Geschlechts“ ohnehin nicht beseitigt – man benötigte eine hemmungslose Inflation von weiteren „Geschlechtseinträgen“
Im übrigen löst die Einführung eines imaginierten „dritten Geschlechts“ das angebliche Problem nicht einmal. Die Beschwerdeführende erklärt, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht werde verletzt, wenn sie sich in ein „binäres System“ einordnen müsse, das ihrem eigenen „Identitätsempfinden“ nicht entspreche. Das BVerfG gibt ihr recht und proklamiert das dritte Geschlecht. Unglücklicherweise gibt es jedoch auch zahllose Menschen, denen selbst ein triadisches System zu eng ist. Ein Blick auf die kindisch wenn nicht närrisch anmutende immer länger werdende Liste von vermeintlichen Geschlechtern auf Facebook genügt. [10] Warum aber sollten dann nicht auch all die anderen „Geschlechtsidentitäten” im Paß ihre „Anerkennung“ finden? Man kann nur hoffen, daß das BVerfG dem Kaninchen der Genderideologie nicht bereits so weit in den Bau gefolgt ist, daß es bereit ist, eine solche schrankenlose Geschlechterinflation mitzutragen. Doch die Geister, die es rief, kann es vor dem Hintergrund seines eigenen Urteils nur noch mit purer Willkür dämmen, nicht mehr mit rationaler Argumentation. So mag es vielleicht sagen, daß Notierungen wie „drittes Geschlecht“ oder „divers“ Sammelbezeichnungen für all die anderen Geschlechter seien. Aber dies hilft nicht, denn ist es nicht „diskriminierend“, wenn „männlich“ und „weiblich“ einen eigenen Eintrag bekommen, aber all die vermeintlichen anderen Geschlechter oder „Geschlechtsidentitäten“ de facto unter „ferner liefen“ verbucht sind? Oder aber das BVerfG behauptet, es sei eine objektive Tatsache, daß es genau drei „positive“ Geschlechter gebe. Dafür hat es jedoch kein Argument angeführt, ja, es mangelt an jedweder Grundlage für ein Argument. Umgekehrt wurde für die Existenz von genau zwei Geschlechtern das auf empirischen Fakten und einer klaren Definition beruhende logisch schlüssige Argument oben bereits gegeben. In einer liberalen, der Aufklärung verpflichteten Demokratie aber ist ein binäres System, für daß es schlüssige Argumente gibt, einem triadischen, für das es keins gibt, sicher vorzuziehen.
Wenn ideologische und Geschäftsinteressen vermeintlich objektiver Ratgeber konvergieren
Die Haltlosigkeit des Urteils des BVerfG ist bedauerlich genug, aber ihrerseits Ausdruck sowohl tiefer liegender als auch allgemeinerer Probleme. Zum einen ist das BVerfG nicht gut beraten, wenn es Organisationen wie die Bundesärzte-kammer und die Deutsche Gesellschaft für Psychologie quasi als Quellen objektiven wissenschaftlichen Rats in Anspruch nimmt. Bei der ersten handelt es sich erklärtermaßen um einen Interessenverband, und derweil die zweite angeblich nur gemeinnützige Zwecke verfolgt, arbeitet sie mit den psychologischen Berufsverbänden zusammen. In jedem Falle werden einige Mitglieder beider Organisationen durchaus Interessen haben, welche mit jenen der Genderideologie übereinstimmen.
