Vermögensteuer

 

 

 

 

 

 

Vermögen bedeutet erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit

 

 

Die wirtschaftliche und damit steuerliche Leistungsfähigkeit hängt nicht nur vom Einkommen ab, sondern auch vom Vermögen, über das die Steuerpflichtigen verfügen. Die Einnahmen aus den vermögens-bezogenen Steuern – dazu zählen insbesondere Grund-, Vermögen-, Erbschaftsteuern - betragen in Deutschland gerade einmal 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist weniger als die Hälfte des Durchschnitts der entwickelten Länder.

 

Die Vermögensteuer, die in Deutschland seit 1997 nicht mehr erhoben wird, soll deshalb auf reformierter Grundlage wieder erhoben werden. Dabei werden realistische und aktuelle Immobilienwerte zu Grunde gelegt. Zugleich werden ausreichend hohe Freibeträge vorgesehen, so dass die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen, die über selbstgenutztes Wohneigentum und weitere Ersparnisse etwa zur Altersvorsorge verfügt, nicht betroffen ist. Bei einem Freibetrag von 500.000 Euro je Haushalt und einem Steuersatz von einem Prozent auf das den Freibetrag übersteigende Vermögen wird nach neuen Schätzungen des DIW aus dem Jahr 2002 ein Aufkommen von jährlich 15 Milliarden Euro erzielt. Aufgrund der seitdem fortgeschrittenen Konzentration großer Vermögen halten wir heute ein Aufkommen von 20 Milliarden Euro für möglich und anstrebenswert.

 

 

Vermögensteuer ist verfassungsgemäß

 

Die Erhebung einer Vermögensteuer ist in Artikel 106 des deutschen Grundgesetzes ausdrücklich vorgesehen. Das Bundesverfassungs-gericht erklärte 1995 die damals erhobene Vermögensteuer für verfassungswidrig, weil Grund- und Immobilienvermögen gegenüber anderen Vermögensarten ungerechtfertigt günstiger behandelt wurde. Die Bundesregierung ließ die Vermögensteuer daraufhin 1996 auslaufen, anstatt eine verfassungsgemäße Reform in die Wege zu leiten.

 

Durch die an Verkehrswerten orientierte Neubewertung von Immobilien würde den Anforderungen des Bundes-verfassungsgerichts genüge getan. Der von einigen angeführte „Halbteilungsgrundsatz“, nach dem die Einkommen nur so hoch besteuert werden dürften, dass mindestens die Hälfte beim Steuerpflichtigen verbliebe, steht der Vermögen-steuer dagegen nicht im Wege. Mittlerweile hat 2006 auch das Bundesverfassungsgerichtfestgestellt, dass dieser Satz keine Wirkung hat. Einer Wiedereinführung einer reformierten Vermögens-steuer steht verfassungsrechtlich nichts im Wege.

 

 

Mehr Steuergerechtigkeit

 

Die Vermögensteuer führt zu mehr Steuergerechtigkeit. Die vermögensteuerpflichtigen Haushalte verfügen ganz überwiegend zugleich über ein hohes oder sehr hohes Einkommen. Die Reichtums-verteilung wird gerechter gestaltet. Nur knapp drei Millionen Steuer-pflichtige sind betroffen – bei knapp 40 Millionen Haushalten und über 80 Millionen Menschen. Eine Anrechnung der Vermögensteuer auf die Einkommensteuer schwächt dagegen das Aufkommen und schont die Reichen und Superreichen.

 

Die Kosten für die Erhebung der Vermögensteuer liegen nach Schätzungen von Landesregierungen (Nordrhein-Westfalen, Baden- Württemberg) bei fünf Prozent. Im Vergleich zu den Kosten von zwei Prozent bei der Einkommen-steuer und angesichts des hohen Aufkommens ist  das vertretbar.

 

 

Wirtschaftspolitische Gründe

 

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Vermögenden Einbußen durch die Finanzmarktkrise bereits weitestgehend wieder ausgeglichen haben und die großen Vermögen weiter wachsen. Auf der anderen Seite haben die Wirtschafts-krise und die Rettungs- und Konjunkturpakete die Verschuldung der öffentlichen Haushalte auf neue Rekord-höhen getrieben. Es ist mehr als angemessen, die Reichen, deren Vermögen durch die Rettungspakete vor viel größeren Verlusten bewahrt wurden, in besonderer Weise zur Finanzierung der Krisen-folgen heranzuziehen.

