Grenzsituationen

 

 

Grenzsituationen als existenzielle Herausforderung

 

Ulrich W. Diehl

 

Erschienen in:  e-Journal Philosophie der Psychologie, Nr. 21 Oktober 2015

 

In seiner Psychologie der Weltanschauungen hat Karl Jaspers zum ersten Mal in der Geschichte der europäischen Philosophie die seelischen Quellen und geistigen Typen der Weltanschauungen und damit auch der Philosophie aus psychologischer Sicht dargestellt. Ziel und Absicht seiner Untersuchung war es, „nur zu verstehen, welche letzten Positionen die Seele einnimmt, welche Kräfte sie bewegen. Die faktische Weltanschauung dagegen bleibt Sache des Lebens. Statt einer Mitteilung dessen, worauf es im Leben ankomme, sollen nur Klärungen und Möglichkeiten als Mittel zur Selbstbesinnung gegeben werden. (S. VII) 1

 

In seiner Untersuchung geht es anders als in vielen zeitgenössischen Ratgebern jedoch nicht um eine psychologische Lebenshilfe: „Wer direkte Antwort auf die Frage will, wie er leben solle, sucht sie in diesem Buche vergebens.“ (S. VII) Vielmehr untersucht er die psychologischen Voraussetzungen der Weltanschauungen anhand der Fragen:

  • Welche Kräfte der Seele des Menschen bringen die Weltanschauungen überhaupt hervor?
  • Welche Einstellungen sind dafür verantwortlich, dass jemand einem bestimmten Geistestypus angehört und von daher auch zu einer bestimmten Weltanschauung neigt?

Bei einer solchen psychologischen Fragestellung und Herangehensweise bestand jedoch die Gefahr, die Probleme der Philosophie so sehr zu psychologisieren, dass sie als eine eigenständige Disziplin der Forschung und Diskussion verloren geht. Philosophie handelt jedoch immer auch von Themen und Problemen, die über den jeweils eigenen weltanschau-lichen Horizont und das eigene Interesse hinausgehen. Jaspers war sich dieser Gefahr durchaus bewusst und deutete seine Frühschrift 1954 im Vorwort zur vierten Auflage auch nur als ein Übergangswerk auf seinem damals noch unbewussten „Weg zur Philosophie“. (S. IX)

 

Was er damals suchte, war eine Philosophie, die mehr war als nur eine empirische Psychologie der faktischen Weltan-schauungen, aber auch weniger als eine „prophetische Philosophie“, die als Religionsersatz mit dem fragwürdigen Anspruch auftrat, absolute Wahrheiten zu verkünden. „Mein Interesse war keineswegs das bloß psychologische an der Realität von Weltanschauungen, sondern das philosophische an der Wahrheitscharakter dieser Weltanschauungen.“ (S. XII)

 

Nun zweifelte Jaspers aber auch schon damals daran, dass sich die Philosophie jemals als eine einheitliche und metho-dische Wissenschaft im strengen Sinne realisieren ließ. Kant, Brentano und Husserl hatten das noch für möglich ge-halten und versuchten es auch zu realisieren. 2 Als Kenner und Liebhaber platonischer Dialoge hatte Jaspers stets einen sicheren Instinkt dafür gehabt, dass es zumindest einige Aspekte des Philosophierens gibt, die man nicht mit einer strengen wissenschaftlichen Methode erfassen könne. Die von Platon gewählte literarische Form von Dialogen war besser geeignet, denjenigen Aspekten gerecht zu werden, die sich der Anwendung einer strengen wissenschaftlichen Methode entziehen, indem sie auch den Philosophierenden und dessen Persönlichkeit in die Betrachtung einbeziehen und nicht nur die von seiner Person abstrahierten Positionen, Thesen und Argumente. 3

 

Was sich einer vollständigen Verwissenschaftlichung der Philosophie widersetzt, ist der existenzielle Aspekt des indivi-duellen Daseins einschließlich der Frage nach der sittlichen Qualität der eigenen Persönlichkeit und Lebensführung. Diese sittliche Qualität ist teilweise schicksalhaft bedingt, weil offensichtlich nicht jeder Mensch mit den gleichen gene-tischen Anlagen und derselben körperlichen Verfassung auf die Welt kommt, unter den gleichen Umständen aufwächst und erzogen wird und schließlich im Laufe seines Lebens auch nicht genau die gleichen Herausforderungen zu meistern hat. Die sittliche Qualität der eigenen Persönlichkeit und Lebensführung hängt damit aber auch von äußeren Umstän-den ab, die nur teilweise selbst gewählt wurden und von daher auch nicht alle selbst zu verantworten sind. Außer den natürlichen und kulturellen Bedingungen des eigenen Lebens und der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit gibt es dann auch noch die politischen Umstände der geschichtlich bedingten Verfassung eines bestimmten politischen Gemeinwesens einschließlich der weiteren Frage nach dessen sittlicher Qualität. In allen diesen Hinsichten hängt das Leben jedes einzelnen Menschen von äußeren Bedingungen und zufälligen Umständen ab, die man selbst weder gewählt noch gewünscht hat und die man aus eigener Kraft weder verändern noch verbessern konnte.

 

Karl Jaspers hat vermutlich aus solchen Gründen auch keine allgemeine philosophische Ethik bzw. Moralphilosophie verfasst, die an die überlieferte Ethik anknüpfen würde. Bei der Rede von einer philosophischen Ethik denken zumindest philosophisch gebildete Europäer immer noch zuerst an die drei wichtigsten Paradigmen einer philosophischen Ethik, nämlich an die platonische Tugendlehre, an die aristotelische Ethik des guten Lebens und an die kantische Moral-philosophie. Diese Ethiken enthalten alle einen Kerngehalt an sittlichen Orientierungen in Form von Idealen und Prinzipien, Normen und Werten, Tugenden und Gütern, der über das bloße Beschreiben, Erklären und Verstehen menschlichen Verhaltens hinausgeht. In seiner Zurückhaltung gegenüber der Ethik befindet sich Jaspers von seiner philosophischen Gesinnung her in einer geistigen Verwandtschaft zu existenziellen Denkern wie Augustinus und Pascal, Friedrich Nietzsche und Sören Kierkegaard. Diese Denker haben zwar auch keine allgemeine philosophische Ethik verfasst, aber sie haben darum umso offensiver ihre ethischen Auffassungen und Überzeugungen vertreten und als Schriftsteller publiziert. 4

 

1. Psychologie der Weltanschauungen

 

Eine Weltanschauung ist nach Jaspers eine bestimmte Sichtweise der Wirklichkeit im Ganzen, die sich „in Wertungen, Lebensgestaltung, Schicksal, in der erlebten Rangordnung der Werte“ offenbart. (S. 1) Die überlieferte Philosophie hingegen beansprucht meistens auch, das Ganze der Wirklichkeit zu erkennen und deswegen strebt sie wie die modernen Einzelwissenschaften nach sachhaltiger und nachprüfbarer Erkenntnis und nicht nur nach persönlicher Weltanschauung. Aber die Philosophie war auch von Anfang an nicht nur eine universale Betrachtung des Ganzen der Wirklichkeit, sondern sie wollte dem Leben der Menschen auch eine Orientierung geben und sie dadurch auch mitgestalten. Eine Philosophie, die die Welt der Menschen nicht nur verstehen, sondern auch durch ihre Lehren mitgestalten soll, nennt Jaspers eine „prophetische Philosophie“. „Sie steht der universalen Betrachtung dadurch als wesensverschieden gegenüber, daß sie Weltanschauung gibt, daß sie Sinn und Bedeutung zeigt, daß sie Werttafeln als Normen, als geltend aufstellt.“ (S. 2) Eine bloß psychologische oder soziologische Betrachtung der Weltanschauungen kann nach Jaspers in diesem Sinne keine wirkliche Philosophie sein.

 

Neben der Philosophie gibt es jedoch auch eine psychologische Betrachtung der Weltanschauungen, die untersucht, welche weltanschaulichen Gedanken, Haltungen, Einstellungen, Weltbilder und Bewegungen es gegeben hat und immer noch gibt. Alle diese Elemente der Weltanschauung entspringen den Kräften der menschlichen Psyche und befriedigen die allgemeinen menschlichen Bedürfnisse nach einem Verstehen des Ganzen und nach einer sittlichen Orientierung in der persönlichen Lebensführung. „Die Weltanschauungspsychologie ist ein Abschreiten der Grenzen unseres Seelenlebens, soweit es unserem Verstehen zugänglich ist, alles wird vermutlich irgendwie für die Weltan-schauung eines Menschen bestimmend sein.“ (S. 6)

 

Eine Psychologie der Weltanschauungen schöpft nach Jaspers zuallererst aus der Erfahrung der persönlichen Aus-einandersetzung der eigenen Weltanschauung im Denken, Fühlen und Handeln. Darüber hinaus schöpft sie aus der lebendigen Erfahrung der Weltanschauungen anderer Menschen, soweit sie für uns zugänglich und verständlich sind. Schließlich schöpft sie aus der ganzen Fülle, dessen, was Philosophen, Historiker und Psychologen an weltanschaulichen Materialien bereit halten, um die ganze Vielfalt der persönlichen Einstellungen, die Streitigkeiten zwischen verschie-denen Weltbildern sowie die Konflikte zwischen verschiedenen Geistestypen zu verstehen. 5

 

Aus psychologischer Sicht haben wir es immer mit einer Pluralität von persönlichen Einstellungen, Weltbildern und Geistestypen zu tun. Dies könnte eine psychologische Erklärung für die bereits von Kant beklagte Tatsache sein, dass manche überlieferte Streitigkeiten, wie z.B. zwischen Realismus und Idealismus, Materialismus und Dualismus, Deter-minismus und Indeterminismus, Atheismus und Theismus, Pessimismus und Optimismus, etc. in der langen Geschichte der Philosophie nicht zu enden scheinen und immer wieder aufs Neue ausgetragen werden, wenn auch in sich wandeln-den Spielarten und Variationen. Gleichwohl stehen sich die verschiedenen philosophischen Positionen immer nur am Anfang einer Debatte als gegensätzlich, aber gleichwertig gegenüber. Jeder Streit zwischen den Positionen sollte dann aber möglichst so ausgetragen werden, dass sich eine bestimmte Position am Ende einer philosophischen Debatte als die plausiblere und stärkere Position erweisen kann, es sei denn, dass eine unüberwindbare Pattsituation entstanden ist. Ziel einer solchen Debatte ist es, dass möglichst viele der Beteiligten gemeinsam zu Einsichten gelangen können, die für die Protagonisten beider Parteien und für Außenstehende nachvollziehbar sind.