„Therapien“ für die seit Kurzem erschreckend steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen, die sich von der Genderideologie animiert „im falschen Körper“ wähnen (man siehe Abigail Shrier’s
Buch Irreversible Damage), sind eine gute Einnahmequelle; vor allem, wenn sie, wie die Genderideologie fordert, „affirmativ“, daß heißt den Patienten in seinem Glauben bestärkend
verlaufen. Diese „Affirmation“ führt den Patienten auf einen langen und letztlich in der Tat irreversiblen Weg, den der Therapeut und Arzt über Jahre lukrativ begleiten kann. Dies soll weder
heißen, daß Hormongaben und operative Eingriffe an den Geschlechtsmerkmalen (die Rede von „Geschlechtsumwandlung“ ist irreführend) immer und grundsätzlich falsch sind, noch daß es nicht
zahlreiche Ärzte und Psychologen gäbe, die der Genderideologie und der Forderung unkritischer Affirmation mit Skepsis oder offener Ablehnung gegenüberstehen. Nichtsdestoweniger wäre es blauäugig
anzunehmen, daß es nicht auch jene gäbe, bei denen ideologische Ausrichtung und finanzielle Interessen unheilvoll konvergieren. Sich ihrer selbst unsichere Jugendliche, die ohne hormonelle und
chirurgische Eingriffe besser dastehen würden, sind Leidtragende dieser Konstellation. Die Enthüllungen um die britische Tavistock „Genderklinik“ bestätigen dieses Bild und dürften nur die Spitze
des Eisbergs sein. [11] (Hervorhebung GB)
(Trans)Genderideologie, „sozialer Konstruktivismus“ und die Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit
Das noch grundsätzlichere Problem freilich ist der kulturelle Einfluß der Genderideologie selbst, welche ihrer-seits auf der philosophischen Irrlehre des sozialen Konstruktivismus aufbaut. Diese Lehre sucht den Unterschied zwischen Worten oder „Diskursen“ einerseits und Dingen andererseits einzuebnen. (Hervorhebung GB)
Frauen (interessanterweise wird in diesem Zusammenhang weniger von Männern geredet) sind demnach „sozial konstruiert“, nicht biologisch gegeben. Daß solche Irrlehren zu hanebüchenen Verwirrungen führen, steht zu erwarten. Exemplarisch sei hier auf einen das Urteil kommentierenden Artikel in der Zeit verwiesen, [12] in dem die Autorin Antje Schrupp erklärt, die Bedeutung von Wörtern sei „immer ein Ergebnis langfristiger gesellschaftlicher Aushandlungs-prozesse“. Wenn man „Aushandlungsprozesse“ metaphorisch versteht, ist dies richtig, aber dennoch kann man zum Beispiel transsexuelle Männer nicht zu Frauen oder Äpfeln machen, indem man sich darauf verständigt, die Worte „Frau“ oder „Apfel“ auf transsexuelle Männer anzuwenden. Dann würden zwar in Zukunft transsexuelle Männer als „Frauen“ oder „Äpfel“ bezeichnet werden, aber da in der regulären deutschen Sprache dieses Artikels die Worte „Frau“ und „Apfel“ weder auf gegenwärtige noch zukünftige transsexuelle Männer angewendet werden, bliebe und bleibt die Feststellung richtig, daß transsexuelle Männer keine Frauen sind und auch nie sein werden.
Auch gegenwärtige sektiererische Privatbedeutungen ändern dies nicht. So erkennt Schrupp zwar die „reproduktive Differenz“ an, doch will sie diese genderideologisch sogleich „von der Geschlechterdifferenz … lösen“, nämlich mit der Erklärung „Männer gebären Kinder.“ Zum Beweis verlinkt sie zu einem englischen Artikel, der davon berichtet, daß ein „Transgendermann gebärt“ habe. Hier offenbart sich abermals die Konfusion zwischen Worten und Dingen. Man muß nämlich unterscheiden zwischen der normalsprachlich verfaßte Nachricht über eine wissenschaftliche Sensation und der in sensationsheischend idiosynkratrischer Sprache verfaßten Nachricht über eine Banalität. Wenn eine Sekte das Wort „Transauto“ erfindet und definiert, daß etwas ein „Transauto“ genau dann ist, wenn es eine Elefantenkuh ist, die einmal an einem Auto vorbeigegangen ist, dann lehrt uns die von dieser Sekte verkündete Botschaft „Ein Transauto hat gebärt“ nichts Neues über Schwangerschaften oder Autos. Da analog „Transgendermann“ lediglich die idiosynkratische Bezeichnung für transsexuelle Frauen ist, sagt der verlinkte Bericht gleichermaßen nur, daß eine transsexuelle Frau, keineswegs ein Mann, gebärt hat. Dies unterminiert nicht, sondern bestätigt die Validität der Unterscheidung von Männern und Frauen.
Beunruhigend konstruktivistisch klingt auch die von der Bundesärztekammer getätigte Aussage, die „Diskussion um die Nomenklatur“ verdeutliche, „dass die Medizin nicht eine rein naturwissenschaftlich geprägte Disziplin darstellt, sondern in Inhalt und Ausdruck auch kulturell geprägt wird und damit aktuellen gesellschaftlichen Strömungen unterliegt.“ [13] In einem trivialen Sinne ist dies richtig, nämlich in dem Sinne, in dem Franzosen ihre Resultate eher in einer französi-schen statt deutschen Nomenklatur zum Ausdruck bringen und puritanische Zeitalter allzu explizite Nomenklaturen vermeiden. Aber erstens wird die Bundesärztekammer diese Aussage nicht getätigt haben, um lediglich Triviales zum Ausdruck zu bringen, und zweitens gilt die triviale Aussage auch für rein naturwissenschaftlich geprägte Disziplinen. Es ist also zu befürchten, daß die Bundesärztekammer durchaus mehr aussagen will, nämlich daß auch die Wahrheit der in einer bestimmten Nomenklatur aufgestellten medizinischen Behauptung von kulturellen Einflüssen abhängt statt ledig-lich von den mit der Behauptung konstatierten Fakten. Doch diese Aussage ist für die Medizin ebenso falsch wie für die Naturwissenschaften.