 

Die zunehmende Polarisierung der Vermögensverteilung, riesige Anlage suchende Finanzvermögen einerseits, wachsende Verschuldung vieler privater Haushalte und der Staaten andererseits, ist zudem eine wichtige Ursache der Spekulationsblasen und Finanzkrisen. Daraus ergibt sich eine weitere Begründung für eine hohe Vermögens-besteuerung, die Umverteilungswirkungen erzielt.

 

http://www.vermoegensteuerjetzt.de/

 


 

Ran an die Reichen

 

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht Potential für Mehreinnahmen –

ein Befund mit politischer Brisanz.

 

Mark Schieritz

 

DIE ZEIT - Nr. 43 - Wirtschaft - 21. Oktober 2013

 

Man kann sagen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) eine ziemlich wirtschaftsfreundliche Institution ist. Er hat in Afrika die Liberalisierung der Arbeitsmärkte durchgesetzt und den Krisenstaaten Asiens in den neunziger Jahren strenge Sparprogramme verordnet.

 

Deshalb kommt die Studie, die die Haushaltsabteilung der Washingtoner Behörde am vergangenen Wochenende veröffentlicht hat, einer kleinen Revolution gleich. Denn ihre Botschaft lautet: Besteuert die Reichen! "In vielen entwickelten Nationen scheint es Spielräume zu geben, mehr Einnahmen an der Spitze der Einkommensverteilung zu erzielen, falls dies erwünscht ist", schreibt der Fonds.

 

Gerade in Deutschland könnte das Papier für Aufregung sorgen. Denn Steuerpolitik war das zentrale Thema des Wahlkampfs. SPD und Grüne wollten die Steuern für Besserverdiener erhöhen, damit der Staat mehr Geld für Investitionen hat. Sie konnten damit allerdings die meisten Wähler nicht überzeugen. CDU und CSU haben hingegen Steuererhöhungen kategorisch abgelehnt und damit fast die absolute Mehrheit der Stimmen gewonnen.

 

 

Der IWF stellt fest: Das Steuersystem schont die Reichen mehr als früher

 

Den Erfolg hat die Union auch der Tatsache zu verdanken, dass es ihr gelungen ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass Steuererhöhungen schädlich für die Wirtschaft sind. Dass nun mit dem IWF eine Organisation, die wie keine zweite für internationale Wirtschaftskompetenz steht, Spielraum für höhere Steuern sieht, dürfte von den Sozialdemokraten in den anstehenden Koalitionsverhandlungen dankbar aufgenommen werden und könnte ihnen neue Argumente liefern.

 

Dabei hat sich auch der IWF immer wieder gegen höhere Steuern ausgesprochen. Das Leitbild der Organisation ist der schlanke Staat, der sich aus den Angelegenheiten seiner Bürger weitgehend heraushält. Doch die Experten des Währungsfonds haben auch festgestellt, dass sich die Welt verändert hat. So seien die Steuersysteme in den vergangenen Jahren "weniger progressiv" geworden, die Steuerlast nimmt also mit steigendem Einkommen weniger stark zu als früher. Das liegt unter anderem daran, dass Spitzensteuersätze gesenkt wurden und viele Staaten verstärkt auf indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer zurückgreifen, deren Sätze für alle gleich sind.

 

Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds könnte dies auch ein Grund dafür sein, dass sich in vielen Staaten in den vergangenen Jahren die Schere zwischen Armen und Reichen erheblich geöffnet habe. In Deutschland entfallen demnach auf die oberen zehn Prozent knapp ein Drittel des gesamten Volkseinkommens und fast 60 Prozent des Vermögens, in den Vereinigten Staaten sind es sogar mehr als 70 Prozent.

 

In den USA ist der Staat mit den Reichen ganz besonders schonend umgegangen. Wenn die Steuersätze für das oberste Prozent auf das Niveau erhöht würde, das in den achtziger Jahren üblich gewesen sei, würde das dem Staat zusätzliche Einnahmen in Höhe von fast eineinhalb Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung einbringen, so die Analyse des IWF.

 

Aber auch in Deutschland könnte der Staat bei den Gutverdienern mehr Steuern eintreiben, ohne dass wirtschaftliche Einbußen dadurch drohen, dass sich Leistung nicht mehr lohnt oder die Arbeitnehmer sich nicht mehr engagieren. Nach Schätzungen des Fonds liegt der unter Einnahmegesichtspunkten ideale Spitzensteuersatz bei 55 bis 70 Prozent. Das klingt nach viel, doch in den fünfziger und sechziger Jahren lag der Spitzensteuersatz in den USA bei über 90 Prozent – und trotzdem boomte die Wirtschaft.