 

Die schlichte Tatsache einer Dualität oder Vielfalt von Positionen zu Beginn jeder philosophischen Kontroverse und das gemeinsame diskursive Streben nach der einen Wahrheit und nach der bestmöglichen Theorie schließen sich demzu-folge nicht aus. Wer jedoch zu einem dialektischen Denken (noch) nicht in der Lage ist, der streitet entweder als ein Skeptiker im Namen der Vielfalt auf Kosten des Streitens um die gesuchte gemeinsame Wahrheit und des Wettkampfes um die bestmögliche Theorie oder aber er kämpft als ein Dogmatiker im Namen der angeblich bereits erreichten Wahrheit und bestmöglichen Theorie auf Kosten der stets notwendigen Auseinandersetzung mit den Skeptikern und andersdenkenden Gegnern der eigenen Position. Nur ein dialektisches Denken scheint von daher in der Lage zu sein, die Vielfalt der Positionen mit der idealen Geltung einer gemeinsamen Wahrheit vereinbaren zu können.

 

2. Elemente einer Psychologie der Weltanschauungen

 

Alle Weltanschauungen basieren psychologisch betrachtet auf den unterschiedlichen Einstellungen der Menschen, die trotz ihrer Verschiedenheit verschiedenen Typen des Geistes zugehören und sie formieren sich in Gedanken als Welt-bilder. Was versteht Karl Jaspers nun aber unter sind persönliche Einstellungen, Weltbildern und Geistestypen?

 

Einstellungen sind psychische Fähigkeiten von Menschen, sich mit ihren Neigungen, Interessen und Absichten auf bestimmte Sachen, Personen oder Ziele auszurichten. (Bsp. Interesse oder Desinteresse, Freundlichkeit oder Feind-seligkeit, Sympathie oder Antipathie, etc.) „Alle Einstellungen sind nicht im Allgemeinen da, sondern werden nur erfahren im ganz individuellen Einzelnen, das dem Menschen entscheidend wichtig, Inhalt seines einzelnen Lebens ist.“ (S. 220) Jaspers unterscheidet in seiner Psychologie der Weltanschauungen zuerst zwischen gegenständlichen und selbstreflexiven Einstellungen. Zu den gegenständlichen Einstellungen gehören die zweckorientierte Einstellung der Praktiker, die kontemplative Einstellung der Philosophen, wie z.B. von Platon oder Aristoteles, Kant oder Hegel, und die mystische Einstellung religiöser Menschen. Die Philosophen mit einer kontemplativen Einstellung unterscheiden sich je nachdem, ob eine intuitive, eine ästhetische oder eine rationale Einstellung dominiert. Zu der selbstreflexiven Einstel-lung gehören die kontemplative Selbstreflexion, die aktive Selbstreflexion in genießender, asketischer und sich selbst gestaltender Einstellung mit ihren unterschiedlichen Verhältnissen zum erlebten gegenwärtigen Augenblick.

 

Weltbilder oder Weltanschauungen sind dann komplexe psychische Gebilde von Einstellungen, festeren Überzeu-gungen und persönlichen Präferenzen, die die Erfahrung, das Denken, das Handeln, die Persönlichkeit und damit auch das Leben der Menschen dauerhaft prägen und beeinflussen. Es gibt verschiedene Weltbilder und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich das jemals ändern wird. Denn sie entspringen der Verschiedenheit der Menschen mit indivi-duellen Persönlichkeiten, kulturellen Prägungen und Lebenswegen, Temperamenten und Charakteren. Jaspers unter-scheidet weiterhin zwischen einem sinnlich-räumlichen Weltbild, einem seelisch-kulturellen und einem metaphysischen Weltbild. (1.) Beim sinnlich-räumlichen Weltbild gehen Menschen von der unmittelbaren Erfahrung der natürlichen Umwelt aus und entwickeln daraus ein naturalistisches Weltbild, das mechanistisch, geschichtlich oder mythisch aus-fallen kann. (2.) Beim seelisch-kulturellen Weltbild geht es primär um das Verstehen der unmittelbar räumlichen Welt, des Anderen und Fremden in subjektiver Erlebniswelt und objektiver Kulturwelt bis hin zum Versuche des unendlichen Verstehens. Verstanden werden können einzelne Persönlichkeiten, ganze Kulturen und ihre seelisch prägenden Mythen. Wer die verstehende Betrachtungsweise verabsolutiert, verfällt jedoch dem Historismus oder dem Psychologismus. (3.) Das metaphysische Weltbild unterscheidet sich von beiden anderen Weltbildern dadurch, dass es von der Existenz eines Absoluten ausgeht jenseits der raum-zeitlichen und also auch der kulturellen und geschichtlichen Welt. Damit spalten es das Ganze der Wirklichkeit in ein Diesseits und ein Jenseits und verklärt das Jenseits in mythologischer Art und Weise. Es gibt jedoch auch eine philosophische Metaphysik ohne eine solche mythologische Aufspaltung, bei der das Absolute in der einen Wirklichkeit integriert bleibt als Vernunft, als das Gute oder als Gottheit jenseits aller positiven Bestimmungen wie in der negativen Theologie.

 

Geistestypen sind bestimmte Gestalten von konkreten Einstellungen und Weltbildern, denen einzelne Menschen aufgrund ihrer jeweiligen Persönlichkeit mehr oder weniger lang anhängen (z.B. Realismus vs. Idealismus, Materia-lismus vs. Spiritualismus, Naturalismus vs. Dualismus, Atheismus vs. Theismus, Empirismus vs. Rationalismus, etc.). Wenn die intellektuellen Streitigkeiten unter den Philosophen nicht enden, dann kommt das nicht zuletzt auch daher, dass Philosophen verschiedenen Geistestypen angehören, die einander fremd sind und fremd bleiben. Nur allzu gerne vergessen viele Philosophen, dass ihre philosophischen Meinungsverschiedenheiten zumindest teilweise auch in der Verschiedenheit ihrer jeweiligen Persönlichkeiten und Geistestypen begründet sind. Diese psychologische Diagnose hat Johann Gottlieb Fichte in seinem berühmten Diktum auf den Punkt gebracht: „Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was für ein Mensch man ist.“ 6 Jemand wählt jedoch nicht nur eine bestimmte Philosophie aufgrund seiner Persönlichkeit, sondern eine bestimmte Philosophie, mit der man sich intensiver auseinandersetzt prägt, bildet und profiliert auch die eigene Persönlichkeit. Jedenfalls gibt es eine psychologische Wechselwirkung zwischen der Persönlichkeit eines Menschen und seiner jeweiligen Philosophie.

 

Jaspers versteht jedoch unter den ‚Geistestypen‘ etwas anderes als das, was Psychiater und Psychotherapeuten gegen-wärtig mit dem Begriff der Persönlichkeitstypen meinen. Persönlichkeitstypen werden nach bestimmten Mustern von Persönlichkeitsstörungen definiert und klassifiziert, die in der Interaktion und Kommunikation sowie in der Gestaltung von Beziehungen auftreten können. Diese psychologischen Begriffe von Persönlichkeitsstörungen werden dann in der Diagnose und Therapie von Patienten in der (klinischen) Psychiatrie und Psychosomatik sowie von Klienten in der Psychotherapie angewandt. Dabei werden gegenwärtig in der Regel zwischen acht gängigen Typen der Persönlichkeits-störungen unterschieden: narzisstische, histrionische, dependente, selbstunsichere, passiv-aggressive, schizoide, para-noide und zwanghafte Persönlichkeitsstörungen. Umstritten ist jedoch, ob es sich bei diesen Störungen um dauerhafte Eigenschaften einzelner Persönlichkeiten handelt oder nicht vielmehr um dysfunktionale Muster der Interaktion und Kommunikation in verschiedenen Beziehungen. 7

 

3. Das Leben des Geistes in der Psychologie der Weltanschauungen

 

Die Einstellungen, Weltbilder und Geistestypen, über die die Philosophen immer wieder nachdenken, manifestieren sich nach Jaspers vor allem in den persönlichen Wertungen und im Nachdenken über bestimmte Werte.

 

Wertungen geschehen nach Jaspers im konkreten und individuellen menschlichen Verhalten, Sprechen und Denken und werden auch dort erfahren. Solange Menschen leben und entscheiden, können sie auch gar nicht aufhören zu werten. Aber natürlich müssen sie solche Wertungen nicht immer aussprechen. Meistens kommen ihre Wertungen erst in ihrem Verhalten und Handeln zum Ausdruck. Zwar können Wertungen danach auch bewusst werden, indem sie im Nachhinein betrachtet, beschrieben und untersucht werden, um sie dann auch aus einer gewissen zeitlichen und psychologischen Distanz heraus quasi von außen zu verstehen. Zumindest psychisch gesunde Jugendliche und Erwachsene können im Unterschied zu Kleinkindern normalerweise ihre Wertungen nicht nur bemerken und reflektieren, sie auch selbst wiederum begründen und bewerten.