Im übrigen ist die Rede von „Aushandlungsprozessen“ und „gesellschaftlichen Einflüssen“ im Kontext der Genderideologie verharmlosend. Genderideologen versuchen ihren Sprachgebrauch mit massivem sozialen Druck, Diffamierungskampagnen und cancel culture durchzusetzen. Das kürzlich gegründete Netzwerk Wissen-schaftsfreiheit hat sich nicht zufällig auch im Widerstand gegen den genderideologischen Druck formiert. [14] (Hervorhebung GB)
Und in der Tat ist die Wissenschaft gegen ideologischen und moralistischen Aktivismus, der ihre Ergebnisse im Sinne einer vermeintlich a priori erkannten Wahrheit zensieren und ihre Terminologie zugunsten eines ideologischen Neusprech säubern und verzerren will, entschieden zu verteidigen. Sonst fällt sie als objektiver Ratgeber nicht nur für Politik und Juristen, sondern auch für den Normalbürger mit fatalen Folgen aus.
Wenn das BVerfG nicht zwischen neuen Erkenntnissen einerseits und ideologisch motivierten neuartigen Verwendungen von Worten andererseits unterscheiden kann, sind Liberalismus und
Demokratie gefährdet (Hervorhebung GB)
Dies genau zeigt daß Urteil des BVerfG. Vermeintlich objektive Ratgeber, einschließlich des Ethikrates, haben als Tran-smissionsriemen für eine Ideologie gedient, der sich das BVerG offenbar nicht zu entziehen wußte – oder auch wollte. Vielleicht liegt dies daran, daß es selbst Schwierigkeiten hat, zwischen neuen Erkenntnissen in der Sache und lediglich neuen Verwendungen von Worten zu unterscheiden. So erklärt es: „Dass dem Verfassungsgeber 1949 bei der Formu-lierung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG kaum Menschen weiteren Geschlechts vor Augen gestanden haben dürften, hindert die Verfassungsinterpretation nicht daran, diese Menschen angesichts des heutigen Wissens um weitere geschlechtliche Identitäten in den Diskriminierungsschutz einzubeziehen.“ Das BVerfG suggeriert, daß es hier neues Wissen gebe und dies für die Auslegung der Verfassung relevant sei. Da irrt es sich. (Hervorhebung GB)
Ein Beispiel mag helfen. Nehmen wir an, das BVerfG fällt das Urteil, daß die absichtliche Tötung aus niedrigen Beweg-gründen von Rothaarigen kein Mord sein kann, da Rothaarige, wie angeblich neue Erkenntnisse beweisen, keine Men-schen sind. Dieses Urteil wäre völlig verfassungskonform, wenn man tatsächlich herausgefunden hätte, daß Rothaarige keine Menschen sind. Wie hätte man dies herausfinden können? Nun, in einem Science Fiction Szenario zum Beispiel, indem man mithilfe neuer Verfahren und empirischer Untersuchungen entdeckt, daß Rothaarige nur nanotechno-logisch unglaublich avancierte Roboter sind, Infiltratoren einer vermutlich außerirdischen Macht. In diesem Fall wäre das Urteil verfassungsgemäß, weil es das in der Verfassung implizit vorausgesetzte biologische Verständnis von „Mensch“ akzeptiert und eben ganz richtig feststellt, daß Rothaarige keine Menschen im Sinne der Verfassung sind.
Betrachen wir nun ein zweites Szenario. Hier kommt das BVerfG zu seinem Urteil, weil es ratgebenden Organisationen glaubt, daß erstens Rothaarige sich im Gegensatz zu anderen nicht mit ihrem Menschsein „identifizieren“ und daß zudem „Speziesidentität“ in Form der Identifikation mit der menschlichen Spezies Teil der Bedeutung von „Mensch“ sei. Selbst jedoch, wenn es in diesem Szenario wahr wäre, daß Rothaarige sich im Gegensatz zu anderen nicht als Menschen identifizieren, so wäre dies verfassungsrechtlich dennoch irrelevant, da der in der Verfassung vorausgesetzte Begriff des Menschseins die Zugehörigkeit zur Spezies Mensch keineswegs von der Selbstidentifikation, sondern allein von den bio-logischen Fakten abhängig macht. Anders gesagt, das BVerfG hätte in diesem zweiten Szenario, anders als im ersten, den Boden der Verfassung verlassen, weil es die Bedeutung, die deren Worte haben, bei der Rechtsprechung ignoriert oder verdreht.