 

Heute sind in Deutschland inklusive Reichensteuer maximal 45 Prozent fällig – allerdings greift der Höchstsatz schon bei geringeren Einkommen als früher. Mild ist der Staat auch bei der Besteuerung von Immobilienvermögen. Die Einnahmen belaufen sich auf knapp ein Prozent der Wirtschaftsleistung. In Frankreich, Belgien oder der Schweiz ist es fast das Dreifache. Und das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer ist dort ebenfalls höher als in Deutschland.

 

Die Erhebungen decken sich mit den Analysen anderer internationaler Organisationen. Nach Berechnungen der Europäischen Kommission belaufen sich die gesamten jährlichen Einnahmen des Staates in Deutschland – das sind Steuern, Gebühren und Sozialabgaben – auf 45,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Damit liegt Deutschland leicht unter dem europäischen Durchschnitt von 45,7 Prozent.

 

Der IWF will seinen Bericht nicht als Plädoyer für höhere Steuern verstanden wissen. Man zeige lediglich auf, wo einzelne Länder im internationalen Vergleich stünden, heißt es. Dabei werden auch Faktoren wie die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft oder der Zustand der politischen Institutionen berücksichtigt, weil ein stabiler und reicher Staat wie Schweden mehr Steuern erheben kann als ein Entwicklungsland wie Mali.

 

 

Deutschland könnte Mehreinnahmen in Höhe von 80 Milliarden Euro haben

 

Doch an der Brisanz der Untersuchung ändert das nichts, zeigt sie doch, dass die Steuerfrage am Ende eine weltanschauliche ist – und dass sich, streng ökonomisch betrachtet, auch eine stärkere Belastung der Bürger rechtfertigen lässt. Die Forderung nach niedrigen Steuern wird damit nun vielleicht nicht mehr automatisch als Ausdruck von Wirtschaftskompetenz gelten.

 

Gut möglich, dass der IWF schon bald einen empörten Anruf aus dem Bundesfinanzministerium bekommt. Denn Deutschland ist nach Analysen der Experten aus Washington eines der wenigen Länder in Europa, dass sein Potenzial bei den Staatseinnahmen nicht ausnutzt. Insbesondere bei Mehrwertsteuer und Einkommensteuer belasten andere Nationen ihre Bürger zum Teil erheblich stärker. Wenn die Deutschen mit ihren Partnern gleichzögen, würde das Aufkommen aus Steuern und Abgaben um 3,1 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen.

 

Dies entspräche derzeit immerhin rund 80 Milliarden Euro zusätzlichen Einnahmen im Jahr – das ist deutlich mehr, als die SPD und die Grünen im Wahlkampf gefordert haben.

 

https://www.zeit.de/2013/43/steuern-reiche-iwf/komplettansicht

 


 

 

Norbert Hoerster, Was ist eine gerechte Gesellschaft?

Eine philosophische Grundlegung.

München: C.H. Beck Verlag 2013

 

Norbert Hoerster behandelt die vier zentralen Fragen staatlicher wie sozialer Gerechtigkeit: Individuelle Grundrechte, die Verteilung des Wohlstands, die Legitimität des Privateigentums sowie die Steuergerechtigkeit.

 

Zunächst geht es um die Frage, wie sich Gerechtigkeitsurteile überhaupt begründen lassen und ob Gerechtigkeit dasselbe ist wie Gleichbehandlung. Anschließend behandelt Hoerster die vier zentralen Problemfelder:

 

Erstens die verschiedenen Grundrechte, die jedem Individuum zugesprochen werden müssen.

 

Zweitens in Auseinandersetzung mit der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls die Frage, ob die natürlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Individuen in irgendeiner Weise ausgeglichen werden müssen.

 

Drittens versucht Hoerster zu zeigen, dass nichts dafür spricht, das Privateigentum an Naturgütern – insbesondere an Grund und Boden – ausschließlich jenen zu überlassen, die es von früheren Eigentümern als Erbe oder Schenkung erhalten haben.

 

Viertens vertritt er die Auffassung, dass der Staat, um als gerecht gelten zu können, zum einen nicht beliebige Projekte auf Kosten der Bürger verfolgen darf und zum anderen – auf dem Wege einer progressiv ausgerichteten Besteuerung – dafür sorgen muss, dass alle Bürger zur Finanzierung der legitimen staatlichen Aufgaben in gleichem Maße Einbußen an Lebensqualität erleiden.

 

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/2237201/