 

„Ebenso wie man aber im allgemeinen Einstellungen und Weltbilder vom Subjektiven, Einzelnen losgelöst beschreiben und wissen kann, so kann man nun auch aus den konkreten Wertungen objektiv dastehende Werte im allgemeinen entwickeln. Wie es viele Weltbilder gibt, so gibt es viele Werte und Wertrangordnungen; und der Mensch betrachtend diese Werte sich ansehen, ohne sie sich anzueignen.“ (S. 221)

 

Werte sind nun nach Jaspers eben das, was in den einzelnen Wertungen der Menschen jeweils bewertet wird, wie z.B. Wahrheit, Nützlichkeit, Schönheit, Loyalität, Legalität, Moralität, etc. Man kann Werte zwar in Gedanken von den menschlichen Wertungen abstrahieren, aber es gibt sie eigentlich nur aufgrund der einzelnen Wertungen und Betrachtungen der Menschen. Jaspers ist also wie Nicolai Hartmann und Max Scheler nicht der wertplatonischen Auffassung, dass Werte auch ganz unabhängig vom Menschen überhaupt und von seinen kulturell und geschichtlich wandelbaren Wertungen existieren. Aber er stimmt mit Nicolai Hartmann und Max Scheler überein, dass Werte als Abstrakta auch unabhängig von der einzelnen Wertung eines bestimmten Menschen in einer konkreten Situation existieren. 8

 

Ähnlich wie Hartmann und Scheler nimmt Jaspers an, dass die abstrahierten Werte in einer postulierten Dimension des Geistes existieren. Diese Dimension des Geistes besteht aus den intentionalen Gehalten von Emotionen, Motivationen, Intentionen und Kognitionen. Sie transzendiert damit die physischen, organischen und psychischen Elemente, Prozesse und Zustände der konkreten Menschen. Deswegen können sich unterschiedliche Menschen auch in verschiedenen raumzeitlichen Situationen auf dieselben Werte beziehen, sodass diese Werte einen vom aktuellen und individuellen Bewusstsein unabhängigen Charakter haben. Den Werten als intentionalen Gehalten kommt damit zwar keine absolute Zeitlosigkeit im Sinne einer vermeintlichen Ewigkeit zu, aber eine relative zeitliche Dauer im Sinne eines gemeinsamen geschichtlichen Horizontes der Werte.

 

Eine psychologische, historische und kulturvergleichende Betrachtung kann deswegen auch diesen gemeinsamen geschichtlichen Wertehorizont nicht gefährden. Auch führt eine gewisse psychologische, soziologische und geschicht-liche Betrachtungsweise der Genealogie, der Geltung und des Wandels der Werte nicht notwendigerweise zu einem Subjektivismus, Relativismus und Nihilismus der Werte, der die intersubjektive Geltung aller Werte entwertet und gleichgültig werden lässt, sodass weder tradierte Werte noch innovative Werte eine dauerhafte Geltung haben können. Anders als im überlieferten Werteplatonismus haben die Werte aufgrund ihres zeitlichen Wertehorizontes aber keinen ewigen Bestand und kein ewige Gültigkeit mehr. Der Werteplatonismus scheint nämlich an platonische Konzeptionen gebunden zu sein, die den Platonismus der Werte begünstigen, wie z.B. das zeitlose Dasein Gottes, die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und die weltabgewandte Hoffnung auf eine Erlösung des Menschen im Jenseits.

 

Sowohl einzelne Wertungen als auch abstrahierte allgemeine Werte können miteinander in einen mehr oder weniger tiefen Konflikt geraten. Wertekollisionen sind nach Jaspers dann Konflikte zwischen verschiedenen Wertungen und Werten, die sich nicht beide oder alle zugleich erreichen und realisieren lassen. So kann z.B. die Wahrheit meiner Aus-sage mit ihrer Nützlichkeit in Konflikt geraten, weil es einen Schaden anrichten würde, sie offen auszusprechen. Auch kann der offensichtliche Nutzwert eines geplanten lukrativen Geschäftes mit dem öffentlichen Wert der rechtsstaat-lichen Legalität in Konflikt geraten, weil es gesetzlich verboten ist. Oder die sichtbare Schönheit eines Menschen kann mit seiner unsichtbaren Bosheit in Konflikt geraten, weil er zwar schön, aber heuchlerisch, verlogen oder intrigant ist. Wertekollisionen können aber manchmal auch dadurch aufgelöst werden, dass man die einzelnen Wertungen bzw. die allgemeinen Werte nach dem Grad ihrer jeweiligen oder allgemeinen Wichtigkeit über- oder unterordnet:

 

„Der Mensch muss wählen. Er wählt aufgrund von Bevorzugungen. Der Kampf der Werte ist ihm nicht immer, sogar selten ein Kampf gleicher. Vielmehr ordnet er, wenn die Entscheidungen der konkreten existentiellen Kämpfe objekti-viert werden, die Werte nach ihrem Rang. Es entstehen Rangordnungen der Werte.“ (S. 221)

 

Wenn in bestimmten Wertekollisionen immer wieder Wertungen und Werten durch Bevorzugung oder Zurückstellung geordnet werden, ergeben sich Hierarchien von Werten. Wertehierarchien sind entweder individuelle Rangordnungen von persönlichen Werten oder aber kollektive Rangordnungen von gemeinsamen Werten. So steht z.B. in der persön-lichen Rangordnung der Werte eines Utilitaristen der kurz- oder langfristige Nutzwert einer Handlung immer höher als der Wert der Legalität und der Moralität. Und in der persönlichen Rangordnung eines Ästheten, steht die Schönheit einer Sache immer höher als der praktische oder faktische Nutzwert, wie z.B. die Funktion und der Preis dieser Sache.

 

Werte sind in Jaspers‘ Weltanschauungspsychologie nicht nur intentionale Gehalte von Gefühlen, sondern auch der beurteilenden Einsicht und vor allem auch des Willens:

 

(1.) Menschen reagieren mit ihren Gefühlen auf die werthaften Aspekte der Dinge, Ereignisse und Personen „mit Sympathien und Antipathien“ (S. 221); „… der seelische Zustand ist passiv, stimmungsmäßig, die ganz Art billig und ohne Verantwortung, das Gemüt bewegend, aber nicht die Seele als Totalität prägend, fließend, imstande, vielerlei zu vereinigen, Widersprüche unbemerkt nebeneinander bestehen zu lassen.“ (S. 221) Wer besonders emotional reagiert, stört sich nicht so sehr an logischen Widersprüchen und Wertekollisionen, denn es ist Sache des Verstandes, solche Widersprüche und Konflikte festzustellen und nach Möglichkeit aufzulösen.

 

(2.) Menschen antworten jedoch auch mit ihrem Verstand auf die werthaften Aspekte von Personen, Ereignissen und Gegenständen, um sie mit einer mehr oder weniger großen Einsicht zu beurteilen, „… sofern diese Gefühle sich objektivieren und nun Gegenstände, Menschen, Werke, Handlungen, Wertungen mit Wertakzenten von Seiten des Zuschauers versehen werden.“ (S. 221)

 

(3.) Menschen antworten schließlich auch mit ihrem Willen auf die werthaften Aspekte von Personen, Ereignissen und Gegenständen. „Dieser läßt die Gefühlsreaktionen zu Worte kommen, bedient sich des Mediums der Reflexion und möglicher Beurteilungen, aber das Entscheidende ist ihm, daß die Wertungen in ihm wirklich werden, indem sie aktiv sind.“ (S. 221) Mit dem Willen erstreben wir aktiv irgendetwas, was für gut und erstrebenswert halten; wie lassen es nicht mehr bloß bei Gefühlen der Sympathie und Antipathie oder geben uns bloß passiv mit einem Wunsch zufrieden. Mit dem Willen treffen wir eine bestimmte Wahl, während wir in unseren Gefühlen wie in unseren Phantasien alles Mögliche spielerisch ausprobieren können, ohne uns entscheiden zu müssen.

 

Erst mit dem Willen und mit seinen kontinuierlichen Entscheidungen in der zeitlichen Reihenfolge von wechselnden Situationen und variierenden Phasen des eigenen Lebens durchdringen wir dann wirklich auch die eigene Existenz. Deswegen ist der Wille das eigentliche, echte Vollziehen von Wertungen, weil er zur Erfahrung von Werten in der erlebten und gelebten Wirklichkeit führt. Die wirkliche Werterfahrung tritt an die Stelle eines bloßen Idealbildes in den Vorstellungen der eigenen Phantasie oder auch an die Stelle bloßer Gefühlsbewegungen ohne Realitätsgehalt. Erst in den und durch die Willensentscheidungen werden wir uns unserer Verantwortung wirklich bewusst. Dadurch vollziehen wir nicht nur einsam unsere eigenen Wertungen und bringen damit auch noch für andere Menschen schöpferisch gemeinsame Werte hervor, sondern unsere Wertungen wirken auf uns selbst als Handelnde zurück. Durch schöpfe-rische Willensakte werden wir schließlich auch selbst immer mehr zu dem, der diese Wertungen willentlich vollzogen hat und der eben diesen bestimmten Werten gegenüber anderen eindeutig den Vorrang eingeräumt hat.