Analoges gilt für „Geschlecht“ und „Geschlechtsidentität.“
Es ist eine Sache, ein drittes Geschlecht tatsächlich zu entdecken, nämlich indem man einen dritten Keimzellen-typ entdeckt. Es ist eine völlig andere Sache, die in der Verfassung vorhandenen Begriffe von Mann, Frau und Geschlecht umzudefinieren oder zu verdunkeln, indem man der in der Verfassung überhaupt nicht vorkommen-den „Geschlechtsidentität“ immense Wichtigkeit zuschreibt und behauptet, daß Geschlecht sei von der „Ge-schlechtsidentität“ irgendwie mitbestimmt. Den in der Verfassung verwendeten Geschlechtsbegriff hat man damit hinter sich gelassen, und zwar mit einiger Willkür. Man kann ein solches Vorgehen getrost 'illiberal' nennen. Zudem ist es auch undemokratisch. Wenn von einer demokratischen Mehrheit verabschiedete Gesetzestexte, die Frauen besonderen Schutz durch Frauenhäuser, Frauengefängnisse oder Frauensport oder auch besondere Vorteile durch Frauenquoten zugestehen, durch die ideologische Umdeutung des Wortes „Frau“ ausgehebelt werden, so ist dies ein Affront gegen die demokratische Selbstbestimmung – und gegen Frauen. Solche Probleme lassen sich vermeiden, wenn man an dem tatsächlich in der Verfassung und der deutschen Sprache vorausgesetzten Geschlechtsbegriff festhält. Dieser ist biologisch und objektiv und impliziert in Konjunktion mit empirischen Fakten die Zweigeschlechtlichkeit. (Hervorhebung GB)
© Uwe Steinhoff 2021
[1] BVerfG, „Beschluss des Ersten Senats vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 -, Rn. 1-69,
http://www.bverfg.de/e/rs20171010_1bvr201916.html.
[2] Siehe etwa Jussi Lehtonen und Geoff A. Parker, „Gamete competition, gamete limitation, and the evolution of two sexes“, Molecular Human Reproduction 20(12) (2014), S. 1161–1168. Douglas J. Futuyma, Evolutionary Biology, Third Edition. Sinauer Associates, Sunderland 1998: „ANISOGAMOUS organisms have large (eggs) and small (sperm) gametes, defining male and female sexual functions.“ Astrid Kodric-Brown and James H. Brown, „Anisogamy, sexual selection, and the evolution and maintenance of sex“. Evolutionary Ecology 1 (1987), S. 95-105, hier S. 98: „The essence of maleness and femaleness is the production of either small, mobile or large, nutritive gametes, respectively.“ Ebenso unerhaltsam wie lehrreich und leicht zugänglich ist der blog der Entwicklungsbiologin Emma Hilton: https://fondofbeetles.wordpress.com/2019/07/22/from-humans-to-asparagus-females-are-females/. Für eine philosophische Explikation des biologischen Geschlechtsbegriffs siehe Alex Byrne, „Is Sex Binary? The answer offered in a recent New York Times opinion piece is more confusing than enlightening“, https://medium.com/arc-digital/is-sex-binary-16bec97d161e, abgerufen am 27. April 2021.
[3] Vorstand der Bundesärztekammer, „Stellungnahme der Bundesärztekammer: Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung (Disorders of Sex Development, DSD), Deutsches Ärzteblatt (30. Januar 2015´), S. 2. DOI: 10.3238/arztebl.2015.stn_dsd_baek_01.
[4] https://fondofbeetles.wordpress.com/2019/07/22/from-humans-to-asparagus-females-are-females/.
[5] Deutscher Ethikrat, „Intersexualität: Stellungnahme“. Deutscher Ethikrat, Berlin 2012, S. 27.
[6] Ibid., S. 33, 74, Fn. 95, und 191.
[7] Ibid., S. 74, Fn. 95.
[8] Ibid., S. 34.
[9] Zum Turner-Syndrom siehe umfassend Patricia Y. Fechner (Hrsg.), Turner Syndrome. Pathophysiology, Diagnosis and Treatment. Springer, Cham 2020. Übrigens sind wohl auch Patientinnen mit mosaischer 45, X0/46, XY-Variante weiblich, wenn auch vielleicht weniger „eindeutig.“
[11] https://www.bbc.com/news/uk-56539466; https://www.bbc.com/news/uk-55282113.
[13] Vorstand der Bundesärtzekammper, „Stellungnahme der Bundesärztekammer: Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung (Disorders of Sex Development, DSD), Deutsches Ärzteblatt (30. Januar 2015´), S. 2. DOI: 10.3238/arztebl.2015.stn_dsd_baek_01.
[14] https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de/.
Quelle:
und von demselben Autor: https://www.cicero.de/kultur/kulturkampf-transgender-ideologie-totalitaer-cancel-culture?utm_source=cicero_newsletter
Kommentar GB:
Der Text illustriert meine These, daß Juristen als Normspezialisten keinerlei ontologische Urteile abgeben können.
Tun sie es dennoch, dann dilettieren sie.
