Sozialpolitik: Rente - Armut - Gesundheitssystem
VdK-Faktencheck – Wahrheit statt Polemik
Von: Julia Nemetschek-Renz - VdK Newsletter 19.03.2024
Sachlich falsche Daten und Fakten werden zunehmend populistisch genutzt. Aktuell beobachten wir das im politischen Diskurs zum Umbau des Bürgergeldes und zum Rentenpaket II. Diese Aussagen schüren den Sozialneid und gefährden unseren Sozialstaat. Der Sozialverband VdK Baden-Württemberg sieht es als seine Pflicht, den demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu verteidigen – mit Fakten statt Polemik.
7 falsche Aussagen – unsere VdK-Experten bieten die Wahrheit:
Für Ihre Recherche vermitteln wir Ihnen gern den Kontakt zu unseren sozialrechtlichen Fachleuten, geben Ihnen die wissenschaftlichen Quellen weiter und vermitteln Ihnen natürlich auch gern ein Interview mit unseren Experten. Und hier kommt die Wahrheit:
Stimmt nicht: „4 Millionen erwerbsfähige Bürgergeldempfänger sollten endlich mal arbeiten gehen“ – wahr ist:
Nur 1,7 Millionen Bürgergeldempfänger arbeiten nicht. 2,2 Millionen bekommen Leistungen, ohne arbeitslos zu sein. Sie sind in einer Ausbildung, pflegen Angehörige oder stocken ihr Elterngeld auf. Rund 800.000 sind außerdem erwerbstätig, verdienen aber so wenig, dass sie einen Anspruch auf Bürgergeld haben.
Stimmt nicht: „Die Rentenversicherung wird vom Staat bezuschusst“ – wahr ist:
Der Zuschuss ist kein Geschenk an die Rentenversicherung, sondern ein Ausgleich für Aufgaben, die der Bund zusätzlich an die Rentenversicherung übertragen hat, wie zum Beispiel die Auszahlung der Mütterrente oder des Grundrentenzuschlags. Dies sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die von allen Steuerzahlern und nicht nur den Beitragszahlenden der gesetzlichen Rentenversicherung übernommen werden müssen. Diese Leistungen wurden noch nie voll übernommen, so dass aktuell sogar ein Defizit bleibt – von 38 Milliarden Euro. Für die Jahre, in denen dieses Defizit aufgezeichnet wurde, ergibt sich damit ein Betrag von 988 Milliarden Euro.
Stimmt nicht: „Die Renten sind in Gefahr“ – wahr ist:
Die finanzielle Lage der Rentenversicherung ist aktuell sehr gut. Die Nachhaltigkeitsrücklage ist auf knapp 1,7 Monatsausgaben gestiegen. Gesetzlich geregelt ist, dass der Beitragssatz sinken muss, wenn die Rücklage 1,5 Monatsausgaben übersteigt. Doch so lässt sich der Bundeszuschuss von 600 Millionen im Jahr unbesorgt kürzen. Der Bund bedient sich ausschließlich zu Lasten der Beitragszahler.
Stimmt nicht: „Wegen des demografischen Wandels muss das Rentenalter erhöht werden“ – wahr ist:
Die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist faktisch eine Rentenkürzung. Lineare Vorausrechnungen sind interessengeleitet. Während vor 15 Jahren vermutet wurde, dass bis 2060 nur noch 38 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland leben, gehen aktuelle Hochrechnungen von 45,5 Millionen Menschen aus. Das sind 7,5 Millionen Menschen mehr, die in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen können. Belastungen, die auf die Rentenversicherung zukommen, müssen gesamtgesellschaftlich und für alle fair getragen werden.
Stimmt nicht: „Die Rente mit 63 muss endlich abgeschafft werden“ – wahr ist:
Eine abschlagsfreie Rente mit 63 gibt es schon längst nicht mehr. Im Jahr 2024 kann man frühestens mit 64 Jahren und 4 Monaten abschlagsfrei in Rente gehen, aber auch nur derjenige, der wenigstens 45 Jahre gearbeitet und eingezahlt hat oder Menschen mit einer Schwerbehinderung.
Stimmt nicht: „Im Sozialstaat zahlen alle Bürger solidarisch für sozial Schwache und Arme“ – wahr ist:
Etliche solidarische Leistungen, wie die Krankenkassenbeiträge für arbeitslose Menschen oder die Mütterrente, zahlen nur die gesetzlich Versicherten. Anwälte, Ärztinnen, Architekten, Professorinnen und Politiker zahlen nicht mit – also ein Großteil der Besserverdienenden in unserem Land. 57 Milliarden Euro werden im Jahr 2025 Prognosen zufolge aus dem Topf der Krankenkassen zweckentfremdet. Bei den Rentenversicherungen bleibt nach dem Bundeszuschuss ein Defizit von 38 Milliarden pro Jahr.
Stimmt nicht: „Weil die Ausgaben der Krankenkassen steigen, müssen die Beiträge erhöht werden“ – wahr ist:
Aus dem Topf der Krankenkasse werden krankenkassenfremde Leistungen bezahlt, wie beispielsweise die Unterstützung der gesundheitlichen Versorgung der arbeitslosen Menschen mit etwa 4 Milliarden Euro jährlich. Würde der Bund diese versicherungsfremden Leistungen adäquat erstatten, müssten die Krankenversicherungs-Beiträge nicht erhöht werden.
https://bw.vdk.de/pressemitteilung/vdk-faktencheck-wahrheit-statt-polemik/