 

„Und vergleicht man die Menschen, so sieht man, wie ganz verschiedenes von den Einzelnen bevorzugt wird, und wie oft der Einzelne das ihm Wichtige, das ihm Richtige für das Wichtige und das Richtige überhaupt hält. Eine unendliche Mannigfaltigkeit von Werten, d.h. mit Wertakzenten versehener Gegenstände, existiert in ganz verschiedenen Rang-ordnungen.“ (S. 221-222)

 

Während Psychologen und Soziologen nur die faktischen Wertpräferenzen empirisch erforschen, ist es schon seit Jahrhunderten eine wichtige Aufgabe der Philosophen, die von den Wertungen der Menschen abstrahierten Werte zu untersuchen und zu ordnen, um sie in möglichst allgemein verständliche und allgemein akzeptable Rangordnungen zu bringen. Aber die Philosophen haben diese Aufgabe bisher auf eine eindeutige und vollständige Art und Weise so lösen können, dass eine bestimmte Rangordnung für alle Beteiligten plausibel wäre und zu einer allgemeinen Zustimmung führen könnte. Aber Philosophen haben trotzdem allgemeine Schemata für solche Rangordnungen von abstrahierten Werten vorgeschlagen. Diese Rangordnungen basieren jedoch auf verschiedenen Gesichtspunkten und sie setzen verschiedene Kriterien voraus, die selbst wiederum strittig sind, sodass es bisher kein allgemein anerkanntes Schema der Wertrangordnungen gibt. Damit bleibt es zweifelhaft, dass es jemals eine endgültige und universale Rangordnung der Werte geben kann, die auf eine allgemeine Zustimmung stoßen kann und stoßen wird. Denn solange das Leben der Menschen andauert und solange die Geschichte der Menschheit noch nicht zu Ende gekommen ist, solange wird es auch neue Herausforderungen geben, die zu neuen Antworten in der Suche nach angemessenen und vergleichsweise besten Rangordnungen von Werten geben.

 

„Das eigentliche Interesse hat nicht ein Schema aller möglichen Werte – das kann höchstens terminologisch bestim-mend und nützlich sein –, sondern die Rangordnung der Werte. In jeder Wahl, in jedem Leben wird faktisch eine Rang-ordnung statuiert.“ (S. 222) In einer jeden singulären Wahl und mit jedem Leben eines einzelnen Menschen wird eine bestimmte Rangordnung der Werte vollzogen. Diese Wertrangordnung existiert nach Jaspers zuallererst im wirklichen Lebensvollzug selbst, bevor sie dann davon abstrahiert und sprachlich formuliert wird. Was ursprünglich und zuerst nur für den Fall des lebendigen Lebens da gewesen ist, wird dann nachträglich sprachlich auf den Begriff gebracht und so formuliert, dass man damit überhaupt erst einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben kann. Trotzdem bleibt im Hinblick auf bestimmte Gemeinschaften und Gesellschaften sowie rechtlichen, staatlichen und internationalen Institu-tionen das Ideal einer universalen Rangordnung der Werte bestehen. Denn nicht nur alle gegenwärtigen und zukünf-tigen Wertekollisionen zwischen Individuen, sondern auch die Wertekollisionen zwischen Wertegemeinschaften und Institutionen fordern immer wieder eine Revision der bisherigen Rangordnungen der Werte.

 

 

4. Philosophische Ethik als rationale Begründung einer Rangordnung der Werte und der Lebensformen

 

Während zeitgenössische Psychologen kaum noch einen solchen hohen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, stand das über einige Jahrhunderte hinweg unter den meisten Philosophen selbstverständlich auf der Agenda. Denn es waren doch immer die Philosophen verschiedener Einstellungen und Geistestypen, die im Anschluss an kulturell vorhandene Weltanschauungen nicht nur philosophische Weltbilder entworfen haben, sondern auch philosophische Lebenslehren oder Ethiken, die anhand der verbreiteten psychologischen Einstellungen und charakteristischen Wertungen der Menschen allgemeine Schemata zur Rangordnung der abstrahierten Werte entwickelt haben. Solche Lebenslehren oder Ethiken gipfelten oftmals in der Aufstellung eines höchsten Gutes als Maßstab für eine bestimmte Rangordnung der Ideale und Prinzipien, Güter und Normen.

 

Klassische Beispiele für eine solche Rangordnung der Werte nennt Jaspers die Tugendlehren von Platon, Aristoteles und Cicero, an die im 18. Jahrhundert auch noch Christian Wolff und Immanuel Kant auf verschiedene Art und Weise ange-knüpft haben. Von Platon und Aristoteles bis Wolff und Kant, Brentano und Mill setzten philosophische Ethiken eine bestimmte Anthropologie bzw. Vermögenspsychologie voraus. So korrespondieren bei Platon die drei Seelenteile Begehren (epithymaetikon), Gemüt (thymoeides) und Denken (nous) den drei Tugenden der Tapferkeit (andreia), der Besonnenheit (sophrosynae) und der Weisheit. In ähnlicher Weise hat auch Aristoteles zwischen den ethischen und den dianoetischen Tugenden unterschieden. Die dianoetischen Tugenden, wie z.B. die Weisheit, korrespondieren mit dem Vernunftvermögen des rein rationalen Erkennens und Denkens (epistemonikon), die in philosophischen Betrachtungen zur Geltung kommen können; die ethischen Tugenden, wie z.B. die Klugheit, korrespondieren mit den Affekten, die zum motivierenden Vermögen des Strebens (oretikon) gehören, aber vom menschlichen Verstand (logistikon) gesteuert werden können. Lediglich das vegetative Vermögen (threptikon), kann nicht direkt vom Verstand oder der Vernunft gesteuert werden.

 

Kant bestreitet dann zwar anders als Platon (Nomoi) und Aristoteles (Metaphysik) die Möglichkeit der metaphysischen Erkenntnis mit Hilfe der reinen Vernunft, wie z.B. in den klassischen Gottesbeweisen, postuliert dann aber anders als Aristoteles die Möglichkeit der Steuerung des eigenen Verhaltens und Handelns mit Hilfe der reinen praktischen Ver-nunft als dem Vermögen der praktischen Ideale und Prinzipien, wie z.B. durch den kategorischen Imperativ. Diese eher optimistische Auffassung von der Macht und Reichweite der praktischen Vernunft scheint in einigen Hinsichten weniger überzeugend zu sein als die aristotelische Konzeption. Dass sich nämlich eingefleischte charakterliche Haltungen einer Person, wie z.B. Geiz oder Verschwendungssucht, alleine oder primär mit Hilfe des Verstandes anhand von Maximen, Klugheitsregeln und Prinzipien ändern und steuern lassen, ist psychologisch nicht besonders plausibel. 9

 

Jaspers erwähnt auch die beiden „Ausnahmedenker“ Nietzsche und Kierkegaard, die zwar keine allgemeine Ethik ver-fasst haben, wie Aristoteles oder Kant, wohl aber auch eine bestimmte Rangordnung von Werten aufgestellt haben. Aristoteles hatte noch die theoretische Lebensweise des Philosophen und Naturforschers als höchste Lebensform (theorein) über das tätige Leben der Ärzte und Politiker (prattein) gestellt und diese Lebensform wiederum über das Arbeitsleben der Handwerker und Sklaven (poiein). Dahingegen hat Friedrich Nietzsche diese aristokratische Rang-ordnung der Werte ins schiere Gegenteil verkehrt, indem er das Leben und die Lebenskunst über die anderen Künste und diese wiederum über die Wissenschaften gestellt hat. Demgegenüber hat Sören Kierkegaard in seiner sog. Stadien-lehre das ganz menschliche Leben von einem ästhetischen Stadium, über ein ethisches Stadium in ein religiöses Stadium aufsteigen lassen. Die emphatisch formulierten Rangordnungen beider Schriftsteller wurden von ihnen jedoch nicht weiter mit allgemein nachvollziehbaren und einsichtigen Argumenten begründet und können von daher auch keine allgemeine Zustimmung finden. Jaspers hielt deswegen die Lehren beider „Ausnahmedenker“ nicht für an-knüpfungsfähig. 10

 

Jede Rangordnung der Werte einer philosophischen Ethik interpretiert die individuelle Existenz des einzelnen Menschen in seiner kontingenten Lebenswelt im Lichte einer idealisierten sittlichen Orientierung. Nun kennen wir jedoch aus der Geschichte der Philosophie und aus den wissenschaftlichen Studien zur Kultur- und Ideengeschichte verschiedene solche Rangordnungen von Werten. Angesichts der teilweise ähnlichen und vereinbaren, teilweise jedoch auch verschie-denen und unvereinbaren ethischen Lehren der Philosophen und Theologen erscheint in unserer psychologisch und soziologisch aufgeklärten Moderne jedoch keine dieser Rangordnungen der Werte mehr als in jeder Hinsicht plausibel. Keine dieser ethischen Lehren und Rangordnungen der Werte scheint im strikten Sinne für alle Menschen als gemein-same Orientierung annehmbar zu sein und von daher kann auch keine überlieferte philosophische Ethik mit ihrer impliziten Werthierarchie für alle Menschen normativ verbindlich sein.

 

Diese Situation hat nicht nur innerhalb der Existenzphilosophie (Heidegger, Camus, Sartre, Marcel), sondern auch für Jaspers nicht nur die Konsequenz einer Aufwertung der individuellen Existenz des Menschen gegenüber einer jeden gemeinschaftlichen oder kollektivistischen Lebensform, sondern auch die Aufgabe des überlieferten Zieles auf dem Wege der philosophischen Reflexion über das menschliche Dasein zu einer plausiblen Rangordnung der gemeinsamen Werte und der Lebensformen zu gelangen. Damit würde aber zum ersten Mal in der Geschichte der Philosophie die individuelle menschliche Existenz über das gemeinsame Ethos gestellt und die Philosophen verlören ihre überlieferte Aufgabe der Suche nach der bestmöglichen Rangordnung der Werte und der dazu passenden politischen Ordnung. Diese Loslösung der Individuen von der unvermeidbaren Konformität und den sozialen Zwängen eines gemeinschaft-lichen Ethos scheint prima facie sehr gut zu einer modernen demokratischen Gesellschaftsordnung zu passen. Aber ohne gemeinsame wissenschaftliche, künstlerische und religiöse Quellen der sittlichen Orientierung, ohne philosophi-sches Bildungswissen und ohne persönliche Reflexion wären auch und gerade in einer modernen Demokratie keine politische und rechtsstaatliche Ordnung möglich. Was zunächst ein erfreulicher Gewinn an individueller Freiheit zu sein scheint, droht jedoch ohne Gemeinsinn, ohne Werte vermittelnde gesellschaftliche Institutionen, ohne eine legitime Rechtsordnung und ohne eine anerkannte politische Regierung zur destruktiven Anarchie eines darwinistischen Über-lebenskampfes nach dem vermeintlichen Recht des Stärkeren zu führen. 11