Als Normspezialisten bewegen sich Juristen geistig im Horizont des Alltagswissens des eigenen Kulturkreises. Das fehlende Fachwissen bezüglich beliebiger Fächer (Biologie, Orientalistik, Ökonomik, usw.) muß von fachlicher Seite durch Gutachter eingeführt werden, aber das Risiko, daß es sich dabei nicht um den „state of the art“ handelt, ist beträchtlich. Denn die fehlende ontologische Urteilsfähigkeit bedingt zugleich die Unfähigkeit, Gutachter auszuwählen, weil es abgesehen von bloß plausibel klingenden Auswahlkriterien kein juristisches Kriterium dafür gibt, solche Gut-achter zu bestellen, die tatsächlich in der Lage wären, den „state of the art“ zu referieren. Daher dürfte die tatsächliche juristische Praxis unvermeidlich eine dezisionistische, also eine willkürliche sein. Es kann und dürfte daher in der Regel sehr leicht dazu kommen, daß Juristen sich solche Gutachter suchen, die nicht etwa unabhängig den "state of the art" referieren, sondern solche, von denen erwartet werden kann und erwartet wird, daß sie sich – aus welchen Gründen auch immer – den Vorurteilen der auswählenden Juristen unterzuordnen bereit sind. Und das ist kein erfreuliches Ergebnis.
https://www.bverfg.de/e/rs20171010_1bvr201916.html
https://frankfurter-erklaerung.de/2021/10/welches-dritte-geschlecht/
Die Frankfurter Erklärung zum sog. Dritten Geschlecht vermeidet die beiden relevanten Themen der Transidentität und der Transsexualität
Biologisch verstanden mag es weder phänotypisch noch genotypisch ein drittes menschliches Geschlecht geben. Aber es gibt das psychologische Phänomen der Transidentität, bei dem Menschen aus welchen psychologischen Gründen und neurophysiologischen Ursachen auch immer eine gewisse Diskrepanz zu ihrem biologischen Geschlecht empfinden. Sie haben dann oft vorübergehend, manchmal jedoch dauerhaft das Gefühl, "im falschen Körper" zu leben. Und es gibt das recht seltene Phänomen der Transsexualität, bei dem Menschen sich nach ihrer Geburt aufgrund ihrer genetisch bedingten oder embryonal entwickelten körperlichen Geschlechtsmerkmale keinem der beiden biologischen Geschlechter eindeutig zuordnen lassen. Früher sprach man von Hermaphroditen oder Zwittern.
Das psychologische Phänomen der Transidentität tritt meistens schon vor der Pubertät bei Jungen und Mädchen und nicht erst bei erwachsenen Männern und Frauen auf. Transidente Jungen und Mädchen können sich sich aus welchen neuropsychologischen Ursachen und psychologischen Gründen auch immer nicht voll und ganz mit dem Geschlecht ihres äußerlich sichtbaren Körpers identifizieren und fühlen sich dauerhaft und eindeutig dem entgegengesetzten Geschlecht zugehörig. Da sie zumindest nach der Geburt ihrem äußerlich sichtbaren Geschlecht gemäß behandelt wurden, tritt das Problem dieser Diskrepanz erst zutage, wenn sich Kinder noch vor der Pubertät anfangen mit dem jeweils anderen Geschlecht zu identifizieren. Das zeigt sich meistens zu erst daran, dass sie zum einen als Jungen Mädchenkleider bevorzugen und lieber mit Puppen oder ähnlichen Dingen spielen, die für Mädchen typisch sind oder daran, dass sie als Mädchen Jungenkleider bevorzugen und lieber mit Autos oder ähnlichen Dingen spielen, die für Jungen typisch sind. Eine solche psychische Diskrepanz kann bereits recht früh in der Kindheit und Jugend -- meistens schon vor der Pubertät -- auftreten. Es kann durchaus nur vorübergehend sein und sich sozusagen "auswachsen".
Aber in selterenen Fällen kann das transidente Selbsterleben auch psychologisch so stabil sein, dass eine natürliche Diskrepanz zwischen dem körperlichen Geschlecht und den neurophysiologischen Dispositionen für ein abweichendes Geschlechtsempfinden angenommen werden muss. Betroffene Kinder mit einer solchen recht seltenen dauerhaften Transidentität brauchen nicht nur ein verständnisvolles persönliches Umfeld, sondern in der Regel auch eine ergebnis-offene kinderärztliche und kinderpsychologische Betreuung oder Begleitung.
Da es sich jedoch nicht nur um objektivierbare biologische oder neurowissenschaftliche Fakten handelt, sondern auch um subjektiv erlebte und nicht bloß eingebildete psychologische Phänomene, die sich bereits in der frühen oder späteren Persönlichkeitsentwicklung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zeigen können, eignet sich dieses Thema grundsätzlich nicht für eine undifferenzierte Ideologisierung, für eine mediale Inszenierung oder gar für eine plakative Politisierung "für" oder "gegen" Menschen mit Transidentität.
Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass Kinder, Jugendliche oder Erwachsene mit einer solchen von ihnen selbst erlebten transidentischen Diskrepanz zwischen ihrem objektiv feststellbaren körperlichen Geschlecht und ihrem subjektiv erlebten psychischen Geschlecht alle allgemeinen Menschenrechte zukommen und sie alle bürgerlichen Grundrechte verdienen und genießen dürfen wie alle anderen Bürger auch. Das gilt unabhängig davon, ob ihnen eine Transidentität bereits ärztlich oder psychologisch diagnostiziert wurde.
Das Bundesverfassungsgericht der BRD hat daher neben den beiden herkömmlichen, nur biologisch fundierten Geschlechtsangaben "männlich" (Junge) und "weiblich" (Mädchen) eine dritte, biologisch, neurophysiologisch oder psychologisch interpretierbare Geschlechtsangabe "divers" zugelassen, um eine eventuelle Diskriminierung von Seiten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates vorzubeugen. Denn obwohl es sich sowohl in Fällen der Transidentität als auch in Fällen der Transsexualität nur um eine geringe Minderheit von Menschen handelt, handelt es sich in beiden Fällen nur um eine ganz natürliche Abweichung von der faktischen Normalität bzw. um eine natürliche Variante.
Natürlich lässt sich trefflich darüber streiten, ob ein moderner Rechtsstaat unbedingt auf alle angeblichen und nur gefühlten oder aber alle möglichen und wirklichen Diskriminierungen Rücksicht nehmen muss. Denn schließlich kann jeder moderne Rechtsstaat immer nur allgemein gültige Gesetze, Regelungen und Verordnungen erlassen und kann niemals auf alle besonderen Individuen und Partikularinteressen eingehen, um seine eigene rechtsstaatliche Funktion zu erfüllen, nämlich den sozialen Frieden, die öffentliche Ordnung und die Gerechtigkeit (der Gleichberechtigung und der Gleichbehandlung) so gut zu realisieren, wie es unter Realbedingungen eben möglich ist. Daher steht hinter der der-zeitigen Inflation an identitätspolitischen Diskriminierungsklagen und der dazu gehörigen Kultivierung von Opfer-identitäten ein individualistisches Selbstmissverständnis, eine ideologische Leugnung der allgemeinen und gemein-samen menschlichen Natur (Vital- und Grundbedürfnisse und spezifisch menschliche Fähigkeiten) und ein Unverständ-nis für die erst nach vielen Jahrhunderten erkämpfte zivilisatorische Errungenschaft des säkularen Rechtsstaates seit der Neuzeit, Aufklärung und Moderne.
Die juridische Rede von einem Dritten Geschlecht ist natürlich nur eine Facon de parler. Denn sie wörtlich zu verstehen, würde bedeuten, dass es sich um die wundersame Erschaffung einer neuen geschlechtlichen Gattung von Menschen handelte. Biologisch und evolutionär betrachtet gibt es jedoch von Natur aus kein drittes Geschlecht, sondern nur männliche und weibliche Menschen, eben Jungen und Mädchen. Aber es gibt eben das recht seltene psychologische Phänomen der Transidentität und das ebenfalls recht seltene biologisch-physiologische Phänomen der Transsexualität. Daher handelt es sich bei der Einführung der dritten Kategorie der Diversen zunächst einmal nur um eine juristische Konstruktion. Damit versucht der moderne Rechtsstaat den eher seltenen psychologischen Fällen von Transidentität
und den ebenfalls eher seltenen biologisch-physiologischen Fällen der Transsexualität gerecht zu werden.
Aus der naturalistischen und reduktionistischen Perspektive eines Physikalisten, Biologisten oder Szientisten (Mario Bunge, Paul und Patricia Churchland, Daniel Dennett, David Lewis, Richard Rorty, William V.O. Quine, u.v.a.m.) sind jedoch alle kulturellen und sozialen, moralischen und rechtlichen, ökonomischen und politischen Konventionen, Institutionen und Traditionen und damit auch der ganze Rechtsstaat selbst nur menschliche Konstruktionen, weil es eigentlich nur naturwissenschaftliche Tatsachen gibt. Daher bestehen kritische Realisten darauf, dass kulturelle und soziale, moralische und rechtliche, ökonomische und politische Konventionen, Institutionen und Traditionen ebenfalls etwas ganz und gar Wirkliches sind und nicht nur physikalische, chemische und biologische Tatsachen.