 

Manche Philosophen halten deswegen die kantische Ethik und Rechtsphilosophie für die mit Abstand beste Lösung für das gemeinsame Leben der Menschen in den modernen pluralistischen Industrie- und Informationsgesellschaften. Denn sie basieren weder auf der Autorität einer religiösen Offenbarung, wie z.B. die jüdische, christliche und islamische Ethik, die nach menschlichem Ermessen niemals alle Menschen teilen werden, auch wenn sich das die Mehrheit der Anhänger dieser Religionen und Konfessionen für ihre jeweils eigene Religion oder Konfession erhoffen mögen. Sie orientiert sich auch nicht an einer philosophischen Heldenfigur als einer idealisierten Verkörperung menschlicher Weisheit, wie die implizite Ethik in den platonischen Tugenddialogen, gegen die auch schon manche Gegenspieler des platonischen Sokrates, wie z.B. Kallikles und Thrasymachos, rebelliert haben, weil „damit kein Staat zu machen“ sei. Die kantische Ethik postuliert auch keine bestimmte Rangordnung der Lebensformen, wie die aristokratische Ethik des Aristoteles, die deswegen auch nur noch für die Mitglieder der obersten Kaste der philosophierenden und forschenden Theoretiker annehmbar zu sein scheint. Außerdem zeigt die geschichtliche Erfahrung, dass auch manche Philosophen nicht nur in der Beratung der Regierenden und in politischen Ämtern, sondern auch im eigenen Leben gescheitert sind. Schließlich predigt die kantische Ethik auch nicht dogmatisch oder gar prophetisch eine bestimmte Rangordnung der Werte, wie das die beiden philosophierenden Schriftsteller Nietzsche und Kierkegaard oder auch Dostojewski und Tolstoi getan haben. 12

 

Gleichwohl kommt die kantische Ethik dem auch schon bei Platon und Aristoteles anvisierten Ziel des Philosophierens nahe, alleine mit den sprachlichen Mitteln des dialektischen Nachdenkens und der philosophischen Dialoge zu einer haltbaren und tragfähigen Einsicht in das höchste Gut zu gelangen und von daher auch eine allgemein erstrebenswerte und rational begründbare Rangordnung der Werte zu entfalten. „Als höchstes Gut ist viel gelehrt worden: das Glück, die Lust, die Seelenruhe, das Maß, die Tugend, das Naturgemäße, das Nützliche, das Schauen Gottes, das Betrachten (theorein), das Handeln und Schaffen, das System der Kulturgüter usw.“ (S. 226)

 

Allerdings orientiert sich Kants Ethik an den beiden formalen Hauptzielen der sittlichen Selbstvervollkommnung und des bestmöglichen Beitrages zum Lebensglück anderer Menschen. Damit bringt sie die Selbstsorge im Streben nach der eigenen Tugend mit der Fürsorge für das Wohlergehen der Anderen in eine Balance, die immer wieder neu auszu-tarieren ist. Dazu verzichtet sie anders als die aristotelische oder auch die spinozistische Ethik auf eine inhaltlich be-stimmte Glückslehre, die erklären will, was angeblich alle Menschen glücklich und zufrieden macht. Vielmehr stellt sie das eigene und das fremde Glücksstreben in das Belieben, die Geschicktheit und die Lebenskunst der Menschen, um es den Herausforderungen des unbezwingbaren Schicksals und des persönlichen Lebenswandels zu überlassen. Auf diese Weise soll die unter zeitlichen und irdischen Realbedingungen immerwährende Vielfalt der Rangordnungen der Lebens-formen und Werte (Pluralismus) mit der philosophischen Reflexion auf Ideale und Prinzipien, Normen und Werte ver-einbart werden, ohne eine bestimmte Wertrangordnung zu verabsolutieren (Absolutismus). Das bedeutet nicht, das Kants Ethik keine Idee vom höchsten Gut enthält, aber diese höchste praktische Gut ist nicht vom Menschen im Sinne der ganzen Menschheit geschweige denn von einzelnen Menschen realisierbar. Der Grund dafür ist, dass nur Gott als Inbegriff des höchsten praktischen Guten in einem absoluten Sinne gut ist und dass nur Gott das höchste praktische Gut unter den empirisch erforschbaren Realbedingungen der raumzeitlichen Welt realisieren könnte. 13

 

Jaspers sympathisiert weitgehend mit Kants Ethik und dessen Verständnis vom höchsten Gut, aber bei einigen dogma-tischen Kantianern sieht er die Gefahr einer Erstarrung in einem gewissen Formalismus der Prinzipien, Regeln und Maximen. Diese Gefahr ergibt sich immer dann, wenn der pragmatische Bezug zur konkreten Situation verloren geht, den nach Kants Auffassung nur die praktische Urteilskraft leisten kann. Es ist nämlich die Funktion der Urteilskraft, in einer jeden konkreten Situation zu sagen, worauf es gerade ankommt. Da sie jedoch auf Intuition basiert und keinen weiteren Regeln für die Anwendung von praktischen Regeln folgen kann, ist sie auf Vorbild und Nachahmung, Erfah-rung und Übung angewiesen und nicht diskursiv durch Dogma und Lehre, Kodizes und Manuale vermittelbar. 14

 

Jaspers war zwar kein dogmatischer Kantianer; auch hat er die Gefahren eines solchen Kantianismus gekannt und vermieden, weil dieser der Singularität der individuellen menschlichen Existenz nicht gerecht werden kann und das menschliche Leben als einen zur Zukunft hin offenen Prozess verfehlen muss. Die Kunst des Lebens (ars vivendi ) und die Kunst des Sterbens (ars moriendi ) kann niemandem abgenommen werden; auch nicht jemandem, der Kants Ethik aus guten Gründen immer noch für eine zeitgemäße und für die vergleichsweise beste Ethik hält. 15

 

Wer jedoch mit Jaspers keinem dogmatischen Kantianismus erliegt und die Bedeutung der menschlichen Subjektivität in der Wahrnehmung, in Geschmacksurteilen und persönlichen Wertentscheidungen anerkennt und wer schließlich auch die subjektive Betroffenheit angesichts von schweren Schicksalsschlägen, herausfordernden Grenzsituationen und anderen Lebensproblemen berücksichtigt, der kann auch der psychischen Gefahr des Selbstverlustes aufgrund einer Erstarrung des lebendigen Geistes in einem bestimmten „Gehäuse“ des Denkens, sei es auch dem Gehäuse einer allzu buchstäblich genommenen kantianischen Philosophie, entkommen.

 

Auch wenn die kantische Philosophie eine noch so plausible Lehre von der allgemeinen Bestimmung des Menschen enthält ist damit noch lange nicht über die Bestimmung des Einzelnen in seiner konkreten Lebenswelt entschieden. Kants schulphilosophische Diagnose der Struktur und Reichweite der menschlichen Vernunft muss auf dem Hintergrund seiner weltphilosophischen Lebensbejahung interpretiert werden, die vom Menschen als einem intelligenten Lebewesen in der Natur ausgeht, der einerseits mit einer natürlichen Begabung zu Sinnlichkeit und Verstand und damit auch zu Spracherwerb ausgestattet ist, andererseits jedoch auf Fürsorge und Erziehung in einer menschlichen Gemeinschaft angewiesen ist. 16 

 

5. Die Grenzsituationen als Herausforderungen

 

In den Wertekollisionen müssen Menschen eine Entscheidung treffen, weil ihre Bejahung bestimmter Werte mit der Bejahung anderer Werte in einen Konflikt geraten ist. In solchen Fällen ist man nicht selten auch gezwungen, um der weiteren Bejahung bestimmter Werte willen andere Werte zu verneinen. Es gibt also nach Jaspers nicht nur eine Wertbejahung, sondern auch eine Wertverneinung. Bekannte und häufige Wertekollisionen ergeben sich in modernen Industrienationen zwischen dem Wohl der Familie und dem Nutzen der Arbeit in der Firma, zwischen dem Wohlergehen in der Ehe und der Erziehung der Kinder, zwischen hohen Leistungsanforderungen im Beruf und der Bewahrung der eigenen Gesundheit, etc. Wertekollisionen und Interessenkonflikte sind an sich noch keine Grenzsituationen. Aber in schweren Krisen können solche Wertekollisionen und Interessenkonflikte jedoch auch zu Grenzsituationen führen, wie z.B. nach einer Scheidung, nach der Auflösung der Familie, nach dem Verlust des Arbeitsplatzes oder nach dem Tod eines nahe stehenden Menschen.

 

„Diese Situationen, die an den Grenzen unseres Daseins überall gefühlt, erfahren, gedacht werden, nennen wir darum „Grenzsituationen“. Deren Gemeinsames ist, daß – immer in der Subjekt-Objekt-gespaltenen, der gegenständlichen Welt – nichts Festes da ist, kein unbezweifelbares Absolutes, kein Halt, der jeder Erfahrung und jedem Denken stand-hielte. Alles fließt, ist in ruheloser Bewegung des in Fragegestelltwerdens, alles ist relativ, endlich, in Gegensätze gespalten, nie das Ganze; das Absolute, das Wesentliche.“ (S. 229)

 

Die Grenzsituationen sind eine Erfahrung der Haltlosigkeit, der Ruhelosigkeit, der Erschütterung und der Desorien-tierung, in der die Menschen dann oftmals auch diejenigen Überzeugungen, Einstellungen und Gewohnheiten verlieren, die ihnen bis dahin eine Orientierung gegeben haben. Es handelt sich um einen krisenhaften Ausnahmezustand und nicht um einen dauerhaften Normalzustand des Lebens.