Zum Beispiel ist Jede Universität als öffentliche Institution etwas Anderes als nur die Ansammlung von physischen Gebäuden auf einem 'Campus' genannten räumlichen Areal. Eine Universität ist nicht identisch mit diesen Gebäuden, sondern befindet sich nur in ihnen. Auch Professoren als öffentliche Amtsträger mit ihren spezifischen Berufsrollen und Kompetenzen, Rechten und Pflichten sind nicht nur die jeweiligen Privatpersonen oder gar nur menschliche Lebewesen oder Organismen. Diese Privatpersonen verkörpern bloß die Professoren. Auch das Geld, das Professoren als Lohn erhalten, ist nicht identisch mit einer Menge von farbig bedruckten und mit Sicherheitsmerkmalen versehenen physi-schen Papierscheinen, sondern mit einem bestimmten verbuchbaren Betrag und seinem ökonomischen Tauschwert. Geldbeträge können bekanntlich auch unabhängig von Papiergeld auf Chips von Bankkarten aus Plastik gespeichert werden, mit Smartphones überwiesen oder nur auf elektronisch konstruierten Cyberbankkonten gespeichert sein und transferiert werden. Geld, Berufe und Institutionen sind jedoch emergente soziale Realitäten und soziale Realitäten können grundsätzlich nicht naturalistisch auf materielle Realitäten reduziert werden. Natürlich sind soziale Realitäten auf ihre physischen Träger bzw. menschlichen Verkörperungen angewiesen und existieren nicht frei schwebend und unabhängig von ihnen.
Der Grund für diese ganzen Missverständnisse und Kategorienfehler entspringt dem zeitgenössischen Physikalismus und Biologismus, Naturalismus und Szientismus als einer philosophisch fragwürdigen reduktionistischen Weltan-schauung. Dieser Weltanschauung zufolge sollen nur die Gegenstände der physikalischen und biologischen Natur-wissenschaften real sein und alle anderen Entitäten auf sie reduzierbar sein. Auch blenden diese reduktionistischen Weltanschauungen meistens das Zeitliche in Form von organischen Ereignissen und Prozessen, von pflanzlichem, tierischem und menschlichem Verhaltensweisen sowie von inneren intentionalen psychischen Akten und äußeren Handlungen in der natürlichen und kulturellen Lebenswelt aus. Aber wie wollen Physikalisten, Biologisten oder Szientisten dann den schwierigen Weg transidenter Kinder von der Entdeckung ihrer Andersartigkeit in der Familie bis zu ihrem neuen Leben als selbstbewusste Erwachsene des selbstgewählten Geschlechtes nachvollziehen und verstehen können, wenn sie persönlich in einem auf physische Bausteine und mechanistische Kausalitäten verarmten Ausschnitt aus der gesamten Fülle unserer viel reichhaltigeren Lebenswelt leben?
Der Reduktionismus der Physikalisten, Biologisten oder Szientisten ist nicht nur ein uneingelöstes und aller Wahr-scheinlichkeit nach auch ein aus prinzipiellen Gründen uneinlösbares Versprechen, also bloß Science-fiction. Er ist sogar eine Bedrohung für das gedeihliche Zusammenleben für Pflanzen, Tiere und Menschen auf dieser gefährdeten Erde. Eine Weltanschauung, die jedoch zu allmählichen Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und damit zur Be-wohnbarkeit der Erde führt, ist zutiefst verkehrt. Daher sind auch nach Kant und Hegel, nach Marx und Nietzsche, nach Heidegger und Wittgenstein philosophische Diskussionen über Ontologie und Metaphysik notwendig und unvermeid-bar.
Jürgen Habermas' Rede davon, dass wir angeblich in einem "nach-metaphysischen Zeitalter" leben, ist nur der leicht durchschaubare Versuch, sich durch die Erfindung einer ideengeschichtlichen Epochenschwelle bestimmte ontologische und metaphysische Fragen von Leib zu halten. Damit versucht Habermas nur den lebens-philosophischen und sozio-logisierenden Standpunkt seiner "Theorie der Kommunikation" zu retten. Jürgen Habermas ist zwar ein berühmter theoretisierender Soziologe, aber nur ein Zaungast der genuinen Philosophie. Denn anders als etwa Bertrand Russell oder Hilary Putnam hat er nie radikal und selbstständig über diese logisch-semantischen, erkenntniskritischen und ontologischen Grundfragen nachgedacht.
Vielmehr hat er etwa in seiner politisch motivierten Verwerfung der philosophischen Anthropologie als "konservativ" immer nur irgendwie versucht, den neo-marxistischen Ansatz der Frankfurter Schule an neuere philosophische Dis-kussionen wie etwa der sog. Analytischen Philosophie durch eine Erweiterung seiner begrifflichen Instrumentarien anzupassen. Nach 2001 hat Habermas jedoch indirekt dem Verfassungsrechtler Wolfgang Böckenförde zugestanden, dass auch der moderne Rechtsstaat immer noch von kulturellen Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht schaffen kann. Habermas hat zugegeben, dass wir immer noch von dem jüdischen Ethos der Gerechtigkeit und dem christlichen Ethos der Liebe zehren. Denn das oberste Verfassungsprinzip der Menschenwürde stammt zumindest genealogisch und historisch von der jüdisch-christlichen Vorstellung der Gottebenbildlichkeit ab.