 

„Diese Grenzsituationen sind als solche für das Leben unerträglich, sie treten daher in restloser Klarheit fast nie in unsere lebendige Erfahrung ein, sondern wir haben faktisch fast immer angesichts der Grenzsituationen einen Halt. Ohne ihn würde das Leben aufhören. Der Mensch ist faktisch relativ selten verzweifelt. Er hat einen Halt, bevor er überhaupt verzweifeln kann; nicht jeder, die wenigsten leben in Grenzsituationen.“ (S. 229)

 

Wenn Menschen in ihrem Leben in solche Grenzsituationen geraten, fallen sie nicht selten in Verzweiflung, weil ihre bisher gewohnten und erfolgreichen Wege der alltäglichen Lebensbewältigung nicht mehr tragen. Verzweiflung bedeutet vor allem eine momentane Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Deswegen hilft man verzweifelten Menschen am besten dadurch, dass man konkrete Abhilfe schafft, Wege aus der Notlage aufzeigt, Gründe für eine realistische Hoffnung aufzeigt, Trost und Ermutigung spendet.

 

„Wir fragen, was bedingt es, daß sie nicht dahin kommen, oder daß sie heraus kommen. Damit treffen wir das Zentrum der Geistestypen. Welchen Halt der Mensch hat, wie er ihn hat, sucht, findet, bewahrt, das ist der charakteristische Ausdruck der in ihm lebendigen Kräfte. Fragen wir nach dem Geistestypus, so fragen wir, wo der Mensch seinen Halt habe.“ (S. 229)

 

Einem jeden Geistestypus entspricht eine bestimmte Art von Halt im Leben, um mit solchen Grenzsituationen fertig zu werden. Der Realist hält sich an die faktischen Gegebenheiten und geht einen pragmatischen Weg der kleinen Schritte; aber das kann zur Blindheit für neue Chancen und außergewöhnliche Möglichkeiten führen. Der Idealist setzt auf hohe Ideale und Prinzipien, Werte und Ziele bis ins Heroische und Fantastische hinein; aber das kann dazu führen, dass er die Bodenhaftung verliert und das Reale und Realisierbare aus den Augen verliert. Der Individualist vertraut sich selbst und seinen eigenen Fähigkeiten; aber das kann ihn blind machen für eine notwendige und hilfreiche Unterstützung durch Andere. Menschen, die sich gerne an bestimmte Gemeinschaften binden, verlassen sich auf die Sicherheit und Unter-stützung, die ihnen eine starke Gemeinschaft bietet; aber das kann dazu führen, dass sie nicht lernen, sich auf ihre eigenen Kräfte zu verlassen und sie zu entwickeln.

 

„Der Mensch lebt wesentlich in der Form der Subjekt-Objekt-Spaltung und hier nie in einem Ruhezustand, sondern immer in einem Streben auf irgendwelche Ziele, Zwecke, Werte, Güter hin. Damit sind nicht bloß rational klar gedachte Zwecke gemeint, sondern jede Einstellung auf ein Gut, jede Richtung des Strebens, die dem Lebenden vielleicht gar nicht rational klar bewußt ist.“ (S. 230)

 

Aus dem Streben der Menschen nach bestimmten Lebenszielen ergibt sich eine alltägliche Konfrontation mit einer ganzen Fülle von Werten. Die Realisierung von Zielen und Zwecken verlangt jedoch Entscheidungen über den momen-tanen Stellenwert sowie die dauerhafte Rangordnung von Werten. Wertekollisionen führen unweigerlich nicht nur zu einer Relativierung von Werten, sondern auch zur Suche nach einer Hierarchie der Werte und Lebensziele bis hin zum Glauben an einen absoluten Endzweck des ganzen Lebens im Sinne einer vorübergehenden Verabsolutierung eines einzigen Lebenszieles. Werte und Lebensziele lassen sich jedoch nicht ohne Widerstände und ohne Hindernisse realisieren. Die Realisierung von Lebenszielen und Werten gehört immer auch zum alltäglichen Lebenskampf und zur Selbstverwirklichung.

 

Dieser Lebenskampf ums Überleben, um den Erhalt der Gesundheit und um sinnvolle Selbstverwirklichung stößt jedoch in den Grenzsituationen an unüberwindbare Hindernisse, wie z.B. an die schmerzende Wirklichkeit von Zufall, Schuld und Tod. Die bewusste Kultivierung und kontrollierte Rationalität des Handelns ist immer schon eingebettet in das unbewusste und instinktive Streben nach der Realisierung von Lebenszielen und Werten im Rahmen der durch die Grenzsituationen eingeschränkten Möglichkeiten. Das vitale Leben bleibt durch die immerwährende Möglichkeit des Scheiterns im Streben, durch die anhaltende Unvermeidbarkeit des körperlichen und seelischen Leidens sowie durch die endgültige Unvermeidbarkeit der Vernichtung durch den Tod bedroht. Der Zufall zerstört den Glauben an die dauer-hafte Ordnung der Notwendigkeit, die Schuld zerstört die Hoffnung auf anhaltende Zufriedenheit, der Tod zerstört am Ende das Leben des Individuums.

 

6. Das Leiden als gemeinsamer Grundzug der Grenzsituationen

 

„Das Gemeinsame aller Grenzsituationen ist, daß sie Leiden bedingen; das gemeinsame ist aber auch, daß sie die Kräfte zur Entfaltung bringen, die mit der Lust des Daseins, des Sinns, des Wachstums einhergehen. Das Leiden ist nicht eine Grenzsituation unter anderen, sondern alle werden unter dem subjektiven Gesichtspunkt zu einem Leiden. Lust und Leid sind unvermeidlich aneinander gekettet. Beide sind etwas Letztes, Überwältigendes, Unüberwindbares, unserer Situation Wesenhaftes. Als Leiden erfassen wir immer nur die eine Seite; wir zählen das Wertnegative auf. Es ließe sich vielleicht auch eine Schilderung des Wertpositiven, der Freude, der Erhebungen, des Sinns versuchen.“ (S. 247)

 

Für den kontemplativen Denker bleibt die passive theoretische Betrachtung (vita contemplativa), die auf das Ganze des menschlichen Daseins geht, in den Gegensätzen von Lust und Leid gespalten. In der philosophischen Reflexion bleiben diese Gegensätze etwas Letztes, das nicht aufgehoben werden kann. Anders verhält es sich für den an der Praxis orientierten Denker, der seine Theorie von vorne herein an sein aktives Leben (vita activa) in Familie, Beruf und Freizeit gebunden hat; für ihn geht es bei Lust und Leid, Freude und Trauer ständig darum, das eine dem anderen vorzuziehen, um das eigene Leben sowie das Leben der Anderen so zu gestalten, dass Lust und Freude überwiegen, und am Ende eine positive Bilanz herauskommt. Die Wertrangordnung steht bereits weitgehend fest und es kommt nur noch auf die produktive Bewältigung derjenigen Lebensereignisse an, die Leiden und Trauer mit sich bringen. Die abstrakten Wertetafeln und Wertehierarchien der kontemplativen Denker sind für ihn bestenfalls ein Hilfsmittel zur zusätzlichen Vergegenwärtigen der Vielfalt der Werte, die im Laufe eines jeden Menschenlebens auftauchen und eine Rolle spielen können. Es scheint bereits aufgrund vitaler Bedürfnisse im Voraus entschieden zu sein, dass das Leiden und die Trauer nur bewältigt werden müssen, aber nicht das Letzte sein können.

 

Die Reaktionen auf das Leiden in und an den verschiedenen Grenzsituationen sind nach Jaspers so verschieden wie die Menschen mit ihren unterschiedlichen Einstellungen, Weltbildern und Geistestypen. Deswegen kann es in der konkreten Lebenswirklichkeit keine einheitliche Antwort, kein für alle Menschen gültiges Schema der Reaktion und der Lösung der Krisen geben, die durch die Grenzsituationen bedingt sind. 17

 

Pessimismus und Optimismus als persönliche Einstellungen und Geistestypen mit ihren jeweiligen Menschen- und Weltbildern sind nach Jaspers abstrakte Verabsolutierungen bestimmter Wertakzente. Davon verschieden sind jedoch die Verabsolutierungen einer bestimmten Wertrangordnung mit einer differenzierten und reflektierten Hierarchie von Werten, wie sie große Philosophen in ihrer jeweiligen Ethik entwickelt haben.

 

„Als Formeln treten Optimismus und Pessimismus auf, indem der eine sagt: Diese ist die beste aller möglichen Welten, alles Übel dient einem Guten, und indem der andere entgegnet: Die Summe der Lust ist in der Welt so viel geringer als die Summe der Unlust, daß es besser wäre, die Welt wäre gar nicht.“ (S. 248) Oder auch: das es besser wäre, gar nicht geboren zu sein oder möglichst bald zu sterben.

 

Dem praxisorientierten Denker (vita activa), der sich mehr den realen Bedingungen und den praktischen Notwendig-keiten eines tätigen Lebens gewidmet hat, scheinen beide Stellungnahmen zu abstrakt zu sein. „Von der Welt im Ganzen vermag er so etwas nicht zu sagen. Das Leben wird doch erst zeigen, was die Welt ist, und die Welt ist nie fertig. Was sie ist, so empfindet er, hängt auch von mir ab. Sie ist überhaupt nicht, sondern sie wird.“ (S. 248) Ob die Welt als Ganzes gut oder schlecht sei, das weiß der Praktiker nicht und kann es nicht entscheiden. Würde er versuchen, solche Bewer-tungen, die für die einzelne Menschen, Sachverhalte, Dinge und Ereignisse geschaffen wurden, auf die ganze Welt anzuwenden, dann würde er sich des Lebens berauben und die Welt würde für ihn gleichsam still stehen und als endgültig erscheinen.

 

„Die Stimmung des Optimisten ist so, daß er für die Werte die Unwerte in Kauf nehmen will, wenn er sie nicht beseitigen kann, und so, daß er ihre Bedeutung verkleinert, überall etwas Gutes herauszufinden sucht. Die Stimmung des Pessi-misten ist so, daß ihm eine einzige Qual nicht durch alle Werte aufgewogen werden kann, und daß er lieber nicht wäre.“ (S. 249)

 

Was für die Optimisten und Pessimisten gilt, das gilt dann auch für alle die anderen Geistestypen, die durch andere Einstellungen, Menschen- und Weltbilder bestimmt werden (wie z.B. Realisten und Idealisten, Naturalisten und Dualisten, Atheisten und Theisten, Empiristen und Rationalisten). Alle Menschen reagieren in den schweren Krisen, die durch die verschiedenen Arten von Grenzsituationen (Kampf, Schuld, Zufall, Tod, etc.) ausgelöst werden, zumindest in einigen Hinsichten unvorhersehbar individuell. Deswegen brauchen einzelne Menschen auch verschiedene Antworten und Lösungen, um das schwere Leiden, das mit den Grenzsituationen einhergeht, zu bewältigen. Kein einzelnes Antwortschema, kein einzelnes Lösungsmodell kann nach Jaspers‘ Verständnis der Grenzsituationen für alle Menschen taugen. 18

 

Von daher müssen auch Ärzte und Psychiater, Psychotherapeuten und Seelsorger, Pflegende und Sozialarbeiter, die einzelne Menschen in solchen schweren Lebenskrisen begleiten, ein vertieftes Verständnis haben für die Individualität der Persönlichkeit, für Typen der Persönlichkeit und die sog. Persönlichkeitsstörungen mit ihren spezifischen Reaktions-weisen und Verhaltensmustern im Verlauf der Beziehungen sowie für Geistestypen mit ihren jeweiligen Einstellungen, Welt- und Menschenbildern. Philosophische und geisteswissenschaftliche Bildung sind von daher ebenso notwendig und hilfreich wie ein psychologische Ausbildung und ein psychologisches Differenzierungsvermögen im Hinblick auf Diagnose und Therapie. 19

 

7. Unterschiedliche Reaktionen auf das Leiden in den Grenzsituationen

 

Menschen, die wir idealtypisch entweder als Optimisten oder Pessimisten oder auch als aktive und realistische Praktiker bezeichnen, können nach Jaspers sehr unterschiedlich auf die gleichen Grenzsituationen und das mit ihnen verbundene Leiden reagieren. Manche versuchen dem Leiden auszuweichen, indem sie sich nicht den Tatsachen stellen, indem sie ihren Horizont verengen, indem sie sich fernhalten oder sich zurückziehen, sobald ein schweres und womöglich unheil-bares Leiden auftritt. Andere verdrängen das Leiden, werden tätig und flüchten sich in gesteigerte Aktivitäten, solange es nicht ihre Gesundheit beeinträchtigt. Tätigkeit wird dann zu einer Flucht vor dem Leiden in ein eher technisches Schaffen nach gewohnten Verhaltensmustern.

 

In beiden Fällen wird das Leiden vermieden, als ob es beseitigt werden oder von alleine wieder verschwinden könnte. In einigen Fällen weniger schwer wiegenden Leidens ist das durchaus möglich. Von daher schleicht sich gerne der falsche Glaube ein, dass das auch in den Fällen eines schwerer wiegenden Leidens gelingen könnte, das mit den Grenzsitua-tionen einhergeht, wie z.B. im Falle von Altern, Krankheit, Sterben und Tod. Das Altern lässt sich jedoch höchstens ver-zögern, aber nicht aufhalten oder beseitigen. Chronische Erkrankungen, körperliche Gebrechen und seelische Wunden müssen auch bis zum Ende des Lebens ertragen und gemeistert werden. Am Ende sterben alle Menschen, was auch immer sie darüber glauben, was nach dem Tode kommen mag. Sterben und Tod als Ende und Jenseits des Lebens sind jedenfalls biologisch notwendig und existenziell unvermeidbar.

 

Religiöse Rituale wie regelmäßiger Gottesdienst, liturgische Rituale im Gottesdienst, Opfergaben im Form von Geld oder Fasten, sind oftmals heilsame Versuche, das zufällige, schicksalhafte oder unausweichliche Leiden von Altern, Krankheit, Sterben und Tod zu bewältigen. Aber sie können auch auf eine ungesunde Art und Weise genossen werden und als ein magisches Mittel zur versuchten Beeinflussung Gottes missbraucht werden.

 

„Ohne Bewußtsein der Antinomien und der Grenzen werden metaphysisch-mythische Weltbilder zu magischem Handeln benutzt. Der Mensch demütigt sich vor Göttern, befragt Orakel, nimmt allerhand Opfer vor. Gedanken, das Leid diene zur Strafe, zur Zucht, zur Prüfung, machen aus dem Leiden ein bloßes Mittel, nichts Endgültiges.“ (S. 250-251)

 

Der Glaube, dass man durch bestimmte Lebensweisen, vorgeschriebenes Verhalten und rituelle Handlungen unaus-weichliches Leiden bannen oder beseitigen kann, hat einen magischen Charakter. Einerseits dient der regelmäßige Gottesdienst der individuellen und gemeinschaftlichen Anerkennung und Bewältigung menschlichen Leidens, was an und für sich schon seelisch heilsam ist und zur menschlichen Reife beitragen kann. Andererseits wird in religiösen Ritualen nicht selten der Versuch gemacht, das faktische und notwendige Leiden in irgendein anderes Gut (wie z.B. seelische Geborgenheit, persönliche Sicherheit, soziale Konformität, moralische Anständigkeit, geglaubte Gottgefällig-keit) umzudeuten oder einem höheren Zweck (z.B. Altruismus, Erlösung, Heiligkeit) dienen zu lassen. Dann aber wird es gerade nicht mehr als das kreatürliche und unausweichliche Leiden erlebt, verstanden und hingenommen, sondern aus verschiedenen Gründen als ein Mittel zu bestimmten Zwecken gesucht. Leiden wird nur dann wirklich als ein solches erlebt und verstanden, wenn es als etwas Elementares und Kreatürliches angenommen wird, das zum menschlichen Leben dazu gehört, wie Essen und Trinken, Lachen und Weinen, Wachen und Schlafen. Trotzdem reagieren die Men-schen verschieden auf das Leiden, je nachdem, welchem Persönlichkeits- und Geistestypus sie angehören, welche seelischen Einstellungen in ihnen wirken und welches Welt- und Menschenbild sie haben.

 

Nach Jaspers gibt es vier allgemeine Antwortschemata auf unvermeidbares Leiden:

 

1. Resignation: Wer resigniert, verzichtet auf eine eigene persönliche Stellungnahme zum konkreten Leiden, weil er oder sie sich für unfähig hält, die Situation zu meistern und zu verarbeiten. Mögliche Antworten auf die Frage nach dem Sinn und Zweck des Leidens erscheinen wenig glaubwürdig oder werden verworfen. Es scheint keine Hoffnung auf eine aktive Befreiung oder passive Erlösung vom Leiden zu geben.

 

2. Weltflucht: Wenn es jemand besser zu sein scheint, gar nicht mehr da zu sein und zu leben, dann verfällt er oder sie in eine gleichgültige Apathie des Sich-Treiben-Lassens oder neigt zur gewaltsamen Beendigung des eigenen Lebens durch Suizid. Nach dem Verlust aller Lebensfreude und jeglicher Hoffnung auf eine Besserung verengt sich der eigene Horizont, sodass dann auch die wahrscheinlichen Folgen für Andere nicht mehr wahrgenommen werden können, und der einzelne Mensch nimmt sich das Leben und tötet sich selbst.

 

3. Heroismus: Herausgefordert durch das unausweichliche Leiden, findet der einzelne Mensch die innere Kraft, das jeweilige Leiden anzunehmen und sich auf sich selbst zu stellen. Dadurch kommt jemand zum Bewusstsein seiner selbst und dadurch kann jemand einen tieferen Sinn in allem Leiden entdecken. Er weicht dem eigenen Leiden nicht mehr angstvoll oder aber hoffnungslos aus, sondern nimmt es trotzig auf sich – wie Prometheus oder Sisyphos. Nicht das menschliche Dasein und Leben an sich, sondern nur das eigene Dasein und Leben wird als sinnvoll erlebt.

 

4. Religiosität: Die Resignation gegenüber der Welt, die Indifferenz des Weltflüchtigen und die Kraft des Heroischen scheinen im religiösen Erleben und im metaphysischen Denken sowie in dem gemeinsamen Leben der Glaubenden zusammen zu kommen und aus der Beziehung zur Transzendenz eine besondere Kraft zu schöpfen. Der religiöse Mensch scheint aufgrund seines Glaubens jedoch meistens hoffnungsvoller als der Resignierte, entschiedener im Diesseits und tatkräftiger in der Liebe als der Weltflüchtige und weniger einsam und trotzig als der Heroische.

 

Eine gesunde heroische Haltung in Abgrenzung von einem unreifen, übermütigen und selbstsüchtigen Heroismus sowie eine echte und heilsame Frömmigkeit im Unterschied zu einer heuchlerischen und pathologischen Religiosität stellen anders als die seelische Resignation und die suizidale Weltflucht erstrebenswerte und förderungswürdige Antworten auf das Leben in den Grenzsituationen dar. Jaspers vier Typen scheinen jedoch trotzdem nicht vollständig zu sein. Es gibt zumindest noch drei weitere Typen von Antworten, die gegenwärtig in Europa weiter verbreitet sind als diese vier Typen von Antworten auf das Leiden in den Grenzsituationen und die seit der Lebenszeit von Karl Jaspers (1883-1969) unter dem starken Einfluss der modernen, liberalen anglo-amerikanischen Kultur, Wirtschaft und Politik zugenommen haben: der ethische Hedonismus, der sinnlose Konsumismus und der intellektuelle Rationalismus.