Biologisch betrachtet gibt es bei Menschen kein Drittes Geschlecht. Daher ist die Rede von einem "Dritten Geschlecht" irreführend, wenn damit ein drittes biologisches Geschlecht gemeint sein soll. Mit dem deutschen Wort "Geschlecht" kann man jedoch gewöhnlich nicht nur das biologische Geschlecht (sex), sondern auch das psychosoziale Geschlecht (gender) oder auch nur das sprachliche, grammatikalische Geschlecht (genus) bezeichnen.
Die juridische Einführung eines dritten Geschlechtseintrages im Personalausweis oder bei Stellenausschreibungen lässt offen, ob es sich um eine natürliche, neuro-biologische Normvariante und natürliche Abweichung vom evolutions-biologischen, binären biologischen Geschlecht (sex) handelt oder ob es sich um eine eher seltene psycho-soziale Norm-variante und um ein psycho-soziale Abweichung (gender) handelt. Bei Letzterem geht es um ein Selbsterleben, das vom gewöhnlichen Selbsterleben einer relativ stabilen Kongruenz zwischen dem eigenen körperlichen Geschlecht und dem eigenen psychischen Geschlechtsempfinden abweicht.
Um eventuelle Diskriminierungen und damit um vom Rechtsstaat selbst geschaffenes Unrecht auszuschließen,
wurde diese dritte Option eingeführt, denn es ist wissenschaftlich immer noch nicht hinreichend geklärt, um was für
ein menschliches (bio-psycho-soziales) Phänomen es sich handelt. Neurowissenschaftler und Humanmediziner, Psychiater und Psychologen haben jedoch angefangen, die recht seltenen Phänomene der Transsexualität und Transidentität zu erforschen. Man kann zwar trefflich darüber streiten, ob es juridisch notwendig und politisch klug gewesen ist, die dritte Kategorie der Diversen einzuführen, aber faktisch falsch oder normativ illegitim ist es sicher nicht, solange man die Rede von einem dritten Geschlecht nicht stur wörtlich nimmt. UWD
Transsexualität und Feminismus – ein Beitrag zu einer brisanten und notwendigen Debatte.
Alice Schwarzers und Chantal Louis’, Köln: Kiepenheuer & Witsch 2022
Mit diesem Sammelband wollen die beiden Herausgeberinnen aufklären. Aufklären über den Unterschied zwischen einem schwerwiegenden, psychisches Leiden erzeugenden Konflikt aufgrund der tiefen Überzeugung, im falschen Körper zu leben, und dem aktuellen Trend, bereits Geschlechterrollenirritation für »Transsexualismus« zu halten.
Die Herausgeberinnen begrüßen den seit 40 Jahren möglichen rechtlichen und medizinischen Beistand bei diagnosti-zierter »Geschlechterdysphorie« – aber sie melden humanitäre und politische Bedenken an zu dem aktuellen Trend, bereits bei einer Rollenirritation zu schnell mit schwerwiegenden Hormonbehandlungen und Operationen zu reagieren.
Nicht zufällig hat sich die Richtung der »Transition« (früher mehrheitlich vom Mann zur Frau) in den letzten Jahrzehnten statistisch umgekehrt, was unübersehbar damit zu tun hat, die Erwartungen an die einengende Frauenrolle nicht er-füllen zu können. Statt die Mädchen zu ermuntern, aus dem starren Rollenkorsett auszubrechen, wird der biologische »sex« der Genderrolle angepasst.
In Alice Schwarzers und Chantal Louis’ Sammelband melden sich Psychiaterinnen, Therapeuten, Pädagoginnen und Eltern jugendlicher Betroffener zu Wort, vor allem aber Betroffene selbst: Frauen, die Männer geworden sind, Männer, die Frauen geworden sind. Manche sind dabeigeblieben, andere haben »detransitioniert«.
https://www.kiwi-verlag.de/buch/transsexualitaet-9783462002676
Kathleen Stock: Realität & Ideologie
Die britische Philosophie-Professorin ist von Trans-Aktivisten aus dem Job gemobbt worden. Gerade ist ihr Buch „Material Girls“ auf Deutsch erschienen. Darin erklärt sie, warum das biologische Geschlecht sehr wohl zählt und Simone de Beauvoir nicht als Kronzeugin für die Transideologen taugt.
Chantal Louis in der EMMA vom 23. Februar 2022 / aktualisiert am 8. April 2022
https://www.emma.de/artikel/realitaet-wiegt-schwerer-als-ideologie-339251