 

5. Hedonismus: Lebensfreude und die Freude an schönen Menschen und Dingen, Freundschaften und Gemein-schaften, Landschaften und Städten, Musik und Tanz, Humor und Ironie sind etwas, was an und für sich einen Wert hat und als wertvoll erlebt werden kann. Sie sind auch ein gutes Mittel gegen Resignation und weltflüchtigen Suizid, falschen Heroismus und fanatische Religiosität von Menschen, die sich selbst und andere Menschen den Zielen ihrer jeweiligen Religion opfern. Aber wenn Menschen aufgrund einer hedonistischen Einstellung zum Leben von leiblichen Lustgefühlen, seelischen Freuden, psychischen Gipfelerlebnissen und gar von stofflichen Suchtmitteln abhängig werden, und nicht mehr lernen, mit Leiden, Schmerzen, Trauer und Tod umzugehen, um sie bewältigen zu können, dann können sie eigentlich auch gar keine tiefe und grundlose Daseinsfreude, kein echtes Vergnügen am Schönen und keinen Sinn im eigenen Dasein mehr erleben. Körperliches Lusterleben ersetzt seelische Freude, billiger Kitsch tritt an die Stelle des Schönen und Erhabenen, Streben nach Macht, Reichtum und Berühmtheit ersetzen die tiefere Erfüllung durch einen Sinn im Leben. 20

 

6. Konsumismus: Lebensnotwendige Lebensmittel und viele Dinge, die das alltägliche Leben erleichtern, wie eine eigene Wohnung, eine schöne Einrichtung, Maschinen im Haushalt, ein gutes Auto, gelegentliche Urlaube, etc. zu besitzen, ist für die meisten Menschen eine Bereicherung und Steigerung der Lebensfreude und ein Ausdruck ihrer Lebensbejahung. Sich solche Dinge leisten zu können und zu besitzen, stellt neben der Mühe der Anschaffung und Pflege, die sie auch mit sich bringen, auch einen seelischen Ausdruck und ein probates Mittel gegen seelische Resignation und suizidale Weltflucht, gegen falschen Heroismus und krankhafte Religiosität dar. Wenn jedoch das Streben nach Einkauf und Konsum von Luxusartikeln, nach maßlosen Genüssen und nach dem grenzenlosen Besitz von Konsumartikeln zu einem bloßen Ersatz für das lebendige Erleben schöner Dinge, für gesunde persönliche Interessen, für interessante und erfreuliche Beziehungen zu anderen Menschen wird, dann wird damit oftmals nur eine tiefe innere Sinnlosigkeit des eigenen Lebens notdürftig befriedigt und in Situationen der seelischen Not, der Lebenskrisen und Verzweiflung verdeckt. 21

 

7. Rationalismus: Philosophische, theologische und wissenschaftliche Reflexion auf das menschliche Dasein in der Welt und die unausweichlichen Grenzsituationen mit ihrem Leiden gehören sicher zu den gesunden rationalen Strategien, mit denen Menschen das Leiden in den Grenzsituationen bewältigen können. Aber es gibt auch gewisse Formen einer übersteigerten Intellektualität und Rationalisierung, die ideologischen Charakter haben, die mit einer leiblich-seelischen Anästhesie einhergehen und eher gegen legitimes und notwendiges Leiden abschirmen und damit gesunde seelische Lernprozesse verhindern. Dazu kann nach Jaspers auch die Metaphysik als eine rationale Konstruktion des Ganzen von Selbst, Welt und Gott gehören: „Jede formulierte Lehre von Ganzen wird Gehäuse, beraubt des originalen Erlebens der Grenzsituationen und unterbindet die Entstehung der Kräfte, die bewegend den Sinn des Daseins in der Zukunft in selbst gewollter Erfahrung suchen, um an deren Stelle die Ruhe einer durchschauten und vollkommenen, die Seele befriedigenden Welt ewig gegenwärtigen Sinnes zu setzen.“ (S. 254) Noch vor einigen Jahrzehnten handelte es sich eher um politische Ideologien. Abgelöst wurden sie dann von philosophischen, soziologischen, biologischen oder neuro-wissenschaftlichen Theorien jenseits der unmittelbar erfahrbaren Phänomene der Lebenswelt.

 

8. Fazit

 

Jaspers Konzeption der Grenzsituationen von Kampf, Zufall, Schuld und Tod sowie von ihrer Bewältigung von Grenz-situationen im lebensweltlich situierten und oftmals unvorhersehbaren Prozess des Lebens gehört ursprünglich in seine Psychologie der Weltanschauungen als einer Untersuchung einer menschlichen Pluralität von persönlichen Einstel-lungen, Weltbildern und Geistestypen. Deswegen kann der Begriff der Grenzsituation und ihrer Bewältigung nicht auf Jaspers‘ psychologischer Konzeption herausgelöst werden und in eine psychologische, psychotherapeutische oder psychiatrische Betrachtung hinein gezwungen werden, die die Individualität der Persönlichkeit, die unterschiedlichen Typen der Persönlichkeiten und die verschiedenen Strategien der Bewältigung aufgrund persönlicher Einstellungen, Weltbilder und Geistestypen außer Acht lässt. Da die individuellen Persönlichkeiten der Menschen verschieden sind und da die Menschen aufgrund ihrer verschiedenen Einstellungen, Weltbilder und Geistestypen auf ähnliche Grenzsitua-tionen verschieden antworten und reagieren, verfügen sie auch über verschiedene seelische und geistige Ressourcen zur Bewältigung der seelischen Krisen in den Grenzsituationen. Die gilt selbst und gerade dort, wo die Grenzsituationen zu Bedrohungen des Lebens, der seelischen Gesundheit und der Struktur der Persönlichkeit selbst werden, wie in der klinischen Psychiatrie und Psychotherapie.

 

Fußnoten

 

1 Die Seitenangaben zu den Zitaten im Text beziehen sich auf die Taschenbuchausgabe von Karl Jaspers, Psychologie der Weltanschauungen. München: Piper ²1994.

 

2 Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (1783); Franz Brentano, Über die Zukunft der Philosophie (1893); Edmund Husserl, Philosophie als strenge Wissenschaft (1910/1911).

 

3 Wolfgang Wieland, Platon und die Formen des Wissens, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht ²1999.

 

4 Karl Jaspers, Philosophie. 3 Bände (I. Philosophische Weltorientierung; II. Existenzerhellung; III. Metaphysik), Berlin: Springer 1932; ders., Vernunft und Existenz. Groningen: Wolters 1935; ders., Existenzphilosophie. Drei Vorlesungen, Berlin: de Gruyter 1938.

 

5 Karl Jaspers, Psychologie der Weltanschauungen. Drittes Kapitel: Einleitung: Das Leben des Geistes, München: Piper ²1994, S. 217-284.

 

6 Johann Gottlieb Fichte, Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre (1794), § 5.

 

7 Vgl. P. Fiedler, Persönlichkeitsstörungen, Weinheim: Beltz 2007; R. Sachse, Persönlichkeitsstörungen. Leitfaden für die Psychologische Psychotherapie, Göttingen: Hogrefe 2004; R. Sachse, Persönlichkeitsstörungen verstehen. Zum Umgang mit schwierigen Klienten, Köln: Psychiatrie-Verlag 2010.

 

8 N. Hartmann, Die Erkenntnis im Lichte der Ontologie, Hamburg: Meiner 1982; ders., Neue Wege der Ontologie, Stuttgart: Kohlhammer 1968; M. Scheler, Die Stellung des Menschen im Kosmos, Bonn: Bouvier 16 2007; ders., Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, Hamburg: Meiner 2014.

 

9 I. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Metaphysik der Sitten II, Hamburg: Meiner 1986, 1. Buch. 2. Hauptstück, Teil II.: Vom Geiz, § 10, S. 71-73.

 

10 K. Jaspers, Vernunft und Existenz. Groningen: Wolters 1935; ders., Existenzphilosophie. Drei Vorlesungen, Berlin: de Gruyter 1938.

 

11 O. Höffe, Kritik der Freiheit. Das Grundproblem der Moderne, München: Beck 2015, S. 13-40.

 

12 O. Höffe, Kants Kritik der praktischen Vernunft. Eine Philosophie der Freiheit, München: Beck 2012.

 

13 I. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Metaphysik der Sitten. Zweiter Teil, neu herausgegeben und eingeleitet von Bernd Ludwig. Hamburg: Meiner 2008.

 

14 K. Jaspers, Kant, in: Die großen Philosophen. Nachlass, München: Piper 1981.

 

15 U. Diehl, Ist Jaspers ein Kantianer? in: Knut Eming / Thomas Fuchs: Karl Jaspers. Philosophie und Psychopathologie. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2007, S. 169-181.

 

16 V. Gerhardt, Immanuel Kant, Vernunft und Leben, Stuttgart: Reclam 2002.

 

17 Vgl. dagegen das prozessdynamische Modell von Hermes A. Kick: H.A. Kick, Grenzsituationen, Krise, Bewältigung. Prozessdynamische Perspektiven nach Karl Jaspers, Heidelberg: Winter 2015.

 

18 Vgl. dagegen: Kick (2015)

 

19 T. Fuchs, Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und ihre Anwendung, in: Die Psychiatrie 4 / 2010, S. 235-241.

 

20 R. Scruton, Schönheit. Eine Ästhetik, München: Diederichs 2012.

 

21 E. Fromm, Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, München: DTV 41 2005.

 

Erschienen in:  e-Journal Philosophie der Psychologie, Nr. 21 Oktober 2015

 

 http://www.jp.philo.at/texte/DiehlU1.pdf

 


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Ulrich W. Diehl, Grenzsituationen als existenzielle Herausforderung
erschienen in: e-Journal Philosophie der Psychologie, Nr. 21 Oktober 2